Transkript
Atopische Dermatitis
Licht am Ende des Tunnels
AIU 2022
Neue systemische Therapien, wie monoklonale Antikörper und JAK-Inhibitoren, haben in den letzten Jahren erfolgreich die Therapie von Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis verbessert. Sie führen zu einer schnellen und lang anhaltenden Linderung von Hautsymptomen und Juckreiz.
Wer Patienten mit atopischer Dermatitis (AD) behandle, wisse, wie sehr sie in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt seien, betonte Prof. Dagmar Simon vom Inselspital Bern auf dem virtuellen Allergy and Immunology Update (AIU). Während zuvor die Therapieoptionen ziemlich eingeschränkt waren, wurden in den letzten Jahren viele neue Therapieansätze entwickelt, die sich in den klinischen Studien als sehr effektiv erwiesen haben. Wichtig für den Erfolg sei, dass die Therapie auf den Erkenntnissen zur Pathogenese der AD aufbaue, so Simon weiter. Die beiden Hauptfaktoren, die hier eine Rolle spielen, sind die defekte Hautbarriere und die Typ-2-Entzündung, wobei beide Faktoren miteinander interagieren (1). Gerade in der Beeinflussung der Entzündung wurden in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt. Es lassen sich 2 Strategien unterscheiden: Zum einen werden gezielt bestimmte Schlüsselzytokine und Rezeptoren gehemmt – hierzu wurden verschiedene monoklonale Antikörper entwickelt. Zum anderen lassen sich die Signalwege hemmen, die durch diese Zytokine aktiviert werden – das ist heute mit verschiedenen Januskinase-(JAK-)Inhibitoren möglich (2).
Hohe Erfolgsraten mit JAK-Inhibitoren
Der JAK-Inhibitor Baricitinib wurde zuerst für die Therapie von Patienten mit AD zugelassen. Die Effektivität wurde unter anderem in einer Studie gezeigt, in der das oral verabreichte Baricitinib in Kombination mit topischen Kortikosteroiden (TCS) eingesetzt wurde (3). «Das reflektiert das, was wir auch in der klinischen Praxis machen», sagte Simon. Vergleichsweise viele Patienten erreichten in den beiden Baricitinib-Gruppen einen EASI-75 (Reduktion des EASI-Symptomenscores um 75% gegenüber dem Ausgangsbefund). Der Juckreiz konnte deutlich reduziert werden. Das Sicherheitsprofil zeigte, was bereits aus anderen Studien mit JAK-Inhibitoren bekannt war: Es traten vor allem Infektionen, wie z. B. Herpes simplex, auf (3). In einer anderen Studie konnte eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität gezeigt werden: 73 Prozent der mit Baricitinib 4 mg behandelten Patienten hatten nach 16 Wochen eine Reduktion im DLQI-Gesamtscore um ≥ 4 Punkte erreicht, was als klinisch relevante Verbesserung angesehen wird (4). Auch die Pro-
duktivität und die Aktivität der Patienten konnten gegenüber der Plazebogruppe verbessert werden (4). Ein zweiter, für die AD zugelassener Vertreter dieser Substanzgruppe ist der JAK-1-Hemmer Upadacitinib. In den Studien Measure Up 1 und 2 wurde er bei insgesamt 836 Patienten mit mittelgradiger bis schwerer AD als Monotherapie in 2 unterschiedlichen Dosierungen (15 mg und 30 mg) geprüft (5). Es wurde ein dosisabhängiger, guter Therapieeffekt belegt: In Woche 16 erreichten 80 Prozent der Patienten aus den 30-mg-Gruppen und 70 Prozent der Patienten aus den 15-mg-Gruppen einen EASI-75, verglichen mit 16 Prozent in den Plazebogruppen. Auch in dieser Studie konnte eine gute und signifikante Wirksamkeit gegen den Juckreiz belegt werden. Mit Abrocitinib wurde im Dezember 2021 noch ein weiterer JAK-1-Hemmer in der EU zugelassen. In der Phase-III-Studie JADE-MONO1 erreichten nach 12 Wochen 63 Prozent der Patienten in der 200-mg-Gruppe und 40 Prozent der Patienten in der 100-mg-Gruppe einen EASI-75, verglichen mit 12 Prozent in der Plazebogruppe (6). Auch mit dieser Substanz konnte der Juckreiz gegenüber der Plazebogruppe signifikant reduziert werden. Zum Sicherheitsprofil der JAK-Inhibitoren wurde erst vor Kurzem eine Metaanalyse veröffentlicht (7). Sie machte deutlich, dass diese Substanzen bei AD-Patienten ein akzeptables Sicherheitsprofil aufweisen. Kopfschmerzen, Übelkeit, Diarrhö und Nasopharyngitis waren die am häufigsten gemeldeten systemischen Nebenwirkungen. Als unerwünschte dermatologische Effekte solle man vor allem auf Akne, Herpes simplex, Herpes zoster und Eczema herpeticatum achten, betonte Simon. Bei allen JAK-Inhibitoren war die Häufigkeit der Nebenwirkungen von der Dosis abhängig. Erfahrungen mit dem Einsatz der JAK-Inhibitoren bei AD habe Simon vor allem durch die Beteiligung an den klinischen Studien gesammelt; in der klinischen Praxis würden diese Substanzen erst sehr kurz eingesetzt. «Wir können wirklich gut den Schweregrad und den Juckreiz bei diesen Patienten reduzieren», berichtete Simon. Allerdings können die JAK-Inhibitoren nur bei Patienten mit einer schweren AD eingesetzt werden, die auf andere Immunsuppressiva (Ciclosporin, MTX, Azathioprin) nicht ansprechen oder bei denen
CongressSelection Pneumologie Allergologie | August 2022
17
AIU 2022
eine Kontraindikation gegen andere Immunsuppresiva besteht. Vor dem Therapiestart sind ein klinischer Check-up zur Abklärung von Risikofaktoren wie Zoster, Eczema herpeticatum, Tumoren und kardiovaskulären Risiken sowie Thoraxröntgen und Blutanalysen notwendig.
JAK-Inhibitoren auch als Topika effektiv
Eine Möglichkeit, die systemischen Nebenwirkungen von JAK-Inhibitoren zu umgehen, ist die topische Applikation. Hierzu wurden mit einer Delgotinib-Salbe und einer Ruxolitinib-Creme 2 Topika entwickelt. Auch mit der topischen Applikation konnten eine Verbesserung der AD-Symptome im EASI-Score und eine signifikante Juckreizlinderung in klinischen Studien belegt werden (8, 9). Nebenwirkungen der topischen Anwendung waren Schmerzen an der Applikationsstelle, Akne und Eczema herpeticatum.
IL-13-Hemmung etabliert sich bei AD
Ein wichtiger und bereits klinisch erfolgreicher Ansatz ist die zielgerichtete Therapie mit Antikörpern gegen IL-13 oder gegen dessen Rezeptor. Viele Erfahrungen liegen mittlerweile mit Dupilumab vor. Auf dem AIU präsentierte Simon eine Auswertung der Erfahrungen mit diesem Therapieprinzip der ersten 34 damit behandelten Patienten an ihrem Zentrum (10). Diese Erfahrungen stünden im Einklang mit den Ergebnissen der grossen Zulassungsstudien, berichtete Simon. Bei über 90 Prozent der Behandelten konnte im Langzeitverlauf von 1 Jahr ein EASI-75 erreicht werden. Dabei wurde unter der Therapie nicht nur eine Verminderung der Inflammation, sondern auch eine Wiederherstellung der epithelialen Barriere und eine Zunahme von Filaggrin in der Epidermis beobachtet (10). Inzwischen wurde der Einsatz von Dupilumab bei Kindern in Studien geprüft (11). In dieser Altersgruppe ginge es nicht nur um die nachgewiesene Symptomreduktion, betonte Simon: «Es ist möglich, dass durch die frühzeitige Therapie bei Kindern, insbesondere solchen mit schwerer AD, mit Dupilumab oder anderen zielgerichteten Therapeutika der atopische Marsch verhindert oder zumindest verlangsamt werden könnte.» Darüber hinaus liegen Studiendaten zur guten Effektivität von Dupilumab bei anderen Erkrankungen wie Asthma, perennialer allergischer Rhinitis, chronischer Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis (CRSwNP) und eosinophiler Ösophagitis (EoE) vor. Zusammenfassend sei Dupilumab sehr effizient, gut verträglich, weise in schwer therapierbaren AD-Arealen, wie zum Beispiel an Händen und Füssen, eine gute Effektivität auf. Unter der Therapie verbesserten sich die häufigen Komorbiditäten der AD-Patienten, betonte Simon. Unter den Nebenwirkungen sollte besonders auf die Konjunktivitis geachtet werden. Unter der Mitwirkung von Simon wurden Leitlinien zum Management der Konjunktivi-
tis publiziert (12). Bei einigen Patienten beobachtet man erythematöse Ausschläge, vor allem im Gesicht und auf den Armen, die an eine Rosazea oder eine seborrhoische Dermatitis erinnern.
Tipps zur Therapiewahl
Als Hilfe für die Entscheidung, ob Patienten eher JAK-Inhibitoren oder einen Antikörper erhalten sollten, liegen inzwischen Daten aus Vergleichsstudien vor (13, 14). Sowohl Upadacitinib als auch Abrocitinib wurden in Head-to-head-Studien mit Dupilumab verglichen. Sie zeigen, dass man mit dem JAK-Hemmer einen schnelleren Effekt auf die Hautveränderungen und den Juckreiz erzielt. Allerdings sind die Therapieeffekte im Langzeitverlauf bei Dupilumab und den JAK-Hemmern ähnlich. Die Therapieentscheidung sollte deshalb im Einzelfall in Abhängigkeit von weiteren Faktoren, wie Komorbiditäten, Risikofaktoren und geplanter Therapiedauer, getroffen werden, empfahl Simon.
Neue systemische Ansätze
Inzwischen wurden für die Hemmung von IL-13 noch wei-
tere Biologika entwickelt. Der monoklonale Antikörper Tra-
lokinumab bindet direkt an IL-13 und verhindert so die
Bindung dieses Zytokins an dessen Rezeptoren. In einer Pha-
se-III-Studie zeigte Tralokinumab eine schnelle Wirkung auf
die AD-Symptomatik sowie einen lang anhaltenden Effekt
über die Studiendauer von einem Jahr (15). Als weiterer Anti-
körper gegen IL-13 wird Lebrikizumab derzeit in der Phase
III geprüft.
Mit dem gegen IL-31 gerichteten Antikörper Nemolizumab
wird in erster Linie der Juckreiz beeinflusst. In den klinischen
Studien wurde beobachtet, dass nach einer sehr schnellen
Juckreizreduktion etwas verzögert eine Symptomreduktion
erreicht wird (16).
Darüber hinaus werden derzeit weitere Wirkprinzipien er-
forscht. Eine neue Strategie sind Substanzen, die das Mikro-
biom der Haut verbessern sollen. So wisse man heute, dass
eine Störung im Mikrobiom der Haut bei Patienten mit AD
vorliege, auch auf unveränderter Haut, besonders aber im
Bereich der Läsionen, berichtete Simon. Es wird versucht, die
Zusammensetzung des Mikrobioms mit einer topischen The-
rapie zu verbessern. Es gibt noch viele weitere Moleküle, die
eine Rolle in der Pathogenese der AD spielen und als Ziel-
strukturen für neue Therapien untersucht werden. «Es kom-
men also interessante Zeiten auf uns zu», so das Resümee
von Simon.
s
Adela Žatecky
Quelle: Allergy and Immunology Update (AIU) 2022, 28.-29. Januar 2022, online
Referenzen auf www.rosenfluh.ch/congressselection abrufbar.
18 CongressSelection Pneumologie Allergologie | August 2022
Referenzen: 1. Simon D: Recent Advances in Clinical Allergy and Immunology
2019. Int Arch Allergy Immunol. 2019;180(4):291-305. 2. Chovatiya R, Paller AS: JAK inhibitors in the treatment of atopic
dermatitis. J Allergy Clin Immunol. 2021;148(4):927-940.. 3. Reich K et al.: Efficacy and Safety of Baricitinib Combined With
Topical Corticosteroids for Treatment of Moderate to Severe Atopic Dermatitis: A Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol. 2020;156(12):1333-1343. 4. Wollenberg A et al.: Impact of baricitinib in combination with topical steroids on atopic dermatitis symptoms, quality of life and functioning in adult patients with moderate-to-severe atopic dermatitis from the BREEZE-AD7 Phase 3 randomized trial. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2021;35(7):1543-1552. 5. Guttman-Yassky E et al.: Once-daily upadacitinib versus placebo in adolescents and adults with moderate-to-severe atopic dermatitis (Measure Up 1 and Measure Up 2): results from two replicate double-blind, randomised controlled phase 3 trials. Lancet. 2021;397(10290):2151-2168. 6. Simpson EL et al.: Efficacy and safety of abrocitinib in adults and adolescents with moderate-to-severe atopic dermatitis (JADE MONO-1): a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2020;396:255-266. 7. Chang PH et al.: Safety considerations of systemic Janus kinase inhibitors in atopic dermatitis applications J Dermatol. 2021;48(11):1631-1639. 8. Nakagawa H et al.: Delgocitinib ointment, a topical Janus kinase inhibitor, in adult patients with moderate to severe atopic dermatitis: A phase 3, randomized, double-blind, vehicle-controlled study and an open-label, long-term extension study. J Am Acad Dermatol. 2020;82(4):823-831. 9. Kim BS et al.: Treatment of atopic dermatitis with ruxolitinib cream (JAK1/JAK2 inhibitor) or triamcinolone cream. J Allergy Clin Immunol. 2020 ;145:572-582. 10. Rohner MH et al.: Dupilumab reduces inflammation and restores the skin barrier in patients with atopic dermatitis. Allergy. 2021;76:1268-1270. 11. Cork MJ et al.: Dupilumab provides favourable long-term safety and efficacy in children aged ≥ 6 to < 12 years with uncontrolled severe atopic dermatitis: results from an open-label phase IIa study and subsequent phase III open-label extension study. Br J Dermatol. 2021;184(5):857-870. 12. Guex-Crosier Y et al.: Management of dupilumab-associated ocular surface diseases in atopic dermatitis patients. Swiss Med Wkly. 2021;151:w30020. 13. Blauvelt A et al.: Efficacy and Safety of Upadacitinib vs Dupilumab in Adults With Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis: A Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol. 2021;157(9):10471055. 14. Bieber T et al.: Abrocitinib versus Placebo or Dupilumab for Atopic Dermatitis. N Engl J Med. 2021;384:1101-1112. 15. Wollenberg A et al.: Tralokinumab for moderate-to-severe atopic dermatitis: results from two 52-week, randomized, double-blind, multicentre, placebo-controlled phase III trials (ECZTRA 1 and ECZTRA 2). Br J Dermatol. 2021;184(3):437-449. 16. Kabashima K et al.: Nemolizumab plus topical agents in patients with atopic dermatitis (AD) and moderate-to-severe pruritus provide improvement in pruritus and signs of AD for up to 68 weeks: results from two phase III, long-term studies [online ahead of print]. Br J Dermatol. 2021;10.1111/bjd.20873.
CongressSelection Pneumologie Allergologie | August 2022
AIU 2022 19