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FORTBILDUNG
Axiale Spondyloarthritis – Erstdiagnose und Überweisungsstrategie
Neue Leitlinie der DGRh
Leitsymptom der axialen Spondyloarthritis ist der entzündliche Rückenschmerz. Rückenschmerz ist ein sehr häufiges Symptom, und noch immer dauert es 5 bis 14 Jahre, bis die Diagnose gestellt ist. Von besonderer Bedeutung ist eine Verbesserung der Frühdiagnostik. Die Überweisung an einen Rheumatologen sollte rechtzeitig erfolgen.
grosse Zahl von Rückenschmerzpatienten erschwert (1). Eine aktuelle S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) soll den Arzt unterstützen (2). Zur Verbesserung der Frühdiagnostik sind evidenzbasierte diagnostische Algorithmen entwickelt worden, die eine Grundlage für die Diagnosestellung geben. Hierbei wurden der diagnostische Wert (Likelihood-Ratio, LR) jedes Tests berechnet und die Abhängigkeit von der Prävalenz und der Prätestwahrscheinlichkeit des Vorliegens einer SpA verdeutlicht (1).
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR RHEUMATOLOGIE
Spondyloarthritiden (SpA) sind entzündlich-rheumatische Erkrankungen mit klinischen und genetischen Gemeinsamkeiten (1). Die Prävalenz wird zwischen 0,4 und 2 Prozent angegeben (2). Auf Basis klinischer und teilweise auch radiologischer Befunde lassen sich eine vorwiegend axiale SpA wie der Morbus Bechterew (ankylosierende Spondylitis, AS) und eine periphere Form unterscheiden. Die Mehrzahl der Patienten ist von der axialen Manifestation betroffen, bei der Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Achsenskeletts im Vordergrund stehen (2). Der Zeitraum zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung ist lang und beträgt im Durchschnitt zwischen 5 und 14 Jahren (2). Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass nicht ein einzelnes Symptom wegweisend für die Diagnose ist. Die Früherkennung und Diagnostik der Spondylitis ankylosans wird zum anderen auch durch die insgesamt
Merksätze
O Leitsymptom der axialen Spondyloarthritis ist der entzündliche Rückenschmerz.
O Etwa 25 bis 30 Prozent der Spondylitis-ankylosans-Patienten haben ebenfalls erkrankte Verwandte.
O HLA-B27 ist bei etwa 80 bis 95 Prozent der Patienten vorhanden.
O Die Ansprechrate auf eine NSAR-Therapie ist hoch.
O Jüngere Patienten mit chronisch entzündlichen Rückenschmerzen und Nachweis des HLA-B27-Gens sollten zur weiteren Klärung zum Rheumatologen überwiesen werden.
Klinik Von besonderer Bedeutung ist eine sorgfältige Anamnese. Der Patient muss über die Art der Rückenschmerzen sowie nach anderen Symptomen der axialen Spondyloarthritis befragt werden. Auch die Familienanamnese sowie die Effektivität einer Therapie mit nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) können wertvolle Hinweise geben (2).
Entzündlicher Rückenschmerz Die Schmerzen beginnen meist in den Sakroiliakalgelenken im Alter von etwa 26 Jahren. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen. Bei etwa 70 bis 80 Prozent der Patienten greift die Erkrankung auf die Wirbelsäule über (3). Der Rückenschmerz ist chronisch und dauert über mindestens 3 Monate an (2). Er ist durch eine Sakroiliitis und Entzündungen des Achsenskeletts wie Spondylitis, Spondylodiszitis und Spondylarthritis (Entzündung kleiner Wirbelgelenke) sowie Arthritis der Kostovertebral- und Kostosternalgelenke bedingt. Hierbei sind alle drei Wirbelsäulenabschnitte (LWS, BWS, HWS) betroffen (3). Die Schmerzen beginnen schleichend und treten vor allem nachts und in den frühen Morgenstunden auf. Sie können mit einer Morgensteifigkeit verbunden sein. Die Schmerzen bessern sich durch Bewegung, nicht aber bei Ruhe. Oft wachen die Patienten daher in der zweiten Nachthälfte auf. Die Schmerzen können wechselseitig im Gesäss auftreten. Die Patienten sind jung, im Allgemeinen nicht älter als 45 Jahre. Häufig befinden sie sich erst im dritten Lebensjahrzent. Keines dieser Merkmale ist einzeln geeeignet, um zwischen axialer SpA und nicht spezifischem Rückenschmerz zu unterscheiden (2).
Weitere Symptome Häufig sind die periphere, meist asymmetrische Arthritis und die Enthesitis (Sehnenansatzentzündung) vorwiegend der unteren Extremitäten. Nicht selten sind die Hüft- und Schultergelenke befallen. Auch Entzündungen eines Fingers oder
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einer Zehe (Daktylitis) sind möglich. Darüber hinaus kann es zum Befall anderer Organsysteme wie der Augen (anteriore Uveitis), der Haut (Psoriasis), des Darms (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) und des Herzens (Aortitis) kommen. Selten sind Lunge oder Nieren (Amyloidose) betroffen (3).
Die Bildgebung bei Spondylitis ankylosans ist essenziell für die Diagnose, das Management der Erkrankung, die Bestimmung der Krankheitsaktivität und auch für Messungen von strukturellen Veränderungen als Zielparameter, zum Beispiel bei Medikamentenstudien (1).
Familienanamnese Untersuchungen an Zwillingen mit Spondylitis ankylosans fanden eine Konkordanzrate von 65 Prozent für monozygote und 12,5 Prozent für dizygote Zwillinge. HLA-B27-positive erstgradige Verwandte von Patienten mit Spondylitis ankylosans erkranken 10-mal häufiger als Träger von HLA-B27 ohne Familienvorgeschichte, bei denen die Erkrankung zu 1 bis 2 Prozent auftritt. Etwa 25 bis 30 Prozent der Spondylitis-ankylosans-Patienten haben Verwandte, die ebenfalls erkrankt sind. Bei Patienten mit positiver Familienanamnese zeigen sich die ersten Symptome im Mittel zwei Jahre früher als bei Patienten mit negativer Familienanamnese (1).
Ansprechen auf eine NSAR-Therapie NSAR sind die einzige Medikamentengruppe neben den TNF-α-Blockern, für die eine eindeutige klinische Wirkung sowohl für die axialen wie auch für die peripheren Manifestationen der AS nachgewiesen wurde. Einige Daten sprechen sogar dafür, dass die axialen Manifestationen etwas besser als die peripheren auf eine NSAR-Behandlung ansprechen. Der entzündliche Rückenschmerz bei der AS spricht typischerweise gut bis sehr gut auf NSAR an, weshalb diese Medikamentengruppe als Therapie der ersten Wahl bei den axialen SpA gilt (3).
Laborparameter Der wichtigste genetische Faktor, das HLA-B27, ist bei etwa 80 bis 95 Prozent der Patienten vorhanden (2). Weitere genetische Faktoren wurden identifiziert: ERAP-1 und IL23-R sowie HLA-B60 und IL-1-Polymorphismen zeigen eine zum Teil starke Assoziation mit den SpA (1). Die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) und/oder der Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) kann zur Abklärung der Verdachtsdiagnose axiale SpA eingesetzt werden. Bei etwa der Hälfte der Patienten mit axialer SpA sind die Spiegel der Entzündungsparameter erhöht. Die Post-Test-Wahrscheinlichkeit eines erhöhten CRP oder der BSG liegt nur bei 12 Prozent. Die Sensitivität erhöhter Entzündungszeichen liegt zwischen 38 und 69 Prozent, die Spezifität bei 67 bis 80 Prozent und die positive LR bei 2,5. Wegen der geringen Kosten werden diese Tests in der Primärversorgung aber häufig eingesetzt und können bei erhöhten Werten differenzialdiagnostisch hilfreich sein, da Patienten mit unspezifischen Kreuzschmerzen im Allgemeinen keine verstärkten Entzündungszeichen aufweisen (2).
Prognose Axiale SpA können einen ungünstigen Verlauf hinsichtlich der permanenten Krankheitsaktivität, des Funktionsverlusts mit Behinderung sowie der Strukturschäden an der Wirbelsäule und den peripheren Gelenken haben. Insgesamt ist die Krankheitslast bei etwa der Hälfte der Patienten erheblich (3). Die Prävalenz kardialer Komorbiditäten ist erhöht (Myokardinfarkt, arterielle Hypertonie, atrioventrikulärer Block). Darüber hinaus leiden die Patienten gehäuft unter Osteopenie, Osteoporose und Wirbelkörperfrakturen (3).
Überweisungsstrategie
Die axiale SpA ist eine wichtige Differenzialdiagnose, die
einer möglichst schnellen Abklärung und Behandlung be-
darf, was die Prognose verbessert. Jüngere Patienten (Alter
unter 45 Jahren) mit chronisch entzündlichen Rücken-
schmerzen sowie Nachweis des HLA-B27-Gens sollten zur
weiteren Klärung zum Rheumatologen überwiesen werden.
Die Feststellung einer Sakroiliitis ist für die Diagnose wichtig.
Die Indikation für die Bildgebung sollte in der Primärversor-
gung zurückhaltend gestellt werden und in Abstimmung mit
dem Rheumatologen erfolgen (2).
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Claudia Borchard-Tuch
Interessenkonflikte: keine
Literatur: 1. Braun J et al.: Spondyloarthritiden. Internist 2011; 52: 657–667. 2. Kiltz U, Braun J: Evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumato-
logie (DGRh) und der beteiligten medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und weiterer Organisationen. Langfassung zur S3-Leitlinie Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen. AWMF-Leitlinien Register-Nr 060/003, November 2013. 3. Braun J: Was ist gesichert in der Therapie der axialen Spondyloarthritis? Internist 2013; 54: 1450–1458.
Bildgebung Im Anfangsstadium der Erkrankung sind nur bei etwa der Hälfte der Erkrankten röntgenologische Veränderungen erkennbar. Für die Diagnostik einer Sakroiliitis in sehr frühen Krankheitsstadien ist eine Magnetresonanztomografie (MRT) indiziert. Die in der MRT gut sichtbare Wirbelsäulenentzündung kann quantifiziert werden, hierfür wurden Scoringmethoden entwickelt (1).
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