Transkript
Allergische Rhinitis bei Kindern
Eine Übersicht der therapeutischen Optionen
FORTBILDUNG
Die allergische Rhinitis zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. Mithilfe moderner Diagnose- und Therapieverfahren sollte das erkrankte Kind ohne Einschränkung ein normales Leben führen können.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
In Westeuropa zählt die allergische Rhinitis zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter. 8,3 Prozent der sechs- und siebenjährigen Kinder sind betroffen. Allergenspezifische IgE-Moleküle spielen in der Entzündungskaskade eine Schlüsselrolle. Bei Kontakt der Nasenschleimhaut mit dem entsprechenden Antigen kommt es zu einer örtlich begrenzten anaphylaktischen Reaktion mit Niesattacken, Fliessschnupfen und verstopfter Nase. Die allergische Rhinitis kann zu Schlafstörungen führen und die Lebensqualität beeinträchtigen. Das Risiko, an Asthma zu erkranken, ist in der vorpubertären Lebensphase um das Siebenfache erhöht. Obwohl die allergische Rhinitis häufig dem Heuschnupfen gleichgesetzt wird, können zahlreiche Antigene auslösend wirksam sein. Neben Proteinbestandteilen pflanzlicher Pollen sind häufig Hausstaubmilben, Tierhaare oder Schimmel-
Merksätze
O Die allergische Rhinitis ist eine häufige Erkrankung, die mit einem erhöhten Risiko für Asthma bronchiale einhergeht.
O Nasenspülungen mit Kochsalzlösung verbessern die Symptome und verringern die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung.
O H1-Antihistaminika der zweiten Generation sind eine sichere und wirksame Therapieoption.
O Moderne intranasale Glukokortikoide wie Mometasonfuroat und Fluticasonpropionat beeinträchtigen nicht das Wachstum und können bei Kindern ab sechs Jahren eingesetzt werden.
O Die Immuntherapie ist die einzige Behandlung, welche den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann. Sie geht mit einem verminderten Risiko für Asthma bronchiale einher.
pilze die Ursache. Es können zwei Formen der allergischen Rhinitis unterschieden werden. Während die intermittierende Rhinitis auf höchstens vier Tage wöchentlich über vier Wochen begrenzt ist, erstreckt sich die persistierende Form über einen längeren Zeitraum.
Gründliche Diagnostik erforderlich Wichtig für die Diagnose sind eine ausführliche Anamnese und eine gründliche klinische Untersuchung. Die vordere Rhinoskopie zeigt eine geschwollene und grau verfärbte Nasenschleimhaut, eventuell einhergehend mit einer Hypertrophie der Nasenmuscheln, Polypen oder Eiterbildung. Falls die Symptome sich trotz Behandlung nicht ausreichend zurückbilden, ist eine hintere Rhinoskopie erforderlich, bei welcher die posterioren Abschnitte der Nasenhaupthöhle über die Choanen betrachtet werden. Auch sind allergologische Tests notwendig. Der am häufigsten durchgeführte Hauttest ist der Prick-Test. Standardisierte Lösungen mit Allergenen werden auf die Haut getropft und dann mit einem Nadelstich oberflächlich in die Haut eingebracht. Eine Sensibilisierung zeigt sich bereits nach wenigen Minuten als Rötung und Quaddel. Zum Nachweis eines bestimmten Allergens kann radiologisch markiertes Anti-IgE genutzt werden.
Therapie mit klaren Zielen Nach Möglichkeit sollte ein Kontakt mit dem auslösenden Allergen vermieden werden. Eine randomisierte und kontrollierte Studie ergab, dass die Symptomatik durch präventive Massnahmen erheblich verbessert werden konnte. Allergische Reaktionen gegen Katzenhaare gingen zurück, wenn die Katze regelmässig gewaschen und die Böden gesäubert wurden. Eine völlige Allergenkarenz ist jedoch zumeist nicht möglich, und nicht immer sind präventive Massnahmen erfolgreich. So ergab eine multizentrische, randomisierte und kontrollierte Studie an 696 Kindern, welche unter einer Allergie gegen Hausstaubmilben litten, dass präventive Massnahmen wie undurchlässige Matratzenbezugsstoffe oder Patientenschulungen keinen Nutzen erbrachten. Nasenspülungen mit salzhaltigen Lösungen sind eine kostengünstige Behandlungsmethode der allergischen Rhinitis. Eine randomisierte und kontrollierte Studie an 20 Kindern mit allergischer Rhinitis zeigte eine deutliche Verbesserung der Beschwerden bei Einsatz einer hypertonen Salzlösung. Eine regelmässige Spülung der Nase verbessert die mukoziliare Funktion, reduziert das Schleimhautödem und führt zu einer Verringerung der inflammatorisch wirksamen Mediatorstoffe wie des Histamins.
ARS MEDICI 18 I 2014
915
FORTBILDUNG
Oftmals unumgänglich: Medikamente Zur Behandlung einer allergischen Rhinitis bei Kindern setzt man orale oder intranasale Antihistaminika, intranasale Kortikosteroide und Leukotrienrezeptorantagonisten ein.
H1-Antihistaminika Vor allem die älteren Substanzen der H1-Antihistaminika wie Dimetinden und Clemastin zeigen erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen, insbesondere im Zentralnervensystem, wie eine Sedierung, und sollten Kindern nicht gegeben werden. In den letzten Jahren wurden Wirkstoffe entwickelt, die keine oder nur eine geringfügige sedierende Wirkung aufweisen, da sie die Blut-Hirn-Schranke nur schlecht überwinden können. Zu den Antihistaminika der zweiten Generation zählen Cetirizin, Azelastin, Desloratadin, Levocetirizin und Loratadin. Cetirizin und Loratadin werden für Kinder ab zwei Jahren empfohlen, wohingegen Levocetirizin erst ab einem Alter von sechs Jahren verabreicht werden sollte. Für eine mässig schwere persistierende allergische Rhinitis oder eine milde persistierende allergische Rhinitis wird empfohlen, die Therapie mit H1-Antihistaminika über einen Zeitraum von einem Monat durchzuführen und dann zu überprüfen. Eine Studie ergab, dass intranasale und orale Applikationsform gleichermassen effektiv sind. Die Wirkung tritt jedoch bei intranasaler Gabe schneller ein. Im Allgemeinen ist eine zu Behandlungsbeginn auftretende sedierende Wirkung nach einer Woche überwunden.
Allergen in Tropfen- oder Tablettenform unter die Zunge ein-
gebracht. Wird das Präparat gut vertragen, kann es einmal
täglich über einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren eingenom-
men werden. Wie bei der Subkutantherapie wird die Dosis
gesteigert, bis eine Erhaltungsdosis erreicht ist. Es zeigte sich,
dass eine über einen Zeitraum von 18 Monaten durchge-
führte Sublingualtherapie bei Kindern wirksamer war als
eine subkutane Behandlung. Nebenwirkungen reichen von
lokalisiertem Juckreiz, Rhinitis, leichtem Asthma bis hin zu
schweren anaphylaktischen Reaktionen. Schwere Nebenwir-
kungen sind jedoch selten. In der Regel ist das Risiko für die
Entwicklung eines Asthma bronchiale vermindert.
Die Leitlinien der British Society for Allergy and Clinical
Immunology heben hervor, dass die Immuntherapie bei
Patienten durchgeführt werden sollte, bei denen trotz medi-
kamentöser Behandlung die Symptome nur unzureichend
kontrolliert werden können.
O
Claudia Borchard-Tuch
Quelle: Barr JG et al.: Allergic rhinitis in children. BMJ 2014; 349: g4923.
Interessenlage: Einer der BMJ-Autoren gibt Verbindungen als Studienleiter oder Referent für mehrere auf dem Gebiet der Allergologie und/oder Pädiatrie tätige Firmen an.
Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten Neben Histamin sind überwiegend die Cysteinyl-Leukotriene C4 und D4 an den Symptomen der allergischen Reaktion beteiligt. Somit ist eine spezifische Inhibition der Leukotriensynthese bzw. -wirkungen sinnvoll. Der Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptor-Antagonist Montelukast wird zur Behandlung von Kindern ab einem Alter von sechs Jahren empfohlen.
Intranasale Kortikosteroide Wirksamer als Cysteinyl-Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten sind intranasale Kortikosteroide. Sie führen rasch zu einer Abschwellung der Nasenschleimhaut. Moderne intranasale Glukokortikoide wie Mometasonfuroat und Fluticasonpropionat beeinträchtigen nicht das Wachstum und können bei Kindern ab sechs Jahren eingesetzt werden. Die Behandlung mit intranasalen Kortikoiden sollte so lange durchgeführt werden, wie die Symptome der allergischen Rhinitis bestehen.
Immuntherapie Die Immuntherapie – auch Desensibilisierung genannt – setzt an der gestörten Toleranz des Immunsystems gegenüber einem Allergen an. Das Immunsystem wird mit einer langsam steigenden Dosis spezifischer standardisierter und charakterisierter Allergene an den Allergieauslöser gewöhnt. Der Wirkungsmechanismus ist noch unbekannt. Die Immuntherapie kann subkutan oder sublingual erfolgen. Bei der subkutanen Behandlung wird ein Allergenextrakt zunächst einmal wöchentlich subkutan injiziert. Die Dosis wird gesteigert, bis eine Erhaltungsdosis erreicht ist. Sodann sind monatliche Injektionen über einen Zeitraum von 2 bis 3 Jahren erforderlich. Bei der Sublingualtherapie wird das
916
ARS MEDICI 18 I 2014