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KONGRESSBERICHT
AAD 2022
Atopische Dermatitis
Das therapeutische Spektrum erweitert sich
Trotz der sehr erfolgreichen IL-4/IL-13-Blockade besteht ein dringender Bedarf an effektiven Behandlungen für mittelschwere bis schwere Formen der atopischen Dermatitis (AD). Nach Ansicht der Experten beim Jahreskongress der American Academy of Dermatology (AAD) kann dieser unter anderem durch JAK-Hemmer gedeckt werden. Darüber hinaus befinden sich faszinierende neue Biologika in der Entwicklung.
«Wir brauchen für die AD eine weitere Option», sagte Prof. Eric Simpson aus Portland (Oregon/USA) in seinem Vortrag über Januskinase-Inhibitoren (JAKI) zur Behandlung bei AD (1). Obwohl der IL-4/IL-13Blocker Dupilumab bei AD hochwirksam ist, sprechen nicht alle Patienten ausreichend auf die Behandlung an. Darüber hinaus gibt es Patienten, die eine Therapie mit Dupilumab aufgrund von Nebenwirkungen, vor allem Bindehautentzündung, aber auch Gesichtsrötung, psoriasiformer Dermatitis und entzündlicher Arthritis, nicht vertragen. Das verdeutlicht nach Ansicht von Simpson, dass ein medizinischer Bedarf an einer weiteren Therapieoption besteht, die sicher und wirksam ist. Diese Option sind die JAK-Hemmer. «Aufgrund des Potentials der JAK-Inhibitoren, viele verschiedene Zytokine zu hemmen, können wir die Wirksamkeit noch ein wenig steigern», sagte Simpson. Bei der Indikation AD hätten sich speziell selektive JAK1-Inhibitoren bewährt.
Vorteile: Orale Applikation und flexible Dosierung
Die Vorteile der systemischen JAK-Inhibitoren liegen in der oralen und flexiblen Dosierung und in der überlegenen Wirksamkeit der hohen Dosen von Upadacitinib und Abrocitinib. Wie Simpson betonte, seien diese Wirkstoffe deshalb besonders für Patienten geeignet, die ein schnelles Ansprechen benötigten. Upadacitinib ist, danach folgt Abrocitinib, in der hohen Dosis bezüglich der Abheilung der Hautläsionen bei AD am wirksamsten: Zum Beispiel erreichten in der Studie MEASURE-UP 1 bereits in Woche 16 62 Prozent der Patienten, die mit einer hohen Dosis (30 mg) von Upadacitinib behandelt wurden, und 48 Prozent mit der niedrigeren Dosis eine vollständig oder fast vollständig abgeheilte Haut nach Einschätzung des Prüfarztes (erhoben mit dem IGA, validated investigator’s global assessment). In der Studie MONO-1 erzielten 44 Prozent der Patienten, die die hohe Abrocitinib-Dosis erhielten, diesen Endpunkt in Woche 12, verglichen mit 24 Prozent der Patienten mit der niedrigeren Dosis.
Besonders hohes EASI90- und EASI100Ansprechen
Mit den JAK-Hemmern werden Therapieziele schnell erreicht, zudem sind sie bei den besonders stringenten Endpunkten, wie einer Verbesserung des EASI (eczema area and severity index) um 90 Prozent und gar um 100 Prozent, einem Biologikum überlegen: Das zeigte zum Beispiel die Head-to-Head-Studie Heads-up, in der Upadacitinib mit Dupilumab verglichen wurde: Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, die in Woche 16 eine Verbesserung des EASI um 75 Prozent gegenüber dem Ausgangswert erreichten. In Woche 16 erreichten 71 Prozent der mit Upadacitinib und 61,1 Prozent der mit Dupilumab behandelten Patienten diesen Endpunkt (p = 0,006). «Wenn man sich das EASI75-Ansprechen ansieht, wird Dupilumab diesen Unterschied später aufholen. Aber bei besonders hohen Ansprechraten wie EASI90 und EASI100 sind die JAK-Hemmer hilfreich», sagte Simpson. Ausserdem erzielen die JAK-Hemmer die schnellste Juckreizlinderung. Obwohl Abrocitinib und Upadacitinib selektive JAK1-Inhibitoren sind, unterscheiden sie sich in Bezug auf Dosierung, Nebenwirkungen und Laborkontrollen (Tabelle). Insofern kann das ein Kriterium für die Therapiewahl sein. So ist zum Beispiel lediglich Upadacitinib auch für Jugendliche zugelassen. Patienten, die ein Akneproblem haben, sollten eher mit Abrocitinib behandelt werden.
Vielversprechende Innovationen bei den Biologika
Dass auch bei den Biologika interessante Innovationen zu erwarten sind, zeigten 2 Studien, die im Rahmen des AAD-Kongresses vorgestellt wurden: die randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Phase-III-Studien ADvocate1 und ADvocate2, in denen der IL-13-Blocker Lebrikizumab als Monotherapie bei 851 Erwachsenen und Jugendlichen mit mittelschwerer bis schwerer AD untersucht wurde (2). «Es handelt sich um eine laufende 52-Wochen-Studie, aber zum jetzigen Zeitpunkt sprechen wir über
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KONGRESSBERICHT
AAD 2022
Tabelle:
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Abrocitinib und Upadacitinib (1)
Abrocitinib Upadacitinib
Zielstruktur Alter
JAK1
≥ 18 Jahre
JAK2
≥ 12 Jahre
Dosis 50 mg, 100 mg, 200 mg 15 mg, 30 mg
Labor Blutbild und Lipide nach 4 Wochen Lipide nach 12 Wochen
Bemerkungen Mehr Übelkeit, selten Thrombozytenabnahme, keine Plättchenhemmer in den ersten 3 Monaten Mehr Akne
den 16-Wochen-Endpunkt», erklärte Prof. Jonathan Silverberg aus Washington D.C. (USA). Als primäre Studienendpunkte wurden ein IGA von 0 oder 1 mit einer Verbesserung um mindestens 2 Punkte vom Ausgangswert und ein EASI75-Ansprechen definiert. Im Vergleich zu Plazebo war die aktive Behandlung mit 250 mg Lebrikizumab alle 2 Wochen in beiden Studien überlegen. Zu Woche 16 erreichten 43 Prozent (ADvocate1) der Patienten unter dem Verum den IGA 0/1, das im Gegensatz zu 12,8 Prozent unter Plazebo (p < 0,001). In der ADvocate2-Studie waren es 33,1 Prozent gegenüber 10,9 Prozent (p < 0,001). Die entsprechenden Raten für ein EASI75-Ansprechen waren: 59,3 Prozent versus 16,4 Prozent (p < 0,001) und 50,8 Prozent versus 18,2 Prozent (p < 0,001). Signifikante Unterschiede zwischen Lebrikizumab und Plazebo bestanden bereits ab Woche 4. Einen EASI90 erreichten in den beiden Studien 38,2 Prozent und 30,2 Prozent. Diese Raten lagen signifikant über denjenigen von Plazebo (p < 0,001). Darüber hinaus trat in der numerischen Bewertungsskala eine Verbesserung ≥ 4 Punkte des Pruritus bei 38,7 Prozent bzw. 26,5 Prozent der mit Lebrikizumab behandelten Patienten ein, während das bei 5,1 Prozent bzw. 7,8 Prozent der Patienten in der Plazebogruppe der Fall war. Auch andere Parameter verbesserten sich: Der «dermatology life quality index» (≥ 4 Punkte) lag bei 74,5 Prozent und 64,4 Prozent, Schlafstörungen bei 38,7 Prozent und 26,5 Prozent. «Das sind klinisch relevante Ergebnisse», betonte Silverberg. Die Behandlung wurde relativ gut vertragen. Allerdings kam es bei 7,4 Prozent bzw. 7,8 Prozent unter Lebrikizumab und bei 2,8 Prozent bzw. 2,1 unter Plazebo zu einer Konjunktivitis. Weniger Konjunktivitis durch anderes Wirkprinzip Eblasakimab inhibiert zwar ebenfalls IL-13, doch dieser Antikörper richtet sich selektiv gegen den IL-13-Rezeptor (R) α1 und blockiert sowohl die IL-4als auch die IL-13-Signalübertragung über den Typ-2-Rezeptor. «Dupilumab blockiert das gesamte IL-4, aber dieses Medikament blockiert nur einen Teil von IL-4, aber das gesamte IL-13», erklärte Prof. Antony Blauvelt aus Portland (Oregon/USA) den Unterschied (3). Die Hoffnung ist, dass die nur partielle IL4-Blockade eine bessere Verträglichkeit, besonders weniger Konjunktivitiden, nach sich zieht. Das scheint gemäss einer ersten Pilotstudie tatsächlich der Fall zu sein: 24 Erwachsene mit mittelschwerer oder schwe- rer AD erhielten randomisiert entweder Plazebo oder 1 von 3 wöchentlichen Dosen von Eblasakimab (200– 600 mg). Anschliessend wurden weitere 27 Patienten im Verhältnis 2:1 zur höchsten Eblasakimab-Dosis oder zu Plazebo randomisiert. Der primäre Endpunkt war die mittlere prozentuale Verbesserung des EASI-Scores in Woche 8. Zu diesem Zeitpunkt war der EASI-Score in der höchsten Eblasakimab-Dosis (600 mg) um 61 Pro- zent, in der 400-mg-Dosis um 60 Prozent und in der 200-mg-Dosis um 50 Prozent gesunken, verglichen mit 32 Prozent unter Plazebo (p = 0,023). Ein Behand- lungseffekt wurde bereits innerhalb der ersten Wo- che festgestellt. 50 Prozent der Patienten, die mit der 600-mg-Dosis Eblasakimab behandelt wurden, und 57 Prozent der Patienten mit der 400-mg-Dosis erreichten bis Wo- che 8 sogar ein EASI70-Ansprechen (p = 0,018 ge- genüber Plazebo). Das Biologikum hatte auch eine deutliche juckreizlindernde Wirkung. Die Häufigkeit mittelschwerer bis schwerer uner- wünschter Ereignisse war bei der 600-mg-Dosis des Antikörpers und bei Plazebo vergleichbar, uner- wünschte Ereignisse, die zum Abbruch der Behand- lung führten, traten sogar häufiger unter Plazebo auf. Erfreulicherweise wurde nur bei insgesamt 3 mit Eblasakimab behandelten Patienten eine Bindehaut- entzündung beobachtet, eine davon in der 600-mg- Gruppe. «Es handelt sich um eine kleine Zahl von Patienten und nur 8 Wochen Therapie, aber das Kon- junktivitissignal scheint geringer zu sein», sagte Blau- velt. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse wird nun eine Phase-IIB-Studie mit einer grösseren Patientenzahl durchgeführt. s Susanne Kammerer Quelle: Jahrestreffen der American Academy of Dermatology (AAD), 25. bis 29. März 2022, in Boston. Referenzen: 1. Simpson EL.: JAK-inhibitors for atopic dermatitis. AAD 2022, S032. 2. Silverberg JL.: Efficacy and safety of lebrikizumab in moderate-to-severe atopic der- matitis: results from two Phase 3, randomized, double-blinded, placebo-controlled trials. AAD 2022, S026. 3. Blauvelt A.: Eblasakimab, a human anti-IL-13 receptor monoclonal antibody, in adult patients with moderate-to-severe atopic dermatitis: a randomized, doubleblinded, placebo-controlled, proof-of-concept study. AAD 2022, S026. SZD 3/2022 13