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EDITORIAL
Lebensgefährlicher GenderEffekt in der Chirurgie
Wussten Sie, dass das Operationsergebnis auch vom Geschlecht des Operateurs abhängt? Eine im «JAMA» veröffentlichte kanadische Studie (1) zeigte, dass Frauen, die von männlichen Chirurgen operiert werden, ein um 15 Prozent höheres Risiko für Komplikationen haben im Vergleich zu Frauen, die von Chirurginnen operiert werden. Für diese Untersuchung wurden die Behandlungsdaten von 1,3 Millionen erwachsenen Patienten in Toronto, die sich elektiv oder dringlich einem von 21 häufigen chirurgischen, orthopädischen, viszeralchirurgischen oder plastisch chirurgischen Eingriff unterzogen hatten, analysiert. Dabei interessierten negative postoperative Ergebnisse wie Mortalität, Rehospitalisierung oder Komplikationen innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff sowie das Geschlecht von Operateur und Patient. Etwa die Hälfte der Patienten hatte das gleiche Geschlecht wie der Operateur. Von allen Operierten er-
litten rund 15 Prozent mindestens 1 postoperative Komplikation. Dabei zeigte sich, dass ein Geschlechterunterschied zwischen Operateur und Patient die Wahrscheinlichkeit für eine Komplikation signifikant erhöhte, vor allem wenn Männer Frauen operierten. Im Vergleich dazu zeigte sich kein Risikoanstieg, wenn Chirurginnen Frauen oder Männer operierten oder Chirurgen Männer. Für eine Risikominderung gäbe es vorderhand zwei Lösungen: Damit mehr Frauen von Frauen operiert werden können, braucht es mehr Frauen in diesem Fach. Oder: Meine Herren, nicht so forsch!
Die Genderdiskussion treibt mancherorts groteske Stilblüten. Sie wird an verschiedenen Stellen auch zunehmend giftiger. Ob das der Sache hilft? Sprachanpassungen mögen vielleicht ein Zeichen setzen, doch wirklich verändert ist damit noch nichts. In manchen Bereichen braucht es auch keine Gleichmacherei, sondern die Anerkennung der Tatsache, dass beide Geschlechter unterschiedlich ticken und die gleichen Dinge aus anderer Perspektive sehen und auch anders anpacken. Deshalb ist eine gleich starke Förderung beider Geschlechter nötig, damit es mehr Auswahl gibt, wie beispielsweise in der Frage, von wem man operiert werden möchte. Gemäss Ärztestatistik der FMH arbeiteten 2021 in der Schweiz je nach chirurgischem Fach zwischen 8 und 13 Prozent Frauen (2). Es gibt also noch viel zu tun. s
Valérie Herzog
Quellen: 1. Wallis CJD et al.: Association of surgeon-patient sex concordance with
postoperative outcomes. JAMA Surg. 2022;157(2):146-156. 2. https://www.fmh.ch/files/pdf26/poster-zur-fmh-aerztestatistik-2021.
pdf. Letzter Abruf: 11.4.22
ARS MEDICI 9 | 2022
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