Transkript
ASH 2021
63rd ASH Annual Meeting and Exposition, 11.–14. Dezember 2021, Atlanta, virtuell
Chronische lymphatische Leukämie
Zielgerichtete Therapien durch aktualisierte Ergebnisse untermauert
Zielgerichtete Therapien haben sich in der Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) zum Standard etabliert. Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) im Dezember 2021 konnten vielversprechende Ergebnisse für die BTK- und BCL2-gerichtete Therapie bei therapienaiven sowie die BCR-ABL1-gerichtete Therapie für spätere Therapielinien untermauert werden.
Ibrutinib plus VenetoclaxTherapie mit MRD-Daten bestätigt
In der Phase-III-Studie GLOW erhielten 211 Patienten mit unbehandelter chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) 12 Zyklen Ibrutinib plus Venetoclax oder im Kontrollarm 6 Zyklen Chlorambucil plus Obinutuzumab. Die Patienten waren ≥ 65 Jahre alt oder < 65 Jahre mit einem CIRS > 6 oder einer Kreatininclearance (CrCL) < 70 ml/Min. Beim ASH wurden aktualisierte Ergebnisse mit den MRD(minimale Resterkrankung)-Daten präsentiert (1). Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34,1 Monaten wurde die signifikante Überlegenheit des experimentellen Regimes für den primären Studienendpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS), bestätigt (Hazard Ratio [HR]: 0,212; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,129–0,349; p < 0,0001). Die 30-Monats-PFS-Rate betrug 80,5 versus 35,8%. Der Unterschied im Gesamtüberleben (OS) erreichte mit 11 Todesfällen im Ibrutinib plus VenetoclaxArm versus 16 Todesfällen im Chlorambucil plus Obinutuzumab-Arm die statistische Signifikanz nicht (HR: 0,76; 95%-KI: 0,35–1,64). 3 Monate nach Beendigung der fixen Therapiedauer war der Anteil Patienten mit nicht detektierbarer minimaler Resterkrankung (uMRD, <10-4) sowohl laut Knochenmarks- (51,9 vs. 17,1%) als auch Blutprobe (54,7 vs. 39,5%) signifikant höher mit Ibrutinib plus Venetoclax. Dies bestätigte sich auch für eine Sensitivität der MRD-Testung von <10-5 (40,6 vs. 7,4% bzw. 43,4 vs. 18,1%). Der Vorteil bezüglich der uMRD-Rate im experimentellen Arm zeigte sich für alle untersuchten Subgruppen. Bei 84,5% der Patienten im Ibrutinib plus Venetoclax-Arm wurde eine uMRD (<10-4)
3 und 12 Monate nach Therapieende nachgewiesen, eine anhaltende uMRD <10-5 bei 80,4% der Patienten. Im Chlorambucil plus Obinutuzumab-Arm waren dies nur 29,3 bzw. 26,3% der Patienten. Bei 85% der Patienten mit kompletter (CR) oder partieller Remission (PR) unter Ibrutinib plus Venetoclax blieb das PFS nach 30 Monaten erhalten, wohingegen die meisten Patienten mit partieller Remission im Chlorambucil plus Obinutuzumab-Arm progredient waren. Auch das uMRD war bei Patienten im Ibrutinib plus Venetoclax-Arm mit einem verlängerten PFS über 30 Monate assoziiert. Die PFSRate 12 Monate nach Beendigung der Ibrutinib plus Venetoclax-Therapie betrug > 90%, unabhängig vom MRD-Status.
Venetoclax-Kombinationen in der GAIA/CLL13-Studie
Kombinationstherapien mit Venetoclax wurden für jüngere, fitte Patienten mit unbehandelter CLL in der GAIA/CLL13-Studie untersucht (2). Insgesamt wurden 926 Patienten in 4 Studienarme, stratifiziert nach Alter, Tumorstadium und Region, randomisiert. An Behandlungsoptionen wurde eine Standardtherapie (FCR oder BR), Rituximab plus Venetoclax (RVe), Obinutuzumab plus Venetoclax (GVe) oder Obinutuzumab plus Ibrutinib plus Venetoclax (GIVe) gegeben. Die eingeschlossenen Patienten waren median 61 Jahre alt, wiesen im Median einen CIRS 2 auf und eine mediane CrCl von 85,7 ml/ Min. Bei 56,0% der Patienten wurde ein unmutiertes IGHV festgestellt. An weiteren zytogenetischen Risikofaktoren wurden eine 11q-Deletion bei 17,5%, eine Trisomie 12 bei 16,2% und eine 13q-Deletion bei 44,6% der Patienten identifiziert.
Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 27,9 Monaten hatten in den 4 Studienarmen zwischen 81,5 und 93,6% der Patienten die Therapie komplettiert. Eine uMRD (<10-4) in Blutproben erreichten im 15. Monat 52,0% der Patienten im Kontrollarm, 57,0% im RVeArm, 86,5% im GVe-Arm sowie 92,2% der Patienten im GIVe-Arm. Die Unterschiede zwischen den Studienarmen GVe bzw. GIVe gegenüber dem Kontrollarm erreichten eine statistische Signifikanz. Die uMRD-Raten laut Knochenmark-Proben betrugen 37,1, 43,0, 72,5 und 77,9%. Trotz häufiger schwerer Nebenwirkungen brachen nur < 15% der Patienten eine der experimentellen Therapien ab. Zum Teil wurden schwere BTK-assoziierte Nebenwirkungen beobachtet, aber keine nicht erwarteten Differenzen bezüglich der Nebenwirkungen in den einzelnen Studienarmen. Fatale Toxizitäten traten bei 2,3 bis 3,9% der Patienten aller Studienarme auf. Zanubrutinib bei älteren Patienten sicher und effektiv Mit Ibrutinib, einem BTK-Inhibitor der ersten Generation liegen viele und gute Erfahrungen vor, allerdings wurden auch kardiale Nebenwirkungen beobachtet. Zanubrutinib wurde als hoch selektiver BTK-Inhibitor der zweiten Generation konzipiert, um die BTK-Bindung zu maximieren und dadurch die Off-Target-Effekte zu minimieren. In der 3-Kohorten-Studie SEQUOIA erhielten 479 nicht vorbehandelte CLL/SLL-Patienten ohne 17p-Deletion (Kohorte 1) randomisiert Zanubrutinib oder Bendamustin plus Rituximab (BR). Patienten mit 17p-Deletion wurden in den Kohorten 2 und 3 mit Zanubrutinib bzw. Zanubrutinib plus Venetoclax behandelt. Beim ASH wurden Ergebnisse für Kohorte 1 präsentiert (3). Die Patienten waren median 70 Jahre alt mit einem Anteil von 81% ≥ 65-jähriger Patienten. 52–53% der Patienten hatten 14 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022 ASH 2021 63rd ASH Annual Meeting and Exposition, 11.–14. Dezember 2021, Atlanta, virtuell einen unmutierten IGHV-Status, bei 18– 19% der Patienten wurde eine 11q-Deletion und bei 6% eine TP53-Mutation nachgewiesen. Im Ergebnis zeigte sich Zanubrutinib bezüglich des PFS (primärer Endpunkt) dem BR-Regime überlegen (HR: 0,42; 95%-KI: 0,27–0,63; p < 0,0001). Nach 24 Monaten betrug die PFS-Rate 85,5 versus 69,5%. Ein PFS-Vorteil zeigte sich für alle untersuchten Subgruppen. Insbesondere Patienten mit nicht mutiertem IGHV profitierten von der Zanubrutinib-Therapie (HR: 0,24; 95%-KI: 0,13–0,43; p < 0,001). Bezüglich des OS war, bei bisher wenigen Ereignissen, kein Unterschied zwischen den beiden Studienarmen erkennbar. Nebenwirkungen Grad ≥ 3 traten bei 52,5% der Patienten unter Zanubrutinib und 79,7% unter BR auf, klinisch relevante Nebenwirkungen wurden bei 36,7 versus 49,8% der Patienten beobachtet. Fatale Nebenwirkungen wurden von jeweils 11 Patienten (4,6 vs. 4,8%) berichtet. 8,3% der Patienten im Zanubrutinib-Arm versus 13,7% der Patienten im BR-Arm brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Laut ersten Ergebnissen zur Kohorte 2 wurde mit Zanubrutinib bei Patienten mit 17p-Deletion eine 24-Monats-PFS-Rate von 88,9% erreicht. Langzeitergebnisse in erster Therapielinie mit Ibrutinib Dass mit Ibrutinib nicht nur eine gute, sondern auch langanhaltende Wirksamkeit erreicht werden kann, zeigen aktuelle Daten der dreiarmigen Alliance A041202-Studie (4). In der randomisierten Phase-III-Studie erhielten ältere Patienten (≥ 65 Jahre) mit unbehandelter symptomatischer CLL Ibrutinib, Ibrutinib plus Rituximab (IR) oder BR. Insgesamt wurden 547 Patienten in einem medianen Alter von 71 Jahren in die Studie eingeschlossen. 61% der Patienten waren IGHV-unmutiert, 10% hatten eine TP53Mutation, 6% eine 17p-Deletion und 20% eine 11q-Deletion. Bei 27% der Patienten wurde ein komplexer Karyotyp mit ≥ 3 Anomalien festgestellt. Bereits in den ersten zwei Zwischenanalysen wurde ein signifikant längeres PFS für Patienten in den beiden Ibrutinib-Armen versus dem BR-Regime gezeigt. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 55 Monaten wurde für Ibrutinib in der nun dritten geplanten Interimsanalyse weiterhin ein PFS-Vorteil gegenüber BR bestätigt, über alle untersuchten Subgruppen hinweg. Zum Zeitpunkt der präsentierten Auswertung waren 94 Patienten im IbrutinibArm und 91 im IR-Arm weiterhin unter Therapie. 53 Patienten des BR-Arms standen innerhalb der Studie noch unter Beobachtung und 37 wechselten in den Ibrutinib-Arm. Das Risiko für einen Progress oder Tod war unter Ibrutinib-Monotherapie im Vergleich zu BR um 64% (HR: 0,36; 95%-KI: 0,26–0,52; p < 0,0001) und im Vergleich von IR zu BR ebenfalls um 64% reduziert (HR: 0,36; 95%-KI: 0,25–0,51; p < 0,0001). Im Median betrug die 48-Monats-PFS-Rate 76% in den Ibrutinib-Armen versus 47% im BR-Arm. Für alle untersuchten Subgruppen wurde ein PFS-Vorteil durch Ibrutinib bestätigt. Insbesondere Patienten mit zytogenetischen Risikoprofilen profitierten davon. Bei Patienten mit unmutiertem IGHV war das Risiko für einen Progress unter Ibrutinib-Monotherapie um 71% versus BR verringert (HR: 0,29; 95%-KI: 0,17–0,50). Eine multivariate Analyse identifizierte unter anderem die Behandlung (p < 0,0001), das Alter der Patienten (p = 0,004) und Beta-2-Microbglobulin (≥ 5 vs. < 5; p < 0,001) als prognostische Parameter. Die schlechte Prognose bestimmter zytogenetischer Alterationen, wie z. B. die TP53-Mutation, konnte durch die Therapie mit Ibrutinib aufgehoben werden. Patienten mit TP53-Mutation unter BR behielten hingegen eine deutlich schlechtere Prognose als Patienten ohne diese Alteration. Das Gesamtüberleben war in allen drei Studienarmen vergleichbar mit 48-Monats-OS-Raten von 84–86%. Wie durch die längere Expositionszeit zu erwarten war, kumulierten unter Ibrutinib häufiger Nebenwirkungen als im BR-Arm. Von Interesse war der Zuwachs an Vorhofflimmern und Bluthochdruck im Studienverlauf. Der höchste Anstieg wurde in den ersten 6 Monaten verzeichnet, danach wurden wenige, aber konsistent Fälle neu auftretender oder sich verschlechternder Nebenwirkungen, welche von Interesse waren, beobachtet. Anhaltende Wirksamkeit und akzeptable Verträglichkeit mit Acalabrutinib BTK-Inhibitoren sind auch in der Behand- lung von Patienten mit refraktärer und rezidivierter CLL (r/r CLL) effektiv und gut etabliert. Acalabrutinib, ebenfalls ein BTK-Inhibitor der zweiten Generation, wurde in der ASCEND-Studie als Mono- therapie versus Idelalisib plus Rituximab (IdR) oder BR, nach Wahl des Prüfarztes, untersucht. Insgesamt wurden 310 Pati- enten mit einem medianen Alter von 67 Jahren in die Studie eingeschlossen. Na- hezu die Hälfte der Patienten hatte be- reits > 1 Therapielinie erhalten. Bei 78%
der Patienten lag ein unmutierter IGHV
vor, 16% der Patienten wiesen eine 17p-
Deletion, 27% eine 11q-Deletion und 31%
einen komplexen Karyotyp auf. In der
ersten Zwischenanalyse nach einer me-
dianen Nachbeobachtungszeit von 16,1
Monaten zeigte sich Acalabrutinib als
überlegene Therapie bezüglich des PFS
und des Sicherheitsprofils. Beim ASH
wurden die 3-Jahres-Daten der randomi-
sierten Phase-III-Studie veröffentlicht (5).
Mit einer medianen Nachbeobachtungs-
zeit von 36,0 Monaten für den Acalabru-
tinib-Arm und 35,2 Monaten für die Kon-
trollregime bestätigte sich der signifikante
PFS-Vorteil für Acalabrutinib (HR: 0,29;
95%-KI: 0,21–0,41; p < 0,0001). Nach 36 Monaten lebten 63% der Patienten im experimentellen versus 21% im Kontroll- arm ohne Progress. Der Median war für Acalabrutinib noch nicht erreicht und be- trug 16,8 Monate für die Kombinations- therapien. Es wurde kein Unterschied hinsichtlich des Therapieerfolgs für Pati- enten mit oder ohne del(17p) oder positi- vem oder negativem IGHV-Status gese- hen. Alle Subgruppen profitierten zudem signifikant besser von Acalabrutinib als von IdR oder BR. Der OS-Unterschied er- reichte die statistische Signifikanz nicht (HR: 0,69; 95%-KI: 0,43–1,10; p = 0,1184), allerdings waren nach Progress 49% der Patienten aus dem Kontrollarm in den Acalabrutinib-Arm gewechselt. Das An- sprechen auf die Therapieoptionen war mit 83 versus 85% vergleichbar. n Ine Schmale SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022 15 ASH 2021 63rd ASH Annual Meeting and Exposition, 11.–14. Dezember 2021, Atlanta, virtuell Referenzen: 1. Munir T et al.: First prospective data on minimal resi- dual disease (MRD) outcomes after fixed-duration ibrutinib plus venetoclax versus chlorambucil plus Obinutuzumab for first-line treatment of CLL in elderly or unfit patients: The GLOW study. ASH 2021, Abstr. #70. 2. Eichhorst B et al.: A randomized phase III study of veneoclax-based time-limited combination treatments (RVe, GVe, GIVe) vs. standard chemoimmunotherapy (FCR, BR) in frontline chronic lymphocytic leukemia of fit patients: First co-primary endpoint analysis of the International Intergroup GAIA (CLL13) trial. ASH 2021, Abstr. #71. 3. Tam CS et al.: SEQUOIA: Results of a phase 3 randomized study of zanubrutinib versus bendaustine + rituximab in patients with treatment-naive chronic lymphocytic leukemia/small lymphocytic lymphoma. ASH 2021, Abstr. #396. 4. Woyach JA et al.: Long-term results of Alliance A041202 show continued advantage of ibrutinib-based regimens compared with bendamustin plus rituximab (BR) chemoimmunotherapy. ASH 2021, Abstr. #639. 5. Jurczak W et al.: Acalabrutinib vs rituximab plus idelalisib or bendamustine in relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia: A three-year follow-up of the ASCEND trial. ASH 2021, Abstr. #393. 16 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2022