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Rheuma-Management: Diese Kardinalfehler gilt es zu vermeiden
BERICHT
Welche Rolle spielt der behandelnde Arzt im Krankheitsverlauf rheumatischer Erkrankungen? Inwieweit ist die Arzt-Patient-Beziehung für den Therapieverlauf wichtig? Und schliesslich: Was machen Rheumatologen falsch? Dies wollten Professor Frank Buttgereit von der Charité Berlin und Kollegen am Deutschen Rheumatologenkongress eruieren.
ANKA STEGMEIER-PETROIANU
Das Thema «patientenzentrierte Kommunikation» ist natürlich nicht nur in der Rheumatologie aktuell. Bei jeder chronischen Erkrankung gelingt die Kommunikation mit dem Patienten besser, wenn man ihm zuhört und auf seine Emotionen eingeht, ohne zu stark auf die Krankheit zu fokussieren. Es gilt, Suggestivfragen zu vermeiden, um etwaige Nozeboeffekte zu minimieren, dabei aber mögliche Nebenwirkungen der Therapie trotzdem zur Sprache zu bringen. Unzählige Behandlungsfallen lauern im Umgang mit Glukokortikoiden. In der Therapie vieler rheumatischer Erkrankungen führen Kortikosteroide nicht nur zu einer schnellen Symptomlinderung, sondern auch zur Abnahme der Entzündungsaktivität. Diesen positiven Effekten jedoch steht die Angst vor Nebenwirkungen gegenüber. Eine Über- oder Untertherapie ist oft die Folge.
Über- oder Untertherapie: Datenlage unzureichend Gemäss EULAR-Empfehlungen sei es wichtig, Kortikosteroide in der geringsten notwendigen Dosis zu geben. Darin
bestünde die ärztliche Kunst. Kortikosteroide würden immer noch zu lange und zu hoch dosiert eingesetzt; Strategien zur Glukokortikoideinsparung würden zu wenig beachtet, so Prof. Buttgereit. Laut den aktuellen EULARLeitlinien sollen in der Rheumatologie Glukokortikoide als «bridging therapy» eingesetzt werden, das heisst nur initial und kurzfristig, um die Zeit bis zum Wirkeintritt der DMARD («diseasemodifying antirheumatic drugs») zu überbrücken (1). Andere Szenarien sehen bei der rheumatoiden Arthritis eine längere Überbrückungsphase mit niedrig dosierten Glukokortikoiden über mindestens zwei Jahre vor, da in Studien dieser Zeitraum für eine Bremsung der radiologischen Progression der Gelenkzerstörung notwendig war (2). Auch eine langfristige Erhaltungstherapie mit sehr niedrigen Glukokortikoiddosen (< 5 mg/Tag) wird in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis befürwortet, da angenommen wird, dass bei dieser Dosierung der Nutzen das Risiko überwiegt. Insgesamt scheint die Frage vor allem nach der optimalen Behandlungsdauer noch nicht abschliessend geklärt. Auch die Missachtung von Kontraindikationen führe zu Behandlungsfehlern. Es sei wichtig, den Nutzen einer Kortikoidtherapie gegen die Risiken abzuwägen. Zu Beginn der Therapie sollten Komorbiditäten und Risikofaktoren für Nebenwirkungen wie Hypertonie, Diabetes, Dyslipidämie, peptische Ulzera, vorausgegangene Frakturen, das Vorliegen eines Katarakts, eines Glaukoms oder chronischer Infektionen sowie einer Komedikation mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) erfragt werden. Bei NSAR plus Steroiden ist auf einen Magenschutz mit Protonenpumpeninhibitoren zu achten und/ oder das NSAR durch einen COX-2- Hemmer zu ersetzen. Regelmässig kontrolliert werden müssen unter der Therapie mit Kortikosteroiden das metabolische Profil, der Blutdruck, periphere Ödeme, die Herzfunktion sowie der Augendruck. Dauert eine Therapie mit Prednisolon in einer Dosierung von 7,5 mg/Tag länger als 3 Monate, sollten Kalzium und Vitamin D verordnet werden. Ob eine Osteoporosetherapie erforderlich ist, ist durch RisikofaktorAssessment und Knochendichtemessung zu ermitteln. Eine absolute Kontraindikation für Steroide ist die seltene Glukokortikoidallergie. Zu den relativen Kontraindikationen zählen: O akute Infektionen O glukokortikoidinduzierte Psychose O schwer einstellbares Glaukom O schwere Osteoporose O florides Ulkus ventriculi/duodeni O unzureichender Infektionsschutz durch Impfungen. Insgesamt sollten Glukokortikoide so sparsam wie möglich eingesetzt und bei Erreichen der Remission oder einer niedrigen Krankheitsaktivität ganz abgesetzt werden, so Prof. Buttgereit. Ein Beispiel für eine historische Fehlindikation sei die intraartikuläre Glukokortikoidinjektion bei Borreliose. Biologika: Therapiealgorithmus und Kombinationspartner kennen Professor Dr. Gerd R. Burmester, ebenfalls von der Charité in Berlin, erinnerte an mögliche Stolpersteine im Zeitalter der Biologika. Demnach gilt es, zu prüfen, ob eine Indikation für eine Biologikatherapie besteht, nämlich gemäss Leitlinien entweder beim Versagen von zwei Basistherapeutika oder bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren für eine rasche Progression. Vor Therapiebeginn müssen ein Tuberkulosescreening sowie generell der Ausschluss anderer ARS MEDICI 10 I 2014 521 BERICHT Take Home Messages Fallstricke im Umgang mit Rheumapatienten O Kommunikation: Auf positive Formulierungen achten! O Kortison: Indikation prüfen, Über- oder Untertherapie vermeiden sowie Kontraindikatio- nen beachten, metabolische Veränderungen via Monitoring überwachen. O Biologika: Indikation und Kombinationspartner prüfen, Impfungen vor Therapiebeginn aktualisieren, eventuell Lebendimpfung gegen Herpes zoster, Patientenpass nicht vergessen, Hinweis zu CRP, Tuberkulosescreening, Kontrollintervalle festlegen. O Über Nebenwirkungen und Lagerung von Biologika aufklären. Infektionen erfolgen. Impfungen sollten ebenfalls vor einer Biologikatherapie aufgefrischt werden. Grundsätzlich sollten alle Biologika mit Methotrexat kombiniert werden. Lediglich Tocilizumab, Etanercept und Adalimumab sind auch in der Monotherapie zugelassen. Leflunomid ist hingegen als Kombinationspartner für Biologika nicht erlaubt. Eine Aufklärung über häufige Nebenwirkungen wie Reaktionen an der Einstichstelle und Infektionen sowie Hinweise zur Lagerung gehören unbedingt zum Patientengespräch. Auch die schriftliche Dokumentation der Aufklärung wird immer häufiger verlangt. Last, but not least: Unter Tocilizumabtherapie kommt es im Falle einer Appendizitis oder anderer schwerer Infek- tionen/Entzündungen nicht zu einer CRP-Erhöhung, sodass dieser Parameter nicht zur Ermittlung der OP-Indikation herangezogen werden kann. O Anka Stegmeier-Petroianu Literatur: 1. Gorter SL et al.: Current evidence for the management of rheumatoid arthritis with glucocorticoids: a systematic literature review informing the EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2010; 69(6): 1010–101.4. 2. Svensson B et al.: Low-dose prednisolone in addition to the initial disease-modifying antirheumatic drug in patients with early active rheumatoid arthritis reduces joint destruction and increases the remission rate: a two-year randomized trial. Arthritis Rheum 2005; 52(11): 3360–3370. Quelle: 41. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Mannheim, 18. bis 21. September 2013 522 ARS MEDICI 10 I 2014