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Rosenbergstrasse 115
Nichts Neues von der Schweinegrippefront, jedenfalls nicht aus der Schweiz. Und eigentlich auch nicht aus Down Under, genauer aus Neuseeland, woher uns per Facebook die Bitte eines Freundes erreicht: «Keep us posted in regard of the panic they try to generate in regard of swine flu. Here it almost seemed like WW3 was about to break out.» Genau wie bei uns also: Es fehlt nur noch die Mobilmachung.
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Nicht Neues von der Schweinegrippe heisst, dass die Verunsicherung anhält. Praxisassistentinnen weigern sich, sich impfen zu lassen, trotz Drohungen vonseiten ihrer Arbeitgeber, es sei unverantwortlich, chronisch kranke Patienten einer Infektion auszusetzen. Häufigstes Gegenargument: Chronisch Kranke sollten ja eigentlich geimpft sein.
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Auch unsere Redaktion ist nicht vor der Schweinegrippe gefeit. Obschon, so genau weiss man ja eigentlich nicht, wer sie schon hatte und wer nicht. Zwei bestätigte Fälle im gleichen Mehrfamilienhaus, dazu drei undiagnostizierte Huster, darunter einer unserer Redaktoren, der sich allerdings mit Desinfektionsmittel auf Mann mit zirka stündlicher Applikation (Hände) auf der sicheren Seite geglaubt hatte. Ist der nun immun, weiter gefährdet, hypochondrisch oder einfach ein aufgeklärter Normalfall?
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Die Ehefrau schwanger, der Mann krank. Was tun? Ganz einfach: Die Frau zieht für eine Woche zur Mutter, der kranke Mann bleibt allein mit seinen Viren zu Hause. Das wäre kaum der Rede wert, wenn der
Betroffene nicht Italiener wäre. Denn Italiener, das ist eine «Erfahrungstatsache» (Lieblingswort ahnungsloser Politiker), sind gleich mehrfach gebeutelt: Italienische Männer (und für die Bestätigung dieser Feststellung gibt es sicher eine methodisch saubere Nationalfondsstudie) leiden stärker, haben mehr Angst und sind ohne ihre Frauen so hilflos wie Kleinkinder. Italiener halten eine derartige Woche für eine Nahtoderfahrung.
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Die Staatstrauer um den deutschen Nationaltorhüter Roland Enke erscheint einem Aussenstehenden als medialer Hype, aber irgendwie auch rührend. Und wenn er dazu beiträgt, das Tabu Depression etwas zu lockern, dann hat er ja auch sein Gutes. Erstaunlich immerhin die Zahlen, die in diesem Zusammenhang bekannt werden: Gegen 1000 Menschen jährlich, also rund 3 jeden Tag, bringen sich in Deutschland um, indem sie sich «vor den Zug werfen». In der Schweiz sind es immerhin zwischen 130 und 150. Und genauso viele Lokomotivführer müssen das jeweils miterleben und bleiben deswegen teilweise ihr Leben lang traumatisiert. Keine sehr rücksichtsvolle Art aus dem Leben zu scheiden. Übrigens, auf Bahnstrecken, die an psychiatrischen Kliniken vorbei führen, häufen sich die Selbstmordfälle.
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Unfassbar: Die Schweizer U17-Nationalmannschaft wird Fussballweltmeister. Wer Fussball gern hat und die 17-Jährigen schon vorher hat spielen sehen, hat sich nicht nur über den WM-Titel gefreut, sondern auch über die Art und Weise wie gespielt wurde. Endlich erhellte nur schon das Zuschauen das Ziel dieses Spiels: Mehr Tore schiessen als der Gegner. Ganz im Gegensatz zu den Profis, bei denen es
offensichtlich darum geht, weniger Tore zu erhalten als der Gegner. Sie müssen aufpassen, die Herren Grossverdiener, dass man sie nicht am Unterhaltungswert der Junioren zu messen beginnt. Sie stünden recht schlecht da.
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Einer der besten Schweizer: ein Herr Seferovic (die Schweizer Spieler tragen mehrheitlich solch fremdländisch klingende Namen). Er schoss das entscheidende Goal für die Schweiz. Und wie titelte ein Facebook-Freund 10 Minuten später: «Seeefeeroviiiic – wir bauen dir ein Minarett!»
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Céline Dion, die Kanadierin, die der Schweiz 1988 letztmals zu einem Titel beim Grand Prix Eurovision de la Chanson (neuerdings: Eurovision Song Contest) verholfen hatte, eine der erfolgreichsten Sängerinnen überhaupt, wollte, 41 in der Zwischenzeit, schwanger werden. Mittels IVF. Doch leider klappte es nicht. Offenbar lässt sich auch mit hunderten Millionen Dollar Vermögen die Natur nicht zwingen, zu tun, was sie nicht vorgesehen hat. Übrigens, Céline Dion hat eine überirdisch gute Stimme, ist daneben aber eine unterirdisch schlechte Tänzerin. Oder wie jemand wohlwollend böse meinte: «Ihr Tanzstil gleicht dem eines Storches unter LSD.» Sorry, und viel Glück mit den Embyonen!
Richard Altorfer
ARS MEDICI 23 ■ 2009 957