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Berichte, Studien, Innovationen
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Quetiapin führt zu rascher Besserung der Symptome bei schwer Depressiven, die ungenügend auf Antidepressiva ansprechen
Bei Patienten mit schwerer Depression, die nicht genügend auf ein konventionelles Antidepressivum ansprechen, lohnt es sich, statt die Dosis zu erhöhen oder das Präparat zu wechseln, die Therapie mit einem Neuroleptikum zu ergänzen. Studien zeigen, dass die Kombination von Antidepressivum und Quetiapin signifikant besser wirksam ist als das Antidepressivum allein.
Was tun bei unzureichender Wirkung von Antidepressiva? Schwere Depressionen oder Major Depressive Disorders (MDD) führen zu erheblicher Morbidität. Sie sind weltweit sehr verbreitet; mehr als 16 Prozent aller Erwachsenen erkranken zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens daran. Die therapeutische Palette hat sich in den vergangenen Jahren zwar erfreulich erweitert, die Optionen der behandelnden Ärzte sind jedoch immer dann begrenzt, wenn die Patienten nur unzureichend auf die First-Line-Therapie mit den üblichen Antidepressiva ansprechen. Als zusätzliche Schritte stehen in solchen Fällen zur Diskussion: 1. Erhöhung der Dosis 2. Wechsel auf ein anderes First-Line-Anti-
depressivum 3. Zugabe eines weiteren Medikaments.
Allerdings gibt es keine schlüssigen Beweise, dass eine Dosiserhöhung eine bessere oder stärkere Wirkung zur Folge hat, und es gibt auch keine klaren Belege, dass der Wechsel auf ein Antidepressivum aus einer anderen Substanzklasse von Nutzen ist. Vielmehr wird sogar über ausgesprochen niedrige Remissionsraten bei Patienten mit MDD berichtet, bei denen man nach zwei erfolglosen Versuchen mit unterschiedlichen Antidepressiva noch auf ein drittes Antidepressivum in Monotherapie gewechselt hatte. Anzumerken ist auch, dass die häufig eingesetzten Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-
Wiederaufnahmehemmer (SNRI) oft keine vollständige Remission der Symptome erzielen und es meist mehrere Wochen dauert, bis die Symptome nachlassen oder verschwinden. Hinzu kommt, dass SSRI und SNRI nicht selten erhebliche Nebenwirkungen haben (beispielsweise sexuelle Dysfunktion). Und schliesslich muss man damit rechnen, dass etwa bei einem Drittel bis zur Hälfte der Patienten, die auf eine Standarddosis nicht ansprechen, eine eigentliche Therapieresistenz besteht.
Die valable Alternative: Zusatz eines Neuroleptikums So bleibt denn als valable Alternative bei unzureichendem Ansprechen auf eine Monotherapie mit Antidepressiva nur die Zugabe eines Arzneimittels aus einer anderen Klasse. Zu den Substanzen, die als Zusatzmedikation zu Antidepressiva untersucht wurden, gehören die atypischen Antipsychotika. Sie zeigen per se und in klinisch relevantem Mass eine antidepressive Wirksamkeit. Quetiapin (Seroquel®) beispielsweise hat nachgewiesenermassen eine antidepressive Wirkung bei einer Reihe von psychiatrischen Erkrankungen, etwa bei Schizophrenie oder bei bipolaren Psychosen. Das gilt auch für Quetiapin in einer galenischen Form mit verzögerter Freisetzung (Quetiapin XR). Die Wirkungsweise ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Offenbar besteht eine Affinität der Substanz und ihres Metaboliten Norquetiapin zu Serotonin-5-HT2Aund Dopamin-D2-Rezeptoren. Kleinere Studien mit Quetiapin konnten nachweisen, dass das Medikament bei Patienten mit MDD, aber ungenügendem Ansprechen auf eine antidepressive Monotherapie einen zusätzlichen Nutzen bringt.
Studien bestätigen: zusätzliches Quetiapin bessert Symptomatik rasch M. Bauer et al. präsentieren in der vorliegenden Untersuchung die Resultate einer prospektiv geplanten Analyse gepoolter Daten mit grösseren Probandenzahlen, die auch die Auswertung von Subgruppen er-
möglicht und den Einfluss von demografischen und krankheitsrelevanten Faktoren auf die beobachtete Wirkung erlaubt. Zusätzliche Post-hoc-Analysen untersuchten die Wirksamkeit von Quetiapin XR auf bestimmte depressive Symptome wie Schlaf. Die Daten wurden mit zwei 6-wöchigen, multizentrischen, doppelblinden, randomisierten und plazebokontrollierten Studien, die prospektiv konzipiert gebündelt wurden, überprüft. Die Patienten erhielten jeweils zusätzlich zur laufenden und weitergeführten Therapie mit Antidepressiva einmal täglich Quetiapin XR 150 mg (n = 309), 300 mg (n = 307) oder Plazebo (n = 303). Primärer Endpunkt waren die Veränderungen im MADRS-(Montgomery-Åsberg Depression-Rating-Scale)-Score zwischen Randomisierung und Woche 6. Unter Quetiapin XR (150 und 300 mg pro Tag) reduzierten sich die MADRS-Gesamtwerte im Vergleich zu Plazebo bei jeder Bewertung, einschliesslich Woche 6 (–14,5/ –14,8/–12,0 ; p < 0,001). So lag der MADRSScore unter Quetiapin XR 150 und 300 mg/ Tag in Woche 6 bei 53,7 Prozent (p = 0,063) beziehungsweise 58,3 Prozent (p < 0,01), verglichen mit 46,2 Prozent unter Plazebo. Die Remission des MADRS-Scores betrug 35,6 Prozent (p < 0,01), 36,5 Prozent (p < 0,001) beziehungsweise 24,1 Prozent (Plazebo). Quetiapin XR demonstrierte insgesamt eine breite Wirksamkeit, und zwar unabhängig von anderen Faktoren, einschliesslich der begleitenden Antidepressiva. Fazit Der Zusatz von Quetiapin XR bei Patienten mit einer schweren Depression und unzureichender Reaktion auf eine übliche antidepressive Therapie, vermag die depressive Symptomatik bereits nach einer Woche signifikant zu verbessern. Richard Altorfer O Bauer M et al.: A pooled analysis of two randomised, placebocontrolled studies of extended release quetiapine fumarate adjunctive to antidepressant therapy in patients with major depressive disorder. J Affect Disord 2010; 127: 19–30. ARS MEDICI 8 I 2014 439