Transkript
EDITORIAL
Nicht alles muss der Arzt wissen – aber es wäre doch hilfreich, könnte man sich auf erteilte
Auskünfte tatsächlich verlassen. Das Vertrauen gegenüber den Patienten ist unterschiedlich ausgeprägt: Fernseharzt Dr. Gregory House etwa geht grundsätzlich davon aus, dass Patienten ihre Ärzte belügen. Und damit ist er nicht allein: In einer Online-Umfrage zeigten sich auch zwei Drittel der befragten Ärzte davon überzeugt, dass sie, zumindest wenn es um die gesunde Lebensführung geht, auf ihre Fragen eine falsche Antwort erhalten. Aber würden sie eine Lüge tatsächlich erkennen?
wenn sie als ehrlich durchgingen. Die Beobachter entdeckten gerade mal 43 Prozent der Lügner und 48 Prozent der Ehrlichen. Aber die Forscherinnen testeten auch unbewusste Reaktionen. Logen die Verdächtigen, ordneten ihnen die Testpersonen etwa schneller Begriffe zu, die mit Täuschung und Betrug verbunden werden. Sagten die Verdächtigen die Wahrheit, assoziierten die Testpersonen schneller Eigenschaften wie ehrlich, vertrauenswürdig und so weiter. Wahr oder nicht? Auf die vermeintlich typischen Anzeichen wie Unruhe, starkes Schwitzen, ausweichende Blicke scheint bei der Beurteilung kein Verlass zu sein. Im Gegenteil, gezielt darauf zu achten, kann beim Versuch, eine Lüge zu enttarnen, sogar hinderlich sein, wie die Forscherinnen in «Psychological Science» berichtet haben.
Wahrheit oder Lüge: Erkennen Sie den Unterschied?
Menschen sind gemeinhin keine guten Lügendetektoren, nur in etwas mehr als 50 Prozent der Fälle werden Unwahrheiten als solche erkannt – geringfügig besser als ein Münzwurf. Forscherinnen aus Berkeley wollten nun wissen, ob das Unbewusste vielleicht besser ist als das Bewusstsein. Leanne ten Brinke und Dana Carney liessen dafür in ihrem Experiment 72 Studenten gestellte Videointerviews beurteilen. Diese sollten herausfinden, ob die «Verdächtigen» 100 Dollar aus einem Zimmer gestohlen hatten. Alle versicherten ihre Unschuld, aber die Hälfte der Befragten hatte zuvor den expliziten Auftrag zu stehlen erfüllt – als Motivation durften sie das Geld behalten,
Hingegen scheint das menschliche Gehirn durchaus über Fähigkeiten zu verfügen, Lügner unbewusst zu erkennen. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die Messung unbewusster Parameter zusätzliche Informationen liefern kann. Wenn Sie Ihr Urteilsvermögen auf die Probe stellen möchten, können Sie unter http://bit.ly/1kf58wZ zehn Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und erst noch einen wissenschaftlichen Beitrag leisten. Psychologen der Universität Chicago hoffen, mit möglichst vielen Antworten dem Geheimnis der Lügen ein wenig näher zu kommen …
Christine Mücke
ARS MEDICI 7 I 2014
353