Transkript
EDITORIAL
Im Fokus: Gastroenterologische Tumoren
Passend zu den bevorstehenden Festtagen befasst sich die letzte Ausgabe der «Schweizer Zeitschrift für Onkologie» im Jahre 2021 mit dem MagenDarm-Trakt; der Fokus liegt dabei aber nicht auf einer beschwerdefreien Verdauung von ausgiebigen Mahlzeiten, sondern auf der gegenwärtigen Therapie von Tumoren des Rektums und der Leber; hat sich doch bei diesen Tumorentitäten in der letzten Zeit sehr viel getan.
Liebe Leserin, lieber Leser
Dank dem Einsatz von verbesserten chirurgischen Techniken und der Radiotherapie im Bereich des Primarius konnte in den letzten Jahren die lokale Kontrolle beim Rektumkarzinom deutlich verbessert werden. Wann und in welchem Ausmass wir eine adjuvante Chemotherapie zur Senkung des systemischen Risikos durchführen sollten, dafür fehlten uns bis dato gute wissenschaftliche Daten. In den zwei am ASCO 2020 präsentierten Studien RAPIDO und PRODIGE 23 wurden Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren mit Chemotherapie vor der Resektion behandelt; im Sinne einer total neoadjuvanten Therapie (TNT). In beiden Studien konnten die pathologische komplette Remission (pCR) wie auch das diseasefree survival (DFS) als Ausdruck einer verbesserten systemischen Kontrolle verlängert werden. Die seit Jahren bestehende Kontroverse «Kurzschema» versus «Langzeitschema» bei den Radiotherapieprotokollen ist damit aber nicht beendet, kommt doch im Rapido-Trial passend zum Namen das 5x5-Gy-Schema, im Französischen Trial hingegen das Langzeitschema zur Anwendung. Frau Dr. Sara Bastian geht in ihrem Artikel zum Rektumkarzinom vertiefter auf medizinisch-onkologische Aspekte ein, während Frau Dr. Branka Asadpour radioonkologische Gesichtspunkte beleuchtet; beide Artikel sind aus meiner Sicht sehr lesenswert.
Beim Cholangiokarzinom handelt es sich um eine seltene Tumorerkrankung. Bereits die tiefe Inzidenzzahl macht die Durchführung von wissenschaftlichen Studien schwierig. Die in der letzten Zeit zunehmend gewonnene Erkenntnis, dass es sich beim Cholangiokarzinom nicht um eine einzelne Tumorerkrankung handelt, sondern um viele, molekulargenetisch sehr unterschiedliche, erschwert weiter die Studiendurchführung. Dennoch gelang es mehreren Gruppen, in den letzten Monaten wich-
tige Trials auf diesem Gebiet zu präsentieren. Frau Kira-Lee Koster und Dr. Christian Weishaupt greifen diese neuen Daten elegant und in verständlicher Weise in ihrem Übersichtsartikel auf. Um der Diversität dieser Erkrankung und damit der Individualität der Patientinnen und Patienten mit einem Cholangiokarzinom spätestens in der zweiten Linie gerecht zu werden, sollte aus meiner persönlichen Sicht bei diesen Patienten stets eine NextGeneration-Sequencing(NGS)-Analyse durchgeführt werden; sofern es im Gesamtkontext Sinn macht.
Durch die Kombination von Chemotherapie und Checkpoint-Inhibitoren konnte die Immunogenität von vielen Tumoren gesteigert werden. Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist aber so gut wie Chemotherapie-refraktär; hingegen spielt die Hemmung der Angio-Neogenese eine zentrale Rolle. In der IMbrave-150-Studie wurde Bevacizumab als Angiogenese-Inhibitor mit dem Checkpoint Inhibitor Atezolizumab kombiniert; basierend auf den überzeugenden Daten stellt diese Kombination aktuell den neuen Therapiestandard beim HCC dar. Dr. Alexander Siebenhühner zeigt in seinem Artikel zum HCC auf, wie man nach Progression die weitere Therapie gestalten könnte und welche neuen Kombinationen zurzeit in Studien noch untersucht werden, um die Prognose dieser Patienten weiter zu verbessern.
Sie sehen, sehr viele spannende Artikel warten auf Sie. Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Musse bei der Lektüre, erholsame Festtage und für das neue Jahr 2022 von Herzen alles Gute und viel Gesundheit!
Donat Dürr
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 5/2021
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