Transkript
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TRIMASTER-Studie
Welches Antidiabetikum für wen?
Wenn die Metformintherapie nicht mehr den gewünschten Erfolg bei der Blutzuckersenkung bringt, muss die Therapie durch Zugabe eines weiteren Antidiabetikums intensiviert werden. Doch für welche Patienten eignet sich welche Antidiabetikaklasse zur weiteren Blutzuckersenkung? Die englische TRIMASTER-Studie untersuchte dazu drei verschiedene Antidiabetikaklassen im Cross-over-Verfahren: DPP-4-Hemmer mit Sitagliptin, SGLT2-Hemmer mit Canagliflozin und Glitazone mit Pioglitazon. Die Resultate wurden am virtuellen Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD) vorgestellt. Gemäss diesen ist eine Präzisionstherapie bei Diabetes möglich.
In den letzten Jahren sind die Auswahl der Antidiabetika und damit die Kombinationsmöglichkeiten zu Metformin beträchtlich gewachsen. Bis jetzt orientiert sich die Wahl der Kombinationspartner nicht an Glukoseindikationen, sondern an kardiorenalen Begleiterkrankungen und an bekannten Risikofaktoren wie Herzinsuffizienz, hohes Hypoglykämierisiko, Soor oder Harndrangsymptomatik. Doch die gewählte Zusatztherapie bringt nicht für alle Patienten den gleich grossen Nutzen in Bezug auf die Senkung des HbA1cWerts, denn klinische Parameter wie zum Beispiel der BodyMass-Index (BMI) und die Nierenfunktion verändern gemäss einer britischen Modellrechnung die glykämische Therapieantwort (1), berichtete Prof. Andrew Hattersley, Exeter University, (GB). Die grosse Frage lautet also: Wer sollte Medikament X und wer Medikament Y bekommen? Lässt sich die glykämische Response einer Therapie durch Berücksichtigung klinischer Charakteristika wie BMI und eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) tatsächlich verbessern? Können dadurch tiefere Blutzuckerwerte, weniger Nebenwirkungen und einen über den Blutzucker hinausgehenden Nutzen erreicht werden?
KURZ & BÜNDIG
� Durch eine gezielte Antidiabetikawahl anhand von klinischen Kriterien wie BMI oder eGFR kann die Blutzuckersenkung verbessert werden.
� Die Präzisionsdiabetestherapie kann helfen, die Blutzuckersenkung auf den Patienten masszuschneidern.
� Die Patienten bevorzugen das Präparat, von dem sie glauben, damit die beste Blutzuckerkontrolle und die wenigsten Nebenwirkungen zu haben. Das kann von Patient zu Patient variieren.
Drei Antidiabetika ausprobiert
Antworten dazu liefert die TRIMASTER-Studie. Sie wurde in England, Schottland und Wales als doppelblind randomisierte, dreistufige TRIMASTER-Cross-over-Studie durchgeführt. In der Studie wurden 3 ähnlich stark blutzuckersenkende Antidiabetika in einem stratifizierten Setting miteinander verglichen. Das gewählte Cross-over-Studiendesign erlaube es, so Studienleiter Hattersley, mit einer kleineren Patientenzahl 2 Hypothesen bezüglich BMI und eGFR zu überprüfen, für die es bei normalem Design 2 Studien à je über 2000 Patienten gebraucht hätte. In die Studie wurden 525 30- bis 80-jährige Patienten mit einer Typ-2-Diabetes-Dauer von ≥ 12 Monaten eingeschlossen. Weitere Einschlusskriterien waren ein HbA1c-Wert von 7,5 bis 12,2 Prozent (Durchschnitt: 8,5%) unter Metformin ± Sulfonylharnstoff und eine eGFR von ≥ 60 ml/min/1,73 m2. Im Cross-over-Verfahren erhielten alle Patienten während jeweils 4 Monaten alle 3 Antidiabetika Sitagliptin, Canagliflozin und Pioglitazon in zufälliger Reihenfolge. Nach jeder Behandlungsphase wurden HbA1c, Gewicht und Verträglichkeit dokumentiert, die Patientenpräferenz nach Studienende. Dabei standen folgende Hauptfragen im Raum: • Erreichen adipöse Patienten im Vergleich zu nicht adipö-
sen einen tieferen HbA1c-Wert unter Pioglitazon als unter Sitagliptin? • Erreichen Patienten mit einem eGFR-Wert zwischen 60 und 90 ml/min/1,73 m2 im Vergleich zu ≥ 90 einen tieferen HbA1c-Wert unter Sitagliptin als unter Canagliflozin? Die Werte wurden nur berücksichtigt, wenn die Patienten der jeweiligen Therapie > 12 Wochen treu blieben.
Weitere Blutzuckerreduktion durch gezielte Wahl möglich
Die Ergebnisse zeigten folgendes Bild: Adipöse Teilnehmer mit einem BMI ≥ 30 erreichten unter Pioglitazon einen tieferen HbA1c-Wert als mit Sitagliptin. Bei den Teilnehmern mit einem BMI < 30 war es umgekehrt, sie haben unter
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Sitagliptin einen tieferen HbA1c-Wert erreicht als mit Pioglitazon. Beide Präparate waren bezüglich Verträglichkeit und Hypoglykämieraten vergleichbar und zeigten weder bei den adipösen noch bei den nicht adipösen Teilnehmern einen signifikanten Unterschied, das Gewicht stieg unter Piogliation 1 bis 2 kg an. Beim Kriterium Nierenfunktion zeigten die Teilnehmer mit einer eGFR von 60 bis 90 unter Sitagliptin einen tieferen HbA1c-Wert als mit Canagliflozin, wohingegen jene mit einer eGFR von ≥ 90 mit Canagliflozin besser fuhren als mit Sitagliptin. Auch diese beiden Präparate unterschieden sich punkto Verträglichkeit und Hypoglykämierate nicht signifikant voneinander, auch nicht beim Gewicht.
Was möchten die Patienten?
Zu Studienende, als alle Patienten alle 3 Präparatephasen abgeschlossen hatten, wurden sie nach ihren präparatespezifischen Erfahrungen und zu ihrer Präferenz befragt. 25,8 Prozent der Patienten bevorzugten Pioglitazon, 34,8 Prozent Sitagliptin, und 38,7 Prozent gaben dem SGLT2-Hemmer den Vorzug. Ausschlag für die Präferenz des SGLT2-Hemmers könne die leichte Gewichtsabnahme sein, die in anderen Studien zu beobachten gewesen sei, mutmassen die Autoren. Sie wiegt die SGLT2-spezifischen Nebenwirkungen wie Dehydrierungsgefühl, höhere Urinproduktion, mehr Durst und Pilzinfektion auf. Die Aussteigerrate wegen Unverträglichkeit war unter Sitagliptin am höchsten, obwohl die gemeldete Nebenwirkungsrate am tiefsten war. Die Patienten geben dem Präparat den Vorzug, von dem sie glauben, damit die beste Blutzuckerkontrolle und die wenigsten Nebenwirkungen zu haben. Das könne von Patient zu Patient variieren, so Hatterley.
Was das für die Praxis bedeutet
Das ist die erste direkte Untersuchung, die den Nutzen eines
stratifizierten Ansatzes bei Typ-2-Diabetikern testete und be-
legt. Sie beweist, dass eine Präzisionstherapie mit Präparaten,
die ohne Stratifizierung zu einer ähnlichen Blutzuckersen-
kung führen, bei Patienten mit spezifischen Charakteristika
stärker wirkt.
Wenn in der Diabetestherapie die Glykämie erste Priorität
geniesst, kann bei adipösen Patienten (BMI > 30) Pioglitazon
eingesetzt werden, auch kurzzeitig, allerdings zum Preis einer
Gewichtszunahme. Ein DPP-4-Hemmer wirkt bei einem
BMI < 30 besser. Bei Patienten mit einer eGFR zwischen 60 und 90 ml/min/1,73 m2 ist ein DPP-4-Hemmer für die Blutzuckersenkung besser geeignet als ein SGLT2-Hemmer, bei einer eGFR von > 90 ml/min/1,73 m2 ist dagegen der
SGLT2-Hemmer die bessere Wahl.
Eine Therapieoptimierung durch Anpassung an die Patien-
tencharakteristika könne somit mit bekannten Messwerten
und ohne neue Abklärungen und Mehrkosten erreicht wer-
den, sagt Hattersley, der damit ein Fazit zieht. Diese Resul-
tate bedeuteten aber nicht, dass alle Patienten mit einem
BMI > 30 Pioglitazon erhalten sollten und alle Patienten mit
einer eGFR zwischen 60 und 90 ml/min/1,73 m2 einen DPP-
4-Hemmer, gab er zu bedenken. Bei Patienten mit anderen
Prioritäten als die Blutzuckersenkung, namentlich Herzin-
suffizienz, kardiovaskuläre Risikofaktoren oder chronische
Nierenerkrankung, sollten SGLT2-Hemmer zum Einsatz
kommen.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Results from TriMASTER». Jahreskongress der European Association for the Study of Diabetes (EASD), 27. September bis 1. Oktober 2021, virtuell.
Referenz: 1. Dennis JM: Precision medicine in type 2 diabetes: using individua-
lized prediction models to optimize selection of treatment. Diabetes. 2020;69(10):2075-2085. doi:10.2337/dbi20-0002
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