Transkript
KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), virtuell, September 2021
Früher Brustkrebs
De-Eskalierung, prädiktive Biomarker, zielgerichte Therapien
An der diesjährigen virtuellen Jahrestagung der ESMO gab es zum Bereich des frühen Mammakarzinoms regen Austausch zu diversen Strategien der Therapieoptimierung. Analog zu den wichtigsten Studien wurden bei HER2-positiven Tumoren die Verringerung der adjuvanten Therapiedauer sowie die Bedeutung von Biomarkern diskutiert. Bei HER2-negativen Tumoren stand die CDK4/6-Hemmer-Gabe zur adjuvanten endokrinen Therapie im Fokus.
De-Eskalierung bei HER2positiver Erkrankung
Um eine optimale Dauer der Trastuzumab-Monotherapie bei Patientinnen mit frühem HER2-positivem (HER2+) Brustkrebs zu untersuchen, wurden 5 Studien retrospektiv analysiert (1): PERSEPHONE, PHARE und HORG, die bei nahezu 8000 Patientinnen die Dauer von 12 versus 6 Monate adjuvante TrastuzumabTherapie verglichen, ferner SOLD und SHORTER, die unter Einschluss von rund 3400 Patientinnen 12 Monate versus 9 Wochen prüften. Alle Studien waren als Nichtunterlegenheitsstudien konstruiert und wurden als solche durchgeführt. Statistisch gesehen, sind solche klinischen Studien nicht unumstritten und meistens nicht direkt vergleichbar. In der beim ESMO-Kongress 2021 präsentierten Studienanalyse wurde als primärer Studienendpunkt das invasive erkrankungsfreie Überleben (IDFS) auf Basis der individuellen Patientinnendaten ausgewertet. Die Analyse umfasste die Daten der ITT-Population ab Beginn der Studienmedikation. Die Nichtunterlegenheitsgrenze wurde auf absolute 2% festgelegt, um zu gewährleisten, dass eine geringe Verschlechterung nicht als relevante Verschlechterung überbewertet wurde. Mit dieser absoluten 2%-Grenze wurden eine Hazard Ratio (HR) von 1,19 für alle 5 Studien (= Vergleich 12 Monate vs. weniger Therapiedauer), eine HR von 1,20 für die 3 Studien (= Vergleich 12 vs. 6 Monate) und eine HR von 1,25 für 2 Studien (= Vergleich 12 Monate vs. 9 Wochen) berechnet. Der obere Wert des Konfidenzintervalls (KI) musste unterhalb dieses berechneten HR-Wertes
sein, um eine Nichtunterlegenheit nachzuweisen.
Marginale Prognoseverbesserungen Unter Einbezug aller Studien für den Vergleich der 12-monatigen gegenüber einer kürzeren Trastuzumab-Gabe wurde keine signifikante Bestätigung für die Nichtunterlegenheit erbracht (HR: 1,14; 95%-KI: 0,88–1,47; p = 0,37). Nach 5 Jahren betrug die IDFS-Rate 88,5 versus 86,9%. Der Vergleich von 12 versus 6 Monate Trastuzumab bestätigte die Nichtunterlegenheit der kürzeren Gabe (HR: 1,07; 90%-KI: 0,98–1,17; p = 0,02). Die 5-Jahres-IDFS-Raten betrugen 89,3 versus 88,6%. Für die gemeinsame Auswertung der Studien SOLD und SHORTER konnte wiederum die Nichtunterlegenheit von 9 Wochen gegenüber der 12-monatigen Trastuzumab-Gabe nicht verifiziert werden (HR: 1,27; 90%-KI: 1,07–1,49; p = 0,56). Die IDFS-Raten nach 5 Jahren betrugen 91,4 versus 89,2%. Somit wurde die Nichtunterlegenheit der 6-monatigen – aber nicht der 9-wöchigen – De-Eskalierung der TrastuzumabMonotherapie gegenüber 12 Monaten bestätigt. Dieses Ergebnis sollte mit Patientinnen besprochen und eine Beendigung der Trastuzumab-Gabe nach 6 Monaten diskutiert werden.
Prädiktive Biomarker beim HER2+/HR+ frühen Brustkrebs
Die dreiarmige Studie ADAPT-TP verglich unter Einschluss von insgesamt 372 Patientinnen mit frühem HER2+, hormonrezeptorpositivem (HR+) Mammakarzinom die neoadjuvante Behandlung mit T-DM1 versus T-DM1 plus endokrine
Therapie versus Trastuzumab plus endokrine Therapie (2). Die Rate an pathologisch kompletten Remissionen (pCR), der primäre Studienendpunkt, war in beiden T-DM1-Studienarmen mit 41% respektive 41,5% vergleichbar und betrug im TrastuzumabArm 15,1%. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 60 Monaten lag die 5-Jahres-IDFS-Rate bei Patientinnen ohne pCR bei 82,7%, bei Patientinnen mit pCR, die zudem eine Standardchemotherapie erhielten, bei 93,0% und bei Patienten mit pCR ohne Chemotherapie bei 92,1%. Die translationale Auswertung der ADAPT-TP-Studie bestand (u. a.) in der Assoziation von IDFS und pCR mit dem Vorliegen von potenziellen prädiktiven Biomarkern. Es zeigte sich, dass die stärkere Tumorimmunogenität zu Beginn der Behandlung, gemessen an der PDL1- und CD8-Expression, mit einer höheren pCR-Rate und einem verlängerten IDFS bei Patientinnen unter deeskalierter Therapie einhergeht. Die PIK3CA-Mutation war mit einem schlechteren Therapieerfolg korreliert. Patientinnen mit dem Luminal-A-Subtyp wiesen die beste Prognose auf, obwohl die pCR-Rate nach HER2-gerichteter Therapie vergleichsweise niedrig war. Für weitere Deeskalationsstrategien sollte der Therapieerfolg, basierend auf der pCR-Rate und dem Therapieerfolg beim Luminal-A-Subtyp, beachtet werden. Ein pCR-gerichteter Ansatz erwies sich in den Analysen für den HER2-angereicherten Subtyp als vielversprechend.
Zielgerichtete Therapien bei HER2-negativer Erkrankung
Bei Patientinnen mit tripelnegativen Tumoren wurde in der randomisierten, plazebokontrollierten, dreiarmigen Phase-III-Studie BrighTNess neoadjuvant die zusätzliche Gabe von Carboplatin zur Paclitaxel-Standardtherapie mit oder ohne den PARP-Inhibitor Veliparib untersucht. Hier ergab sich ein verbessertes Ansprechen mit pCR-Raten von 53 und 58 versus 31%.
GYNÄKOLOGIE 5/2021
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KONGRESSBERICHT
Jahreskongress der European Society of Medical Oncology (ESMO), virtuell, September 2021
Am ESMO-Kongress 2021 wurde nun der Therapieerfolg mit längeren Nachbeobachtungzeiten vorgestellt (3). Es bestätigte sich auch für die Analyse von ereignisfreiem Überleben (EFS) und Gesamtüberleben (OS) ein Nutzen der zusätzlichen Carboplatin-, nicht aber der Veliparib-Gabe. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 4,5 Jahren betrug die 4-Jahres-EFS-Rate 78,2% für die Dreierkombination, 79,3% für Paclitaxel plus Carboplatin und 68,5% für alleiniges Paclitaxel. 12,0% gegenüber 10,0% gegenüber 13,9% der Patientinnen verstarben. Der Vorteil für eine pCR zeigte sich bei allen Patientinnen (HR: 0,26; 95%-KI: 0,18–0,38; p < 0,0001) und ebenfalls bei Patientinnen mit oder ohne BRCA-Keimbahn-Mutation (HR: 0,14 respektive HR: 0,29). PENELOPE-B: Endokrine Therapie plus Palbociclib/Plazebo Auch in der randomisierten, plazebokontrollierten Phase-III-Studie Penelope-B wurde mit der adjuvanten Gabe des CDK4/6-Inhibitors Palbociclib zur endokrinen Therapie keine Verlängerung des IDFS erreicht. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42,8 Monaten betrug die HR 0,93 mit einem KI von 0,74 bis 1,17 (p = 0,525). Nach 4 Jahren waren 73,0 versus 72,4% der Patientinnen ohne invasive Erkrankung. Unter den sekundären Endpunkten wurde die Lebensqualität in den beiden Studienarmen verglichen, und die Ergebnisse wurden am diesjährigen ESMO-Kongress präsentiert (4): Die gesundheitsbezogene und brustkrebsspezifische Lebensqualität wurde mithilfe der EORTC-Fragebögen QLQ-C30 und QLQ-BR23 sowie das Fatigue-Syndrom mittels QLQ-FA13 erfasst. Die Fragebögen wurden während Auf einen Blick n Frühe HER2+ Tumoren: Nach 6 Monaten Trastuzumab-Monotherapie kann darauf hingewiesen werden, dass mit weiteren 6 Monaten Therapie nur marginale Prognoseverbesserungen zu erwarten sind. n Frühe HER2+/HR+ Tumoren: Eine erhöhte Tumorimmunogenität zu Therapiebeginn geht mit höheren Raten an pathologischen Komplettremissionen (pCR) einher. Strategien zur Therapiedeeskalation sollten beim Luminal-A-Subtyp auf Basis der pCR-Rate und des Therapieerfolgs getroffen werden. Beim HER2-angereicherten Subtyp ist der pCR-gerichtete Ansatz vielversprechend. n Frühe tripelnegative Tumoren: Die zusätzliche Behandlung mit Carboplatin zu Paclitaxel, danach folgen Doxorubicin und Cyclophosphamid, verlängert bei Patientinnen die Rate an pathologischen Komplettremissionen signifikant und überträgt sich auf ein verlängertes ereignisfreies Überleben. Die Hinzunahme von Veliparib brachte keinen zusätzlichen Nutzen. n Frühe HER2-/HR+ Tumoren: Palbociclib versus Plazebo: Eine Befragung zur Lebensqualität zeigt insgesamt eine Erhaltung derselben in beiden Studienarmen. des Screenings, mit den Therapiezyklen 1, 3, 5, 7, 9 und 11 sowie danach alle 6 Monate bis zum Ende der Therapiebesu- che ausgefüllt. 73,9% der Patientinnen komplettierten den ersten und wenigs- tens einen der nachfolgenden Fragebö- gen: In beiden Studienarmen wurde eine hohe und anhaltende gesundheitsbezo- gene Lebensqualität beobachtet, mit etwas niedrigeren Werten während der aktiven Therapiezeit im Palbociclib-Arm. Die körperliche Funktion wurde im C30- Fragebogen bis ein Jahr nach dem Ende der Therapie als besser im Plazeboarm bewertet, es wurde allerdings kein Unter- schied für die körperliche Funktion im FA13 festgestellt. Bezüglich der Fatigue wurde im C30-Fragebogen eine gerin- gere Belastung im Plazeboarm während der aktiven Therapiephase angegeben, nicht jedoch innerhalb der BR23- oder der FA13-Befragung. n Ine Schmale Quelle: European Society for Medical Oncology (ESMO), Congress 2021, Paris und virtuell, 16. bis 21. September 2021 Referenzen: 1. Earl H et al.: Individual patient data meta-analysis of five non-inferiority RCTs of reduced duration single agent adjuvant trastuzumab in the treatment of HER2 positive early breast cancer. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA11. 2. Harbeck N et al.: Predictive impact of biomarkers on pCR and survival after de-escalated neoadjuvant T-DM1 with or without endocrine therapy (ET) vs. trastuzumab+ETin HER2+/HR+ early breast cancer: WSG ADAPT TP trial. ESMO Congress 2021, Abstr. #LBA13. 3. Loibl S et al.: Event-free survival, overall survival, and safety of adding veliparib plus carboplatin or carboplatin alone to neoadjuvant chemotherapy in triple-negative breast cancer after ≥ 4 years of follow-up: BrighTNess, a randomized phase 3 trial. ESMO Congress 2021, Abstr. #119O. 4. García-Sáenz JA et al.: Quality of life from the Penelope-B study on high-risk HR/HER2- early breast cancer patients treated with endocrine therapy with or without palbociclib. ESMO Congress 2021, Abstr. #122MO. 28 GYNÄKOLOGIE 5/2021