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BERICHT
800 IE Vitamin D pro Tag reichen nicht
Autokrine und parakrine Wirkungen von lokalem Calcitriol zunehmend wichtig
11. Zürcher Review-Kurs in Klinischer Kardiologie «Vitamin D – nützt oder schadet die Substitution?», Zürich, 11. April 2013
Was für die Osteoporosebekämpfung ausreichend sein mag, ist für die kardiovaskuläre Gesundheit nicht genug, so PD Dr. Bernhard Hess, Innere Medizin und Nephrologie FMH, Zürich.
HALID BAS
Die biologisch aktive Form von Vitamin D, das 1,25(OH)2-Vitamin D (Calcitriol), hat eine Halbwertszeit von wenigen Stunden, die in der Leber gebildete Vorstufe, 25(OH)-Vitamin D (25-OHD), hingegen eine von rund 15 Tagen. Zur Abschätzung der Vitamin-D-Reserven müssen daher immer die 25-OH-DKonzentrationen gemessen werden, wobei nach heutiger Auffassung unterschieden werden soll zwischen normalen Vitamin-D-Reserven (> 75 nmol/l [> 30 ng/ml]), Vitamin-D-Insuffizienz (50–75 nmol/l [20–30 ng/ml]) sowie Vitamin-D-Mangel (<25nmol/l [<20ng/ml]). In der Schweiz haben nach neuesten Daten von Guessous und Mitarbeitern nur gerade 25,3 Prozent der Bevölkerung einen normalen 25-OH-D-Spiegel. 36,5 Prozent zeigen eine Vitamin-DInsuffizienz und 38,2 Prozent einen manifesten Vitamin-D-Mangel. Für diese verbreitete Mangelsituation sind zwei Faktoren verantwortlich. Einerseits ist die Versorgung aus der Ernährung mit nur etwa 5 Prozent sehr gering, andererseits ist die Sonnenexposition der Haut aus geografischen Gründen (Wintermonate) und wegen der Sonnenschutzmassnahmen im Hin-
blick auf Hauttumoren bei Weitem nicht ausreichend.
Renales und lokales Calcitriol Nur etwa 5 Prozent des in der Leber gebildeten 25-OH-D werden durch die renale Alpha-Hydroxylase substratunabhängig in Calcitriol umgewandelt. Dieses klassische Calcitriol sichert die für Knochen- und Kalziumstoffwechsel wichtigen Vitaminfunktionen. Zu rund 80 Prozent wird 25-OH-D hingegen im Gewebe, unter anderem in Endothel, glatten Gefässmuskelzellen, Haut und Pankreas, substratabhängig durch nicht renale Hydroxylasen in Calcitriol umgewandelt. Dieses lokale Calcitriol hat zahlreiche, aber noch ungenügend erforschte autokrine und parakrine Wirkungen. Ein Mangel an lokalem Calcitriol geht beispielsweise mit gehäuftem Diabetes mellitus, Stimulation des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, Störungen der Immunabwehr, verminderter antitumoraler Aktivität und geringerer Muskelkraft einher. Aus epidemiologischen Studien geht hervor, dass Vitamin-D-Mangel die gesamte und die kardiovaskuläre Mortalität sowie die Häufigkeit von Karzinomen und respiratorischen Erkrankungen erhöht.
Der optimale 25-OH-D-Serumspiegel «Konsistent und über alle Wirkungen von Vitamin D hinweg erscheint das Erreichen einer 25-OH-Vitamin-D-Serumkonzentration zwischen 75 und 110 nmol/l am vorteilhaftesten», erklärte Bernhard Hess. Da zum Erzielen solcher Serumspiegel Sonnenschein und Ernährung nicht ausreichen, stellt sich die Frage, welche Vitamin-D-Supplementation optimal ist. Hierzu gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Im Vergleich zwischen 2000 IE und 800 IE pro Tag bei alten Patientin-
nen führte die höhere Dosierung zu einer Abnahme der Rehospitalisationen im ersten Jahr nach Hüftfraktur um 39 Prozent, zu einer Reduktion von sturzassoziierten Verletzungen um 60 Prozent und zu einer Minderung schwerer Infektionen mit Rehospitalisation um 90 Prozent. Bei alten Patienten kann man somit 2000 IE/Tag befürworten. Zahlreiche Untersuchungen haben zudem ergeben, dass tägliche Vitamin-D-Dosen bis 4000 IE auch in Schwangerschaft und Stillzeit gefahrlos sind. Die Verabreichung von 500 000 IE einmal pro Jahr gilt hingegen heute als obsolet, da sie bei Frauen über 70 Jahre zu gehäuften Stürzen und Frakturen geführt hat.
Keine Angst vor 2000 IE pro Tag
«Zur Sicherstellung der klassischen und
vor allem der zunehmend wichtigeren
nicht klassischen Vitamin-D-Funktio-
nen empfiehlt sich aus meiner Sicht eine
tägliche Dosis von 2000 IE Vitamin D,
um den optimalen 25-OH-D-Serum-
spiegel zu erreichen», betonte Bernhard
Hess. Bei einem dokumentierten Vit-
amin-D-Mangel sollte eine Auffüllung
der Vitamin-D-Speicher mit 50 000 IE
während 8 Wochen (oder eine einma-
lige i.m.-Injektion von 300 000 IE) er-
folgen. Daran hat sich eine Erhaltungs-
therapie anzuschliessen, zum Beispiel
mit 1 × 15 000 IE pro Woche. Eine Über-
prüfung der Serum-25-OH-D-Kon-
zentration soll nach 3 bis 6 Monaten
erfolgen.
O
Halid Bas
Guessous I et al.: Vitamin D levels and associated factors: a population based study in Switzerland. Swiss Med Wkly 2012; 142: w13719. Bischoff-Ferrari H, Stähelin HB: Vitamin-D- und Kalziumsupplementation – Neue Richtlinien und Public-HealthAspekte. Schweiz Med Forum 20111; 11: 930–936.
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