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KOMMENTAR
Vergleich von pflanzlichen Arzneimitteln mit synthetischen Wirkstoffen
Ich erinnere mich noch gut an die Aussage eines Arztes, der als strammer Gegner der Phytotherapie bekannt war: «Ich habe ja eigentlich gar nichts gegen Phytotherapie. Aber ich bin einfach dagegen, dass diese pflanzlichen Medikamente ohne wirklich aussagekräftige Studien registriert werden können und dann auch noch von der Grundversicherung bezahlt werden.» Eine ähnliche Haltung vertreten zahlreiche, vor allem aus den USA stammende Studien, die Positivstudien kritisieren, die die Wirksamkeit von pflanzlichen Arzneimitteln dokumentieren. Die entsprechenden Stellen sind oft fast wörtlich gleich und behaupten, solche Positivstudien stammten vorwiegend aus Deutschland und entsprächen nicht dem heutigen Standard für klinische Studien. Die Zahl der Probanden sei zu klein, die Methode nicht genau überprüfbar, und die Studien würden oft von Personen mit einer für die Phytotherapie einseitig positiven Haltung durchgeführt, was die Resultate verfälsche. Offensichtlich ist es kein Hindernis für die Glaubwürdigkeit einer Studie über die Wirksamkeit eines pflanzlichen Arzneimittels, wenn diese von einem Autor veröffentlicht wird, der seine Geringschätzung pflanzlicher Arzneimittel immer wieder publik macht! Aber man soll sich ja nicht über die Gegner beschweren, sondern seine eigene «Ware» gut verkaufen! Im vorliegenden Heft kann man vier Artikel lesen, bei denen pflanzliche Arzneimittel mit synthetischen verglichen werden. Dreimal geht es um die Wirksamkeit, einmal um die Sicherheit beziehungsweise um die Nebenwirkungen. Drei dieser Artikel zeigen die Gleichwertigkeit von pflanzlichen Arzneimitteln im Vergleich mit einem synthetischen Standardpräparat bei entsprechenden Beschwerden und belegen die bessere Verträglichkeit des pflanzlichen Arzneimittels. Der vierte
Artikel basiert auf einer Studie, die ein genau gleiches Resultat aufzeigte wie die Studien in den drei andern Artikel. Bei der Neuauswertung der Resultate dieser Studie zeigte sich wiederum eine deutlich bessere Verträglichkeit als das beim synthetischen Präparat der Fall war. Alle Autoren dieser Studien sind international anerkannte Fachleute, die neben ihrem Engagement für die Phytotherapie auch herkömmliche Forschung betreiben und die Ergebnisse publizieren. Und diesen Wissenschaftlern die Fähigkeit abzusprechen, mit pflanzlichen Arzneimitteln wissenschaftliche Studien durchzuführen, die dem internationalen Standard entsprechen, ist eine unhaltbare Unterstellung! Die Phytotherapie scheint mir oft mit denselben Problemen konfrontiert zu sein, mit denen heute viele Frauen immer noch zu kämpfen haben. Die von Frauen erbrachten Leistungen müssen deutlich besser sein als diejenigen von männlichen Konkurrenten, damit sie als gleichwertig angesehen werden. Und Fehler werden bei Frauen viel mehr gewichtet als bei Männern! Bei zwei gleichwertigen Studien werden die Resultate der phytotherapeutischen Studie oft als zu wenig aussagekräftig bezeichnet, nicht aber die Resultate der Studie, bei der die Wirksamkeit eines synthetischen Wirkstoffes untersucht wird. Diese gelten dann als Beleg für die Wirksamkeit des synthetischen Wirkstoffes! Und warum wird die durch alle Studien erkennbare, bessere Verträglichkeit des pflanzlichen Arzneimittels nicht gewürdigt beziehungsweise das entsprechende pflanzliche Arzneimittel nicht als therapeutische Alternative zu synthetischen Behandlungen bezeichnet? Einer der vielen wunderbaren, angeblich von Albert Einstein formulierten Sprüche lautet: Es ist einfacher, einen Atomkern zu zerstören als ein Vorurteil. Und dass das eben oft auch in
der sogenannten objektiven und vorur-
teilslosen Wissenschaft der Fall ist, wissen
wir ja bestens, natürlich nicht nur in Bezug
auf die Phytotherapie! Und solche Vorur-
teile gegenüber der Phytotherapie sind lei-
der in den USA noch viel mehr verbreitet
als in Europa. Und das ist ein plausibler
Grund für die amerikanischen Negativstu-
dien, die in den Literaturreferenzen auch
nur Negativstudien zitieren beziehungs-
weise Positivstudien in der oben beschrie-
benen Weise bewerten.
Und die deutschen Studien? In Deutsch-
land und den andern deutschsprachigen
Ländern hat die Phytotherapie immer noch
eine Tradition. Die wissenschaftliche For-
schung greift die volksmedizinische Über-
lieferung auf und überprüft diese mit den
modernsten wissenschaftlichen Metho-
den. Wissenschaftler in Deutschland,
Österreich und der Schweiz haben die Be-
reitschaft und die Erfahrung, phytothera-
peutische Studien durchzuführen und vor-
urteilslos zu interpretieren!
Die Tabelle zeigt eine Auswahl von Studien,
bei denen in der Schweiz registrierte
pflanzliche Arzneimittel mit synthetischen
Standardpräparaten verglichen wurden.
Wenn man diesen Präparaten trotzdem die
Wirksamkeit absprechen will, dann muss
man das auch gleichzeitig für die ent-
sprechenden synthetischen Präparate ma-
chen, ... sofern man wissenschaftlich blei-
ben will!
N
Dr. C. Bachmann
Referenzen:
1. Sökeland J.: Combined sabal and urtica extract compared with finasteride in men with benign prostatic hyperplasia: analysis of prostate volumen and therapeutic outcome, BJU International 2000; 86: 439–442.
2. Engelmann U. et al.: Efficacy and Safety of a Combination of Sabal and Urtica Extract on Lower Urinary Tract Symptoms, Arzn-Forsch/Drug Res 2006(3); 56: 222–229.
6/2013
thema PHYTOTHERAPIE
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