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Rubriken — POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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XUNDHEIT IN BÄRN

POLITFORUM

Ritalin-Abgabe

MOTION vom 20.6.2013
Erich von Siebenthal Nationalrat SVP Kanton Bern
Der Bundesrat wird beauftragt, verbindliche Zahlen zu erheben, wie viele Kinder und Jugendliche mit Ritalin, Concerta und ähnlichen Psychopharmaka behandelt werden, um ein gewünschtes Verhalten zu erzielen. Weiter ist die Öffentlichkeit über die schädlichen Nebenwirkungen dieser Präparate in objektiver Weise zu informieren und auf andere Möglichkeiten hinzuweisen.

Begründung Ritalin und Concerta sind nicht nur Arzneimittel, sondern auch als Betäubungsmittel eingestuft. Deshalb sind laut Bundesamt für Gesundheit die Anwendenden, die Verschreibenden und die Abgebenden (Ärzte und Apotheker) zur Buchführung verpflichtet, und der Weg dieser Medikamente kann genau verfolgt werden. Hersteller und Vertreiber müssen Swissmedic Abzüge der Lieferscheine abgeben sowie über den Verkehr mit Betäubungsmitteln berichten. Daher kann ermittelt werden, welche Mengen an wen verschrieben wurden. Da für diese Erhebung keine Patientendaten offengelegt werden müssen, wird das Patientenrecht (Geheimhaltung) nicht verletzt. Anhand dieser konkreten Zahlen wird es möglich, allfällige weitere Massnahmen zu bestimmen. Ritalin und Concerta sind als Betäubungsmittel klassifiziert, und gemäss Studie der Vereinten Nationen wird diesen Psychopharmaka ein erhöhtes Suchtpotenzial attestiert.

Obwohl Methylphenidat unter gewissen Umständen beruhigend wirkt, ist es gleichzeitig ein potentes Stimulans, welches auch als Strassendroge unter dem Namen Kiddie-Koks gehandelt wird. Bei der Einnahme von Ritalin und Concerta können ernste Nebenwirkungen auftreten. Man kann, wie der Hersteller einräumt, davon abhängig werden. Im Juni 2005 veröffentlichte die US Food and Drug Administration eine Reihe von Warnungen, wonach Ritalin und ihm verwandte Substanzen visuelle Halluzinationen, Selbstmordgedanken, psychotisches Verhalten sowie Aggressionen oder gewalttätiges Verhalten auslösen können. Seit 2011 warnt auch Swissmedic auf ihrer Website: «Auch zu psychiatrischen Störungen kann es kommen, wie Angst und Schlaflosigkeit, oder zu Gedanken von Lebensüberdruss und Todeswünschen (Suizidgedanken). Suizidales Verhalten kann verstärkt oder auch ausgelöst werden.» Eltern müssen über dieses Gefahrenpotenzial informiert werden.

Stellungnahme des Bundesrates vom 28.8.2013

Die zunehmende Verschreibung von methylphenidathaltigen Arzneimitteln wie Ritalin, Concerta oder ähnlichen Psychopharmaka zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) führt zu kontroversen Diskussionen in Gesellschaft und Politik. Im Vordergrund steht dabei die grundsätzliche Frage, ob die Verschreibung von Psychopharmaka an Kinder und Jugendliche mit ADHS angemessen ist. In der Fachschaft dreht sich die Auseinandersetzung weniger um die Wirksamkeit und Angemessenheit der Behandlung an sich als um die Frage, wie und unter welchen Umständen ein methylphenidathaltiges Arzneimittel ein wirksames Therapeutikum darstellt. Dabei besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Verschreibung von methylphenidathaltigen Arzneimitteln in der Regel in eine psychotherapeutische Behandlung eingebettet sein sollte. Methylphenidat ist die am weitesten verbreitete Substanz für die medikamentöse Behandlung von ADHS. Die Wirksamkeit dieser Behandlung konnte in mehreren klinischen Studien nachgewiesen werden. Zur Überprüfung der Verschreibungspraxis beauftragte das Bundesamt für Gesundheit die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), eine Analyse der Verschreibung auf der Grundlage der Daten der Kosten-Leistung-Statistik der sozialen Krankenversicherung durchzuführen. Dabei wurden

Daten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von drei Schweizer Krankenversicherungen über die Jahre 2005 bis 2008 ausgewertet. Die Analyse der ZHAW aus dem Jahr 2012 ergibt folgendes Bild: Der Anteil an Kindern und Jugendlichen bis zu 18 Jahren, denen methylphenidathaltige Arzneimittel verschrieben wurden, ist in der Schweiz zwischen 2005 und 2008 von 0,61 Prozent auf 0,85 Prozent gestiegen. Der Anteil der Zwölfjährigen ist am höchsten, mit steigendem Alter nehmen die Verschreibungen ab. Knaben werden bedeutend häufiger als Mädchen mit methylphenidathaltigen Arzneimitteln behandelt. Bei drei Vierteln aller Bezügerinnen und Bezüger liegt die geschätzte Einnahmedauer unter einem Jahr. Konkrete Hinweise, dass methylphenidathaltige Arzneimittel nicht gemäss den Fachinformationen der Swissmedic verschrieben werden, liegen nicht vor. Wie der Motionär ausführt, ist es im Grundsatz möglich, den Weg dieser Arzneimittel zu verfolgen. In der Praxis würde jedoch das Anliegen der Motion, «verbindliche» Zahlen zu beschaffen, eine in personeller und finanzieller Hinsicht ausgesprochen aufwendige und zeitintensive Untersuchung bei der Ärzteschaft, den Krankenversicherern und den Apotheken in der Schweiz bedingen. Ob die dafür notwendige Kooperationsbereitschaft aller involvierten Stellen angesichts des immensen Aufwandes vorhanden wäre,

muss bezweifelt werden. Zudem sind die Zuständigkeiten und Kontrollprozesse in den Kantonen unterschiedlich geregelt. Aus Gründen der Verhältnismässigkeit zwischen Ressourceneinsatz und möglichem Erkenntnisgewinn hält der Bundesrat eine solche Untersuchung für nicht zielführend und beantragt die Ablehnung der Motion. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Bereitschaft, bis Ende 2014 einen Bericht in Erfüllung der Postulate Fehr Jacqueline «Studie zur Medikamentenabhängigkeit und zur Bedeutung der Medikamente als ‹smart drugs›», Ingold Maja, «Human Enhancement. Hirndoping» und «Verschreibung und Anwendung von leistungssteigernden Substanzen» zu erstellen. Dieser Bericht wird unter anderem die Verschreibung von methylphenidathaltigen Arzneimitteln zum Gegenstand haben. Dabei wird auch geprüft werden, welche Voraussetzungen geschaffen werden könnten, um die Verschreibungspraxis systematisch und langfristig sowie mit einem verhältnismässigen Ressourcenaufwand zu verfolgen.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

1210

ARS MEDICI 24 I 2013

POLITFORUM

Gleichbehandlung von Medikamenten und Immunologika beim Import aus dem Ausland

MOTION vom 19.6.2013
Yvonne Gilli Nationalrätin Grüne Kanton St. Gallen
Der Bundesrat wird beauftragt, die Arzneimittel-Bewilligungsverordnung (AMBV) für die Einfuhr von in der Schweiz nicht zugelassenen Einzelimpfstoffen wie folgt zu ändern: Artikel 32 Bewilligung für die Einzeleinfuhr 1. Wer Blut und Blutprodukte in die Schweiz
einführt, bedarf für jede einzelne Sendung eine Bewilligung für die Einzeleinfuhr. 2. Keine Bewilligung ist erforderlich für die Einzeleinfuhr von Blut oder Blutprodukten, wenn diese: a. in medizinischen Notfallsituationen oder zur Eigenbluttransfusion eingeführt werden oder

b. nicht zur Anwendung am Menschen bestimmt sind.
Artikel 32a (neu) Meldung für die Einzeleinfuhr immunologischer Arzneimittel 1. Wer immunologische Arzneimittel in die
Schweiz einführt, muss jede einzelne Sendung für die Einzeleinfuhr beim Institut melden. 2. Eine Bewilligung ist erforderlich, wenn die immunologischen Arzneimittel nicht zur Anwendung am Menschen bestimmt sind.
Artikel 33a (neu) Voraussetzungen für die Meldung Die Person, die eine Bewilligung nach Artikel 32a (neu) Absatz 1 beantragt, muss nachweisen, dass: a. sie über eine Bewilligung für die Einfuhr
verwendungsfertiger Arzneimittel verfügt b. die Arzneimittel, sofern es sich um verwen-
dungsfertige handelt, auf ihren Namen zugelassen sind c. sie die Verantwortung für die sichere und rechtmässige Vermittlung der Arzneimittel übernimmt

d. die Arzneimittel nach anerkannten Regeln der Guten Herstellungspraxis (GMP) und der Guten Vertriebspraxis (GDP) hergestellt und vermittelt wurden.
Begründung Als Folge der ersten Etappe der Teilrevision des HMG wurde auf Verordnungsebene eine Ungleichbehandlung bei der Einfuhr von Medikamenten beschlossen, indem die Einfuhr von Immunologika einer Bewilligungspflicht durch Swissmedic unterworfen wurde. So sind zum Beispiel Einzelimpfstoffe, wie die Impfung gegen Röteln, die wegen eines zu kleinen Absatzmarktes in der Schweiz vom Markt genommen wurden, für praktizierende Ärzte nur noch über kostenpflichtige Einzelbewilligungen importierbar. Diese Ungleichbehandlung wurde vom Gesetzgeber weder thematisiert, noch war sie gewünscht. Sie führt unter anderem zu Problemen bei der Arzneimittelsicherheit beim rezeptierten Direktbezug durch Patienten in einer grenznahen Apotheke. Die ununterbrochene Kühlkette ist dabei nicht gewährleistet. Die Marktbeobachtung kann durch eine Meldepflicht sichergestellt werden.

Stellungnahme des Bundesrates vom 13.9.2013

Zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier müssen Arzneimittel im Grundsatz durch das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic geprüft und zugelassen werden (Zulassungspflicht). Die Zulassungsverfahren sind dabei risikobasiert abgestuft. Immunologika sowie Blut und Blutprodukte nehmen eine Sonderstellung ein, da sie mit hohen gesundheitlichen Risiken behaftet sind. Der Gesetzgeber hat - wie international üblich – für diese Arzneimittel besonders hohe Anforderungen an die Qualitätssicherung gestellt und sie einer erhöhten Kontrolle unterworfen, wie beispielsweise – zusätzlich zum Zulassungsverfahren – einer behördlichen Chargenfreigabe. Die Bewilligungspflicht für die Einfuhr von immunologischen Arzneimitteln sowie für Blut und Blutprodukte folgt dieser Logik. Ausnahmen sind ausschliesslich für die Einzeleinfuhr von Blut und Blutprodukten zur Anwendung am Menschen in medizinischen Notfallsituationen oder für Eigenbluttransfusionen vorgesehen. Eine solche Ausnahmesituation ist zum Beispiel der als medizinischer Notfall

eingestufte Import von Blutprodukten im Rahmen eines grenzüberschreitenden Patiententransportes. Aufgrund des erhöhten Risikoprofils bei Immunologika gilt im Grundsatz das Gleiche wie für Blut und Blutprodukte, allerdings gibt es keine vergleichbaren Ausnahmesituationen. Einzelimpfstoffe werden überwiegend präventiv eingesetzt. Die vorgeschlagene Aufhebung der Bewilligung für die Einzeleinfuhr zugunsten einer blossen Meldung an Swissmedic steht im Widerspruch zu den hohen Anforderungen an die Qualitätssicherung. Zwar würde die behördliche Chargenfreigabe von zugelassenen Impfstoffen und somit eine gewisse Qualitätskontrolle weiterhin bestehen bleiben. Gleichzeitig wäre aber die Qualitätssicherung bei der Einfuhr dieser Einzelimpfstoffe ohne Bewilligung nur sehr schwer – wenn überhaupt – zu gewährleisten. So entsteht durch eine unsachgemässe Lagerung und Handhabung bei der Einfuhr das Risiko, dass der Degradierungsprozess beschleunigt wird und die Impfstoffe somit an Aktivität einbüssen. Zudem würde durch die bewilligungsfreie Einfuhr über Ver-

triebsfirmen in der Schweiz erstmals der Grosshandel mit nicht zugelassenen Arzneimitteln erlaubt. Diese Praxisänderung würde die legale Lieferkette für nicht zugelassene Arzneimittel öffnen und damit beispielsweise die Gefahr von gefälschten Arzneimitteln in diesem bisher sicheren Vertriebskanal ansteigen lassen. Gleichzeitig haben Kombinationsimpfstoffe im schweizerischen Impfplan einen hohen Stellenwert, da sie die Zahl der Injektionen reduzieren und bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit gut dokumentiert sind. Für die Routineimpfungen sind sie deshalb am besten geeignet. Das von der Motionärin vorgeschlagene Meldeverfahren für Einzelimpfstoffe würde damit insgesamt sowohl die Arzneimittelsicherheit als auch die Anwendungssicherheit und die Marktüberwachung schwächen. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt.

ARS MEDICI 24 I 2013 1211