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Titel
Rechtssicherheit bei Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf – Cannabisprodukten
Untertitel
-
Lead
Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, wie die verschiedenen Formen der Hanfplanze (Cannabis) wirtschaftlich besser nutzbar gemacht und wie eine zeitgemässe und umfassende Cannabis-Regulierung erlassen werden könnte (inklusive Gesundheits-, Lebensmittel-, Kosmetik-, Arzneimittel-, Strassenverkehrs-, Tabakprodukte- und Zollrecht). Das Ziel soll sein, mehr Rechtssicherheit und einen schweizweit einheitlicheren Vollzug betreffend Produktion,
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-
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POLITFORUM: XUNDHEIT IN BÄRN
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56779
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POLITFORUM

Xundheit in Bärn

POSTULAT  vom 18.3.2021
Rechtssicherheit bei Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf/Cannabisprodukten

Thomas Minder
Fraktion der Schweizerischen Volkspartei parteilos Kanton Schaffhausen
Eingereicht im Ständerat
Der Bundesrat wird beauftragt, zu prüfen und in einem Bericht darzulegen, wie die verschiedenen Formen der Hanfplanze (Cannabis) wirtschaftlich besser nutzbar gemacht und wie eine zeitgemässe und umfassende Cannabis-Regulierung erlassen werden könnte (inklusive Gesundheits-, Lebensmittel-, Kosmetik-, Arzneimittel-, Strassenverkehrs-, Tabakprodukte- und Zollrecht). Das Ziel soll sein, mehr Rechtssicherheit und einen schweizweit einheitlicheren Vollzug betreffend Produktion, Handel und Gebrauch von Hanf/Cannabis-Produkten zu erlangen. Dabei soll auch rechtsvergleichend aufgezeigt werden, wie die Erfahrungen anderer Staaten wie bspw. der USA oder Kanadas sind, die den Cannabisgebrauch liberalisiert haben.
Begründung Die derzeitige Schweizer Cannabis-Regulierung beschränkt sich primär auf das Betäubungsmittelgesetz und das Strafrecht; es atmet bis heute den Geist der Prohibition seit den 1960er Jahren. Während sich die Drogenpolitik betreffend härtere Substanzen mit der Vier-Säulen-Strategie (Prävention, Repression, Schadensminderung und Therapie) der 1990er Jahre konsolidiert und etabliert hat, fehlt demgegenüber bis heute eine nachhaltige und umfassende Cannabis-Politik. In den letzten Jahren wurden zwar einige punktuelle Änderungen getätigt (Ordnungsbussen, ärztliche Abgabe als Medikament). Ganz allgemein herrscht im Bereich Produktion, Handel und Konsum von Hanf-Produkten aller Art (Kosmetika, Lebensmittel, Arzneimittel, rekreativer Konsum) aber weiterhin grosse Rechtsunsicherheit und ebenso ein äusserst uneinheitlicher kantonaler Vollzug, ja geradezu Willkür (vgl. Michael Herzig/ Frank Zobel/Sandro Cattacin, Cannabispolitik, Zürich 2019).

Derzeit laufen im Bereich Cannabis weltweit diverse Reformbestrebungen in Richtung einer Aufhebung der Prohibition. So ist in vielen Bundesstaaten der USA der Cannabismarkt komplett durchreguliert worden (in bereits 15 der 50 US-Staaten ist Cannabis ab 21 Jahren legalisiert, in ebenso vielen weiteren US-Staaten der Besitz entkriminalisiert), andere Länder ziehen mit verschiedenen Regulierungsmodellen nach (Uruguay, Kanada). Parallel wurden unterschiedlich strenge Präventions- und Kontrollmassnahmen eingeführt, finanziert durch die Besteuerung der Produkte. Staatliche Massnahmen können in einem regulierten Markt gerade wegen der breiten Steuerungsmöglichkeiten gezielter und wirkungsvoller eingesetzt werden (10 Jahre Betäubungsmittelgesetz BetmG. Überlegungen für die Zukunft, Bericht EKSF 2019). In diesem Sinne schlägt auch die Eidgenössische Kommission für Suchtfragen (EKSF) zumindest eine Revision derjenigen Teile im BetmG vor, die sich auf Cannabis beziehen. Der Umgang mit Cannabis müsse ganz grundsätzlich neu geregelt werden. Die EKSF geht davon aus, dass eine Marktkontrolle die gesundheitlichen Risiken der Konsumierenden verringert, indem die Konzentration und Inhaltsstoffe der gehandelten Substanzen reglementiert und überprüft werden sowie Bestimmungen zum Konsum (Mindestalter, Höchstmenge, Verkaufsmöglichkeiten usw.) erlassen werden können. Mit einer zweckgebundenen Besteuerung der Cannabisprodukte könne die Finanzierung bereits heute notwendiger Präventionsund Gesundheitsmassnahmen gesichert werden. Eine Neuregulierung von Cannabis müsse auf die gesamte Produktionskette fokussieren (Produktion, Handel, Verkauf, Konsum, Qualitätskontrollen und Besteuerung). Mit differenzierten Regulierungen liessen sich gesundheitsschädigende Konsumformen verringern. Einschränkende Massnahmen seien dort zu ergreifen, wo unbeteiligte Dritte oder vulnerable Gruppen (z. B. Kinder, bevormundete Personen) durch den Konsum gefährdet werden (Bericht EKSF 2019). Nachdem vor bald 20 Jahren der letzte Versuch einer gesamtheitlichen Regulierung des Cannabis-

Foto: Ryan Lange, unsplash

marktes gescheitert ist, soll nun dasThema erneut geprüft werden. Dies zumal in den letzten Jahren eine breite Palette von CBD-Produkten (Wirkstoff Cannabidiol) – von Kosmetika über Lebensmittel bis hin zu Rauchwaren – eine starke Verbreitung gefunden hat. Die EKSF hat in den letzten Jahren detaillierte Studien zum Betäubungsmittelgesetz im Allgemeinen und zur Cannabispolitik im Speziellen publiziert. Darauf fussend – und mit zusätzlichem Blick auf die volkswirtschaftlichen Potenziale von Hanf – soll nun auch die politische Diskussion aufgenommen werden.
Stand der Beratungen: Angenommen

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Xundheit in Bärn

POLITFORUM

STELLUNGNAHME DES BUNDESRATES VOM 19.5.2021

Das Parlament hat die Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG; SR 812.121) betreffend wissenschaftliche Pilotversuche mit Cannabis am 25. September 2020 und betreffend die Aufhebung des Verbots von Cannabis zu medizinischen Zwecken am 19. März 2021 verabschiedet. Somit sind die politischen Weichen für die nächsten Jahre gestellt worden. Diese Gesetzesänderungen schaffen die gesetzliche Grundlage für die Erprobung neuer Wege im Umgang mit der Cannabisproblematik und führen eine klare Trennung zwischen der medizinischen und nichtmedizinischen Verwendung ein. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wird die Pilotversuche auswerten sowie die Gesetzesänderung betreffend Cannabisarzneimittel evaluieren. Dazu gehört auch, dass die Entwicklung in anderen Staaten beobachtet und kontinuierlich ausgewertet wird. Darauf basierend wird der Bundesrat allenfalls weitere Schritte vorschlagen. Die vom Postulanten in der Begründung erwähnten Expertenberichte der ehemaligen Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen (EKSF) zum Betäubungsmittelgesetz und zu Cannabis sind bereits in den Bericht in Erfüllung des Postulats 17.4076 Rechsteiner Paul «Perspektiven der schweizerischen Drogenpolitik» eingeflossen. Dieser Bericht wurde am 28. April 2021 vom Bundesrat verabschiedet (www.bag.admin.ch >

Strategie & Politik > Politische Aufträge & Aktionspläne > Drogenpolitik > Perspektiven der Drogenpolitik bis 2030 > Dokumente > Perspektiven der schweizerischen Drogenpolitik). Er zeigt den weiteren drogenpolitischen Handlungsbedarf für die nächsten zehn Jahre auf. Von den betäubungsmittelrechtlichen Fragen zu unterscheiden ist die Frage der Verwendung von Nutzhanf mit einemTHC-Gehalt von weniger als 1 Prozent. Hier gibt es vielseitige Anwendungspotenziale u. a. im Lebensmittel-, Kosmetikoder Tabakproduktebereich. Diesbezüglich braucht es aber weder einen neuen Bericht noch neue gesetzliche Rahmenbedingungen. Mit der 1-Prozent-THC-Grenze hat die Schweiz bereits weitergehende Möglichkeiten als andere Länder geschaffen, um die wirtschaftlichen Potenziale von Hanf zu nutzen. Für die Anwendung von Hanf kommen die entsprechenden Spezialgesetzgebungen zur Anwendung. Insbesondere gelten für diese Produkte in der Schweiz je nach Einstufung namentlich folgende Gesetzgebungen, wenn a) sie als Arzneimittel angeboten werden das Heilmittelgesetz (SR 812.21) und die Arzneimittelverordnung (SR 812.212.21); b) sie als Lebensmittel, Kosmetika oder Gebrauchsgegenstände angeboten werden das Lebensmittelgesetz (SR 817.0) und die Lebens-

mittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (SR 817.02); c) sie als Chemikalien angeboten werden das Chemikaliengesetz (SR 813.1) und die Chemikalienverordnung (SR 813.11); d) sie als Tabakersatzprodukte angeboten werden die Tabakprodukteverordnung (SR 817.06) und das Tabaksteuergesetz (SR 641.31); e) sie als andere Produkte angeboten werden das Produktesicherheitsgesetz (SR 930.11). Weitere Informationen dazu finden sich in dem Merkblatt für die Vollzugshilfe zu Hanfprodukten und Cannabidiol (CBD) der technischen Plattform für Abgrenzungsfragen BAG, BLV, BLW und Swissmedic unter: www.swissmedic. ch > Services und Listen > Abgrenzungsfragen > Produkte mit Cannabidiol (CBD) - Überblick und Vollzugshilfe. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mit den vom Parlament kürzlich beschlossenen Änderungen des BetmG bereits ein neuer, evidenzbasierter Weg im Umgang mit Cannabis eingeschlagen wurde, wie im Bericht des Bundesrats in Erfüllung des Postulats 17.4076 Rechsteiner Paul dargelegt wird. Die rechtlichen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Nutzung von nicht-berauschendem Hanf sind dagegen in den jeweiligen Spezialgesetzgebungen geregelt. Ein Bericht würde diesbezüglich derzeit keine neuen Erkenntnisse liefern.

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