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Management intermenstrueller Blutungen bei jungen Frauen
FORTBILDUNG
Bei vielen Frauen treten gelegentlich Zwischenblutungen oder postkoitale Blutungen auf. In einem Übersichtsartikel haben britische Wissenschaftler den aktuellen Wissensstand zu den Ursachen, zur Evaluierung und zum Management intermenstrueller Blutungen bei jungen Frauen zusammengefasst.
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Nicht menstruell bedingte oder postkoitale Blutungen sind bei jungen Frauen ein häufiger Grund für einen Arztbesuch. Intermenstruelle Blutungen lösen oft Ängste aus, da sie neben harmlosen Ursachen auch auf gynäkologische Krebserkrankungen wie Zervix- oder Endometriumkarzinome hinweisen können. Die Ursachen der Zwischenblutungen variieren mit dem Alter. Bei Frauen unter 35 Jahren stehen sie oft im Zusammenhang mit hormonellen Kontrazeptiva. Maligne Ursachen sind in jüngerem Alter eher selten.
Intermenstruelle Blutungen Aus Beobachtungsstudien geht hervor, dass bei etwa 25 Prozent aller Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter Myome im Uterus vorhanden sind. Ungefähr 50 Prozent dieser muskulären Wucherungen sind mit Symptomen wie schweren oder unregelmässigen Blutungen verbunden. Die Grösse der Myome variiert zwischen ein paar Millimetern und der Grösse eines Fussballs. Maligne Entartungen von Myomen sind mit etwa 0,5 bis 3,3 Fällen pro 100 000 symptomatische Frauen pro Jahr sehr selten. Endometriale Polypen sind eine weitere häufige gutartige Ursache intermenstrueller Blutungen. Diese Schleimhautwucherungen können eine Länge von mehreren Zentimetern
Merksätze
O Zwischenblutungen treten oft im Zusammenhang mit hormoneller Verhütung oder postkoital auf.
O Häufige Ursachen sind Polypen, Myome oder Endometriose.
O In seltenen Fällen weisen Zwischenblutungen auf eine Krebserkrankung hin.
O Das Risiko für benigne Läsionen und Krebserkrankungen nimmt mit dem Alter zu.
erreichen und sind ebenfalls oft mit schweren Menstruationsblutungen oder/und Zwischenblutungen assoziiert. Auch das maligne Potenzial von Polypen ist gering. Aus einem systematischen Review mit Metaanalyse geht hervor, dass die Krebsinzidenz in Verbindung mit Polypen bei Frauen im gebärfähigen Alter lediglich 1,7 Prozent und bei postmenopausalen Frauen 5,4 Prozent beträgt. Bei vielen Frauen kommt es in der Perimenopause zu unregelmässigen Blutungen, was vermutlich auf hormonelle Schwankungen zurückgeführt werden kann. Da die Inzidenz von Endometriumkarzinomen ab einem Alter von 40 Jahren stark zunimmt, sollten Zwischenblutungen bei perimenopausalen Frauen immer abgeklärt werden. Zu weiteren Ursachen von Zwischenblutungen gehören entzündliche Reaktionen auf Kupfer-Intrauterinpessare, vor allem, wenn diese nicht korrekt platziert sind, und Infektionen mit Chlamydien, Gonorrhö- oder anderen sexuell übertragbaren Erregern.
Postkoitale Blutungen In Studien wurden folgende Ursachen postkoitaler Blutungen beobachtet: O Zervixpolypen (5–13%) O Ektopien (34%) O Chlamydieninfektionen (2%) O zervikale intraepitheliale Neoplasien (7–17%) O invasive Zervixkarzinome(0,6–4%).
Bei etwa der Hälfte aller Frauen wird keine Ursache für Blutungen nach dem Koitus gefunden. In Grossbritannien treten Zervixkarzinome vorwiegend bei Frauen im Alter von 25 bis 64 Jahren mit einem Erkrankungsgipfel zwischen 30 und 34 Jahren auf.
Kontrazeptivainduzierte Durchbruchblutungen Beim Beginn mit einem neuen Kontrazeptivum kann es zu Zwischenblutungen kommen, die nach ein paar Wochen oder Monaten ohne Intervention wieder aufhören. Bevor die Zwischenblutung der Verhütung zugeordnet wird, müssen Schwangerschaft und Infektionen ausgeschlossen werden. Zu den häufigsten Ursachen kontrazeptivainduzierter Durchbruchblutungen gehört das Vergessen einzelner Einnahmen. Bei besserer Compliance lassen die Zwischenblutungen dann oft nach. Aus einem systematischen Review geht hervor, dass Präparate mit 20 µg Ethinylestradiol häufiger mit Zwischenblutungen verbunden sind als solche, die 30–35 µg enthalten. In randomisierten Studien waren hormonhaltige Vaginalringe signifikant seltener mit Zwischenblutungen verbunden als die standardmässige orale Verhütung mit einem Kombinationspräparat.
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FORTBILDUNG
Wie werden Zwischenblutungen evaluiert? Meist können potenzielle Ursachen für die Zwischenblutungen bereits im Rahmen der Anamnese identifiziert werden. Da die auslösenden Faktoren über die Lebenszeit variieren, ist die Berücksichtigung des Alters der Patientin von Bedeutung. Der Zeitpunkt der letzten Menstruation gibt Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft, und über die Erfassung der Zykluslänge kann auf Anovulationen geschlossen werden. Häufigkeit, Schwere und Dauer der Zwischenblutung sowie der zeitliche Zusammenhang mit der Menstruation sind ebenfalls von Bedeutung, denn prämenstruelle, postmenstruelle und Mittelblutungen hängen häufig mit zyklischen Veränderungen von Sexualhormonen zusammen. Bestimmte Aspekte der sexuellen Vorgeschichte wie der Beginn einer neuen Beziehung oder vaginaler Ausfluss können auf Infektionen hinweisen. Zudem sollte sich der Arzt nach der Verhütungsmethode und der Compliance erkundigen. Bei regelmässigem Screening sind pathologische Veränderungen der Zervix eher selten. Familiäre Krebserkrankungen kommen ebenfalls selten vor, sollten aber dennoch abgeklärt werden, da in diesen Fällen eine erbliche Anlage für die Entwicklung einer gynäkologischen Krebserkrankung vorliegen kann.
Welche Untersuchungen sind erforderlich? Da Übergewicht häufig mit anovulatorischen Zyklen verbunden ist, sollte im Rahmen der körperlichen Untersuchung darauf geachtet werden. Eine bei der abdominellen Untersuchung gefühlte Wucherung kann auf Myome hinweisen, vor allem, wenn die Patientin unter schweren Menstruationsblutungen leidet. Diese Diagnose kann durch eine bimanuelle Untersuchung gestützt werden. Die wichtigste Untersuchung besteht in der Betrachtung der Vagina und des Muttermunds mit dem Spekulum. Diese Untersuchung ist vor allem zur Feststellung eines Ektropiums der Zervix oder von Karzinomen unerlässlich. Etwa 80 Prozent aller invasiven Zervixkarzinome sind mit blossem Auge zu erkennen. Ergänzend sollte ein Zervixabstrich durchgeführt werden. Bei unnormalem Aussehen des Muttermunds ist sofortige Überweisung an den Gynäkologen erforderlich. Besteht ein Risiko für eine Infektion, wird ein endozervikaler oder ein vaginaler Abstrich vorgenommen. Bei schweren Menstruationsblutungen und Wucherungen sind Myome die wahrscheinlichste Diagnose. Hier ist zur Abklärung eine Ultraschalluntersuchung erforderlich. Zu weiteren Untersuchungen, die nach der Überweisung beim Facharzt durchgeführt werden, gehören die Hysteroskopie und die Magnetresonanztomografie.
Welche Bedeutung hat die Ultraschalluntersuchung? Da bei der manuellen Untersuchung nur schwer zwischen Ovarialzysten und Myomen unterschieden werden kann, ist häufig eine Ultraschalluntersuchung beim Facharzt von Nutzen. Endometriumpolypen können mithilfe von Kochsalzlösung in einer Sonohysterografie sichtbar gemacht werden. Aus einem systematischen Review geht hervor, dass Sensitivität und Spezifität des Ultraschalls zur Identifizierung der Ursachen von Zwischenblutungen mit 48 bis 100 Prozent beträchtlich variieren. Die Sensitivität hängt vermutlich von der Qualität der Studie und den Fähigkeiten des ausführenden Arztes ab.
Wann ist eine Biopsie indiziert? Das Fehlen eines verdickten Endometriums bei der Ultraschalluntersuchung schliesst ernste Erkrankungen wie eine atypische Hyperplasie oder invasive Endometriumkarzinome nicht aus. Allerdings ist Endometriumkrebs bei Frauen unter 40 Jahren wenig wahrscheinlich, sodass meist keine Biopsie erforderlich ist, es sei denn, die abnormale Blutung bleibt trotz angemessener Behandlung bestehen. Da die Häufigkeit dieser Krebserkrankung ab 40 Jahren beträchtlich zunimmt, sollte bei Patientinnen zwischen 45 und 50 Jahren eine Überweisung zur Entnahme einer Gewebeprobe in Betracht gezogen werden; Frauen ab 45 Jahren werden stets überwiesen. Zudem sollte bei allen Frauen über 40 mit gutartigen Veränderungen wie Myomen oder Polypen eine Biopsie durchgeführt werden, da in diesen Fällen auch malignes Gewebe vorhanden sein kann.
Wie wird behandelt?
Bei sekundärer Anämie aufgrund von Zwischenblutungen
werden Eisenpräparate verordnet. Polypen und kleine
Myome können hysteroskopisch, grössere Myome über eine
transzervikale Resektion entfernt werden. In gynäkologi-
schen Kliniken kann bei symptomatischem Ektropium der
Zervix eine Kryotherapie durchgeführt werden. Frauen mit
grösseren Myomen können mit Medikamenten, Emboli-
sation, einem chirurgischen Eingriff oder mit einer Kombi-
nation dieser Massnahmen behandelt werden.
Hormonelle Behandlungen mit Progesteron oder einem Levo-
norgestrel freisetzenden Intrauterinsystem können gelegentlich
ebenfalls von Nutzen sein. Dabei sollte beachtet werden, dass
eine Veränderung der Sexualhormonspiegel zwar eine sympto-
matische Verbesserung bewirkt und zudem Myome schrump-
fen lässt, die Symptome aber beim Absetzen erneut auftreten.
Krebspatientinnen werden an Spezialistenteams überwiesen.
Eine Hyperplasie kann mit Progesteron rückgängig gemacht
werden. Dies ist zudem die Behandlung der Wahl bei Frauen,
die ihre Fertilität wiederherstellen wollen.
Obwohl östrogenhaltige Kombinationspräparate für diese
Indikation nicht zugelassen sind, können sie die Symptoma-
tik der Durchbruchblutungen im Zusammenhang mit aus-
schliesslich progesteronhaltigen Implantaten, injizierbaren
Präparaten oder Intrauterinsystemen verbessern, was ver-
mutlich auf eine Stabilisierung des Endometriums zurück-
geführt werden kann. Die Kombinationsbehandlung wird
zunächst drei Monate lang durchgeführt und bei Bedarf ver-
längert. Die Anwendung ist auf Frauen ohne Kontraindika-
tionen gegenüber Östrogenen beschränkt.
Bleibt die Zwischenblutung nach dreimonatiger Behandlung
mit dem Kombinationspräparat bestehen, wird die Ethinyl-
estradioldosis auf bis zu maximal 35 µg erhöht. Es liegt keine
Evidenz für einen Nutzen durch den Wechsel des Progeste-
rons oder der Progesterondosis vor. Gelegentlich kann dies
jedoch individuell von Nutzen sein.
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Petra Stölting
Quelle: Lumsden MA et al.: Managing unscheduled bleeding in non-pregnant premenopausal women. BMJ2013; 346: f3251. Interessenkonflikte: keine deklariert
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