Transkript
XUNDHEIT IN BÄRN
POLITFORUM
Nachgefragt Diskriminierung von Allgemeinärzten mit zusätzlichem Facharzttitel verhindern!
Olivier Feller, Nationalrat FDP, Kanton Waadt, hatte am 18. Juni 2013 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Titel: «Keine Benachteiligung von Fachärztinnen und Fachärzten für allgemeine innere Medizin mit einem zweiten Facharzttitel». Hier nochmals der Initiativtext: «Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) soll geändert werden, um zu verhindern, dass Fachärztinnen und Fachärzte für allgemeine innere Medizin mit einem zweiten Facharzttitel nicht auf die Liste der ärztlichen Grundversorgerinnen und Grundversorger genommen werden, welche die Versicherer auf der Grundlage von Artikel 41 Absatz 4 KVG erstellen.» (Siehe auch ARS MEDICI Nr. 15+16/2013, Seite 795.) ARS MEDICI wollte von Olivier Feller wissen, welches die Hintergründe für seinen Vorstoss sind.
ARS MEDICI: Herr Feller, steht hinter diesem Vorstoss ein konkreter Fall oder geht es um die Beseitigung eines theoretischen Benachteiligungspotenzials? Olivier Feller: Ich habe über meine Kontakte zu den Waadtländer und den Genfer Ärzten von mehreren konkreten Fällen erfahren, in denen Allgemeinärzte mit einem zusätzlichen Spezialarzttitel – es ging vor allem um Allergologen – von bestimmten Versicherungsmodellen ausgeschlossen wurden. Nicht weil sie unwirtschaftlich gearbeitet hätten, sondern allein wegen der Tatsache, dass sie einen Zusatztitel besassen.
Haben diese Kollegen für allgemeinärztliche Tätigkeiten einen höheren Tarif erhalten? Die Unterscheidung zwischen allgemeinärztlicher und spezialärztlicher Tätigkeit ist im Rahmen des Tarmed und der elektronischen Abrechnung sehr einfach zu treffen. Keiner der Betroffenen hat einen finanziellen Vorteil daraus gezogen, dass er dank seines Zusatztitels besser abrechnen konnte. Im Gegenteil, der zusätzliche Facharzttitel führt sogar eher zu Einsparungen, indem bei den Betroffenen gewisse Dienstleistungen im Rahmen des allgemeinärztlichen Tarifs abgegolten werden und Überweisungen entfallen.
Lässt denn das Gesetz einen Ausschluss mit dieser Begründung zu? Die meisten Juristen sind der Ansicht, dass das gültige Gesetz diese Diskriminierung verbietet.
Hat man mit den Versicherern direkt den Kontakt gesucht? Ja, aber erfolglos.
Dann wäre es ja an der Verwaltung, der kantonalen Gesundheitsdirektion oder dem BAG, dagegen etwas zu unternehmen. In der Verwaltung ist der Wille, das Problem zu lösen, ganz offensichtlich nicht gross. Deswegen ja dieser Vorstoss, der übrigens parallel zu einer «Klage» (nicht in Form einer gerichtlichen Klage, sondern in Form eines Briefs der Ärztegesellschaft des Kantons Genf ans BAG und an BR Alain
Assura hat Hausärzte schon früher verärgert
Radio SRF berichtete im März dieses Jahres über Ärger mit der Krankenkasse Assura. Per 2012 sollten im Hausarztmodell der Assura nur Allgemeinpraktiker, Internisten ohne Spezialisierung und Kinderärzte anerkannt sein. Für Ärzte wie Patienten überraschend war, dass auf einmal auch die Ärzte der SanacareGruppenpraxen nicht mehr dazu zählten (Brief: «Wir informieren Sie in diesem Zusammenhang, dass wir diese Kosten übernehmen, machen Sie jedoch darauf aufmerksam, dass wir in Zukunft unsere neuen Besonderen Versicherungsbedingungen anwenden werden.» Was bedeutete, dass die Rechnungen der entsprechenden Sanacare-Ärztin nicht mehr übernommen würden.) Die Patient(inn)en wurden vor die Wahl gestellt, entweder ihren bisherigen Arzt zu behalten und zum traditionellen Grundversicherungsmodell zu wechseln, oder aber sich für einen anderen Arzt zu entscheiden. Etliche Patient(inn)en beklagten sich darüber, dass diese Einschränkung so kurzfristig angekündigt wurde, dass keine Möglichkeit mehr bestand, die Versicherung rechtzeitig zu wechseln. Beim Ombudsmann der Krankenversicherungen, Rudolf Luginbühl, gingen offenbar zahlreiche Beschwerden ein. Luginbühl: «Fairerweise sollte sie (die Assura) ihre Versicherten so informieren, dass sie mit genügendem Vorlauf reagieren können. Also das Modell oder sogar die Kasse wechseln.» Ebenfalls im Frühjahr dieses Jahres sahen sich die Argomed-Ärzte gezwungen, sich mit der Assura anzulegen. Wie der BLICK berichtet, weigerten sich die Argomed-Netzwerk-Ärzte genau wie die medix-Ärzte in Zürich und Bern, AssuraPatienten aufzunehmen, weil sich die Versicherung weigerte, mit den Netzen Verträge abzuschliessen, und lediglich von deren Vorteilen profitieren wollte. Sogar Paul Rhyn von Santésuisse stellte fest: «Wir haben Verständnis für das Vorgehen der Ärzte. Die Assura profitiert von etwas, woran sie sich nicht beteiligt. Das ist unfair gegenüber den anderen Kassen.» An der Politik der Assura gegenüber den Netzwerken hat sich gemäss Auskunft von Dr.med. Kurt Kaspar, Geschäftsleitungsmitglied der Argomed, nichts geändert.
RA
Berset) geht, in dem dieses Vorgehen einzelner Versicherer gerügt wird und angemahnt wird, es zu stoppen.
Warum haben Sie den Weg über eine parlamentarische Initiative gewählt und nicht beispielsweise eine Motion eingereicht? Die Motion wäre vom Bundesrat beantwortet und abschlägig, d.h. im Sinn einer Empfehlung zur Nichtüberweisung, beantwortet worden; die Sache hätte sich schubladisieren lassen. Bei einer parlamentarischen Initiative wird die unwillige Verwaltung gezwungen, sich damit zu beschäftigen, weil die Angelegenheit direkt in die Kommission kommt, die von sich aus weitere Massnahmen, beispielsweise eine Gesetzesänderung, anstossen kann. Die Kommission wird voraussichtlich Ende 2013, allenfalls anfangs 2014 entscheiden.
Herr Feller, besten Dank!
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ARS MEDICI 18 I 2013
POLITFORUM
Leistungsgerechte Korrekturen am Arzttarif Tarmed und Stärkung der Hausarztmedizin
INTERPELLATION vom 21.3.2013
Ruth Humbel Nationalrätin CVP Kanton Aargau
Seit Anfang Jahr hat der Bundesrat die Kompetenz, Anpassungen an der Tarifstruktur vorzunehmen, wenn sich diese als nicht mehr sachgerecht erweist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können. Es scheint, dass die Tarifpartner weiterhin nicht in der Lage sind, die im Bericht der eidgenössischen Finanzkontrolle bereits im November 2010 aufgezeigten Schieflagen des Tarifes zu korrigieren. Als Beispiel sei die Kataraktoperation (grüner Star) erwähnt, welche mit rund 2500 Franken für einen 15-minütigen Eingriff viel zu hoch tarifiert ist, weil die Tarifierung noch immer auf der wesentlich länger dauernden offenen Operation basiert.
Mit dem «Masterplan Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» will der Bundesrat die Hausarztmedizin stützen. Für die Grundversorger respektive die Hausarztmedizin soll ein separates Kapitel eingeführt werden. Doch die Vertragspartner scheinen sich nicht einig zu werden über die Frage, wer zu den Verrechnungsberechtigten gehören soll. Anscheinend wollen auch Spezialärzte und sogar Spitäler in diesen neuen Topf greifen. Weiter scheint es den Tarifpartnern nicht zu gelingen, differenzierte Taxpunktwerte auszuhandeln, um beispielsweise in abgelegenen Gebieten mit dem Risiko von Unterversorgung höhere Preise zu bezahlen und demgegenüber tiefere Taxpunktwerte in Agglomerationen mit Überversorgung. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wie und in welchem Zeitraum gedenkt er
von seiner Kompetenz, Tarmed-Tarife anzupassen, Gebrauch zu machen? 2. Sieht er ein gestaffeltes Vorgehen für die tarifarische Besserstellung der Hausarztmedizin sowie für die Korrekturen von zu hoch tarifierten Tarmed-Leistungen vor?
3. Werden die Leistungen des neuen Kapitels für die Hausarztmedizin im Tarmed einzig und ausschliesslich für ambulant tätige Hausärzte in freier Praxis verrechenbar sein?
4. Bis wann wird das neue Kapitel für Hausarztmedizin in Kraft gesetzt?
5. Wie sieht der Zeitplan bezüglich der Umsetzung der übrigen Massnahmen gemäss Empfehlung der eidgenössischen Finanzkontrolle aus?
6. Werden die technischen Leistungen aufgrund eines Auslandspreisvergleiches gesenkt?
7. Wie kann der Bundesrat Einfluss nehmen auf differenzierte Taxpunktwerte und diese in Agglomerationen mit Überversorgung senken und in Gebieten mit drohender Unterversorgung erhöhen?
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
Aus der Antwort des Bundesrates vom 14.6.2013
1./5. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass der Tarmed einer Revision bedarf. Mit der neuen subsidiären Kompetenz des Bundesrates wird den Schlussfolgerungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle umfassend Rechnung getragen. Der Bundesrat kann sich indessen mit der subsidiären Kompetenz nicht vollumfänglich an die Stelle der Tarifpartner setzen. Eine Anpassung der Tarifstrukturen soll daher weiterhin in erster Linie Sache der Tarifpartner sein. Das zuständige Departement bereitet die Umsetzung der zusätzlichen Kompetenz des Bundesrates entsprechend vor. Diese Arbeiten erfordern den vorgängigen Aufbau eines neuen Fachdienstes mit entsprechenden Kenntnissen beim Bundesamt für Gesundheit. 2./3./4./6. Im Rahmen des Masterplans «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» wird eine gezielte Besserstellung der Grundversorger vorgesehen. Die Tarifpartner sind beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten, die
gleichzeitig die Sachgerechtigkeit der Tarifstruktur, aber auch die Wahrung der Kostenneutralität erlauben und somit die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gewährleisten. Die Tarifpartner haben sich an Vorgesprächen teilweise für ein separates Kapitel im Tarmed ausgesprochen, aber es wurden auch andere Lösungen skizziert. Zwischenzeitlich haben die Tarifpartner ihre Vorschläge eingereicht, es muss aber festgestellt werden, dass diese divergieren und auch kein Konsens über ein separates Kapitel für die Hausarztmedizin besteht. Daher wird der Bundesrat in einer ersten Phase die Wahrnehmung seiner neuen Kompetenz im Sinne von punktuellen Anpassungen bezogen auf ambulant tätige Hausärzte in freier Praxis prüfen und gegebenenfalls ab 2014 umsetzen. Anpassungen von ganzen Leistungsbereichen im Tarmed sind wesentlich aufwendiger und kommen daher erst in einer zweiten Phase, voraussichtlich ab 2015, infrage.
Die subsidiäre Kompetenz gibt dem Bundesrat indessen keine Zuständigkeit, die Taxpunktwerte festzulegen oder Vorgaben für deren Differenzierung zu machen. Vielmehr hat sich der Bundesrat anlässlich der Genehmigung der Tarmed-Version 1.1. dahingehend geäussert, dass Taxpunktwerte für einzelne Fachbereiche nicht zulässig und Taxpunktwerte für einzelne Leistungserbringer oder -gruppen im ambulanten Spitalbereich zu vermeiden sind. Zur Differenzierung der Taxpunktwerte nach regionalpolitischen Gründen hat sich der Bundesrat ebenfalls bereits geäussert (vgl. Antworten auf die Motion Humbel und die Interpellation Lumengo) und festgehalten, dass dies den geltenden Grundsätzen des KVG nicht entspricht.
Stand der Beratung: Im Plenum noch nicht behandelt
XUNDHEIT IN BÄRN
ARS MEDICI 18 I 2013
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