Transkript
STUDIE REFERIERT
Statine verbessern Prognose nach Schlaganfall
Einfluss einer kurz nach dem Schlaganfall begonnenen Statintherapie (≤72 h) auf das Überleben und das funktionelle Ergebnis untersucht. In einer weiteren Sekundäranalyse verglichen die Autoren das klinische Ergebnis mit und ohne Statinbehandlung zum Zeitpunkt des Schlaganfalls in Studien, an denen ausschliesslich Patienten teilgenommen hatten, die eine Thrombolyse erhielten.
In einem Review mit Metaanalyse war eine vor oder kurz nach einem ischämischen Schlaganfall begonnene Statintherapie mit einem verbesserten funktionellen Ergebnis und einer Reduzierung der Gesamtmortalität verbunden. In Studien, in denen alle Schlaganfallpatienten eine intravenöse Thrombolyse erhielten, wurde dieser Nutzen der Statine jedoch nicht beobachtet.
STROKE
In randomisierten, kontrollierten Studien haben sich Statine als wirksam zur Primär- und Sekundärprävention von Schlaganfällen und akuten koronaren Ereignissen erwiesen. Zusätzlich zur lipidsenkenden Wirkung weisen diese Substanzen vasodilatorische, antithrombotische, antientzündliche und antioxidative Effekte auf. Aus experimentellen und klinischen Daten geht
Merksätze
O Statine weisen neben der lipidsenkenden Wirkung auch vasodilatorische, antithrombotische, antientzündliche, antioxidative und neuroprotektive Effekte auf.
O In observationellen und randomisierten Studien waren Statine mit einem verbesserten funktionellen Ergebnis nach einem akuten ischämischen Schlaganfall verbunden.
O In Beobachtungsstudien waren Statine mit einer reduzierten Gesamtmortalität nach einem ischämischen Schlaganfall assoziiert.
hervor, dass Statine nach einem akuten ischämischen Schlaganfall zudem neuroprotektive Wirkungen ausüben könnten. In Tiermodellen war eine Statinbehandlung, die vor oder kurz nach einer zerebralen Arterienokklusion begonnen wurde, mit einem verminderten Infarktvolumen und einer verbesserten neurologischen Funktion verbunden. Hinsichtlich einer Verbindung zwischen der Statintherapie und einem verbesserten klinischen Ergebnis beim menschlichen Schlaganfall liegen derzeit widersprüchliche Ergebnisse vor, und in manchen Studien wurde eine Verschlechterung des funktionellen Ergebnisses beobachtet, wenn die Patienten mit einer Kombination aus Statinen und einer intravenösen Thrombolyse behandelt wurden. Danielle Ní Chróinín vom Mater University Hospital and University College Dublin und ihre Arbeitsgruppe untersuchten diese Zusammenhänge nun in einem systematischen Review mit einer Metaanalyse publizierter und nicht publizierter Studien zur Statinbehandlung beim akuten Schlaganfall.
Methoden In der Primäranalyse untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen einer Statintherapie bei Einsetzen des Schlaganfalls (Beginn der Statinbehandlung vor dem Schlaganfall) und einem guten funktionellen Ergebnis (modified Rankin-Score [mRS] 0–2) sowie die Verbindung der Statintherapie mit der Mortalität an den Tagen 30, 90 und 365 nach dem Schlaganfall. Da in Beobachtungsstudien ein erhöhtes Verzerrungsrisiko besteht, führten die Autoren separate Primäranalysen der observationellen und der randomisierten Studien durch. In einer Sekundäranalyse wurde der
Ergebnisse der Primäranalyse In die Primäranalyse wurden 113 148 Personen aus 24 Beobachtungsstudien und 3 randomisierten Studien eingeschlossen. In den Beobachtungsstudien war die Statinbehandlung nach 30 und 90 Tagen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit (Odds Ratio [OR]: 1,64, 95%Konfidenzintervall [KI]: 1,14–2,36; p = 0,008 und 1,41, 95%-KI: 1,29– 1,56; p < 0,001) für ein gutes funktionelles Ergebnis verbunden. Nach einem Jahr war dieser Zusammenhang jedoch nicht mehr erkennbar (OR: 1,12, 95%KI: 0,90–1,40; p = 0,31). In den Beobachtungsstudien war die Statinbehandlung zudem mit einer reduzierten Gesamtmortalität nach 30 Tagen (OR: 0,63, 95%-KI: 0,54–0,74; p < 0,001), nach 90 Tagen (OR: 0,71, 95%-KI: 0,62–0,82; p < 0,001) und nach einem Jahr (OR: 0,80, 95%-KI: 0,67–0,95; p = 0,01) assoziiert. In der einzigen randomisierten Studie, in der ein funktionelles Ergebnis nach 90 Tagen dokumentiert wurde, war die Statinbehandlung ebenfalls mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit (OR: 1,5, 95%-KI: 1,0–2,24; p = 0,05) für ein gutes funktionelles Ergebnis verbunden. Zum funktionellen Ergebnis nach 30 Tagen oder nach 1 Jahr lagen hier keine Daten vor. In der Metaanalyse aller 3 randomisierten Studien wurde nach 30 Tagen und nach 1 Jahr kein Zusammenhang zwischen der Statinbehandlung und der Gesamtmortalität beobachtet. Ergebnisse der Sekundäranalysen In 5 Beobachtungsstudien war eine kurz nach dem Schlaganfall (≤ 72 h) begonnene Statinbehandlung an Tag 90 nach dem Insult mit einem besseren funktionellen Ergebnis (OR: 1,84, 95%KI: 1,37–2,48; p < 0,001) und einer reduzierten Mortalität (OR: 0,29, 95%KI: 0,19–0,45; p < 0,001) verbunden. ARS MEDICI 17 I 2013 875 STUDIE REFERIERT Im Gegensatz dazu wurde in 4 randomisierten Studien an Tag 90 kein Nutzen einer nach dem Schlaganfall begonnenen Statinbehandlung im Hinblick auf die körperliche Funktionsfähigkeit (OR: 1,57, 95%-KI: 0,88– 2,81; p = 0,12) oder die Mortalität (OR: 1,71, 95%-KI: 0,74–3,97; p = 0,2) festgestellt. In 5 Beobachtungsstudien mit 4993 thrombolytisch behandelten Patienten erhielten 22,3 Prozent (1114 Teilnehmer) Statine. Hier wurde nach 90 Tagen kein Zusammenhang zwischen der Statintherapie und einem guten funktionellen Ergebnis (OR: 1,01, 95%-KI: 0,88–1,15; p = 0,93) beobachtet. Zudem war die Statintherapie bei den thrombolytisch behandelten Patienten nach 90 Tagen mit einer erhöhten Gesamtmortalität (OR: 1,25, 95%-KI: 1,02–1,52; p = 0,03; 4339 Patienten) verbunden. Nach einem Abgleich für das Alter und die Schwere des Schlaganfalls (in der grössten Studie) war diese Assoziation jedoch nicht mehr nachweisbar (OR: 1,14, 95%-KI: 0,90–1,44; 4012 Patienten). Diskussion In der Metaanalyse zeigten sich Zusammenhänge zwischen einer Statinbehandlung, dem funktionellen Ergebnis und dem Überleben nach einem ischämischen Schlaganfall. Diese Beziehungen waren am deutlichsten in den Beobachtungsstudien kurz nach dem Insult erkennbar. Nach Ansicht der Autoren könnten die Ergebnisse auf einen tatsächlichen Nutzen der Statine im Hinblick auf das klinische Ergebnis nach einem Schlaganfall hinweisen. Diese Interpretation wird durch die Konsistenz der Ergebnisse der Beobachtungsstudien und der randomisierten Studien gestützt. Die Resultate werden weiterhin durch Tierstudien untermauert, in denen eine frühe Behandlung mit Statinen mit einem reduzierten Infarktvolumen und verbesserten neurologischen Funktionen verbunden war. In den meisten Studien war der Nutzen der Statine im Hinblick auf die Funktion und die Mortalität nach einem Abgleich für das Alter, die Schwere des Schlaganfalls und andere potenzielle Störvariablen nicht mehr erkennbar. Dies kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass ein Teil des Nutzens der Statine in einer Beeinflussung der Schwere des Schlaganfalls besteht. Experimentelle Daten und klinische Studien weisen darauf hin, dass Statine das Infarktvolumen und die Schwere des Schlaganfalls auch beim Menschen reduzieren könnten. Die Autoren halten es allerdings für möglich, dass die Statintherapie lediglich einen Marker für andere Faktoren darstellt, die mit einem verbesserten Ergebnis nach dem Schlaganfall einhergehen. Als Stärken ihrer Studie erachten die Autoren die grosse Patientenzahl, die Einbeziehung publizierter und nicht publizierter Daten sowie die Stratifizierung nach observationellem oder randomisiertem Studiendesign und die Analyse kurz- und langfristiger Ergebnisse. Zu den Schwächen ihrer Untersuchung gehört ihrer Ansicht nach, dass nur wenige randomisierte Studien zur Auswertung zur Verfügung standen und somit die meisten Daten aus nicht randomisierten Beobachtungsstudien stammten. Eine weitere Limitierung sehen sie in fehlenden Informationen zu den Ursachen von Tod und wiederholten Schlaganfällen mit oder ohne Statinbehandlung. Zudem waren keine individuellen Patientendaten vorhanden, um den Einfluss eines Absetzens der Statine, verschiedene Dosis-Wirkungs-Beziehungen und die Verbindung zwischen lipophilem Status und dem klinischen Ergebnis untersuchen zu können. Bei aller Vorsicht der Dateninterpretation weisen die Ergebnisse des systematischen Reviews mit Metaanalyse nach Meinung der Wissenschaftler auf einen Zusammenhang zwischen Statinen und einem verbesserten Resultat nach einem ischämischen Schlaganfall hin. Die Autoren betonen, dass sie keine routinemässige Verschreibung von Statinen zur akuten Neuroprotektion empfehlen. Da es sich bei ihrer Untersuchung um eine explorative Studie mit inhärenten Limitationen handelt, bleibt unklar, ob die sehr frühzeitige Statinbehandlung nach einem Schlaganfall einen Nutzen im Vergleich zu einem späteren Beginn aufweist. Insgesamt geht aus der Untersuchung hervor, dass grosse randomisierte, kontrollierte Studien zur weiteren Untersuchung der Wirksamkeit und der Sicherheit der Statintherapie beim akuten ischämischen Schlaganfall erforderlich sind. Derzeit laufende Studien wie NEUSTART II (Neuroprotection with Statin Therapy for Acute Recovery Trial II), EUREKA (The Effect of Very Early Use of Rosuvastatin in Preventing Recurrence of Ischemic Stroke) und STARS07 (Stroke Recurrence of Ischemic Stroke) könnten zukünftig entsprechende Informationen liefern. O Petra Stölting Quelle: Ní Chróinín D, Asplund K et al.: Statin therapy and outcome after ischemic stroke: systematic review and meta-analysis of observational studies and randomized trials. Stroke 2013; 44: 448–456. Interessenkonflikte: 8 der 24 Autoren haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten, die verbleibenden deklarieren keine Interessenkonflikte. 876 ARS MEDICI 17 I 2013