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DERMATOLOGIE/ALLERGOLOGIE
Therapie der Schuppenflechte
So helfen Sie Ihren Psoriasispatienten
Foto: zVg
Patienten mit Plaquepsoriasis haben einen grossen Leidensdruck. Ihre Lebensqualität ist stärker beeinträchtigt als bei einem Herzinfarkt oder einer Krebserkrankung. Mit welchen Therapien Linderung erreicht werden kann, erklärte Prof. Ingo Haase, Dermatologe im Glattpark (Opfikon), beim Webinar von Rheuma Schweiz.
Psoriasis ist eine alte Erkrankung, sie wurde
schon in der Antike beschrieben. Hippokrates
sprach von unspezifischen juckenden Hauter-
scheinungen, Galen beschrieb einen schup-
penden, juckenden Ausschlag. Anfang der
2000er-Jahre wurde eine Assoziation mit
zahlreichen HLA-Genen und Genloci des an-
geborenen Immunsystems wie zum Beispiel
NFκB oder IL-23 entdeckt (1). Dass diese
Prof. Ingo Haase
Genvarianten im Genpool des Menschen so lange überdauert haben, kann bedeuten, dass
diese Genkonstellation keinen Selektions-
nachteil darstellt. Darauf weist eine Unter-
suchung hin, bei der bei Psoriasispatienten eine geringere
Häufigkeit von viralen oder bakteriellen Hauterkrankun-
gen als bei einer Vergleichspopulation ohne Psoriasis ge-
funden wurde (2). Die daraus zu vermutende Infektionsre-
sistenz hat sich in anderen Untersuchungen weiter erhärtet.
In einer Genomanalyse von Psoriatikern wurde eine Anrei-
cherung von bestimmten Allelen mit HIV-protektiver Wir-
kung gefunden, die das Voranschreiten der Erkrankung be-
hindern. Ob gegenüber SARS-CoV-2 ebenfalls eine erhöhte
Protektion besteht, ist nicht klar. Die Mortalität von
COVID-19 bei Psoriatikern unter Therapie war gemäss
einer internationalen Registerstudie mit 2 Prozent (3) jeden-
falls ähnlich hoch wie bei der Gesamtbevölkerung, trotz
einer mehrheitlichen Biologikatherapie.
Psoriasis sei eine entzündliche Erkrankung, bei der die Zyto-
kine IL-17, IL-23 und TNF-a über Keratinozyten, dendriti-
sche und TH-17-Zellen in der Dermis miteinander kommu-
nizierten, erklärte Haase. Bei dieser Erkrankung ist die
Lebensqualität erheblich gestört, eine Erhebung mittels
SF-36-Fragebogen weist auf den Belastungsgrad im Vergleich
mit anderen Erkrankungen hin: Die Patienten bezeichneten
die physische und psychische Belastung bei Psoriasis als gra-
vierender als die bei Krebs, Depression oder Herzinfarkt (4).
Die Psoriasis zeichnet sich durch eine typische Klinik aus.
Kardinaleffloreszenz ist die erythrosquamöse Plaque bezie-
hungsweise eine Entzündung der Haut, die sich über das
Hautniveau erhebt und mit einer dicken, fest haftenden
Schuppung bedeckt ist. Die Klinik ist jedoch nicht immer
ausreichend für eine Diagnose. Chronische Ekzeme, Lichen ruber planus, Comdylomata lata in der Analfalte und Pityriasis rosea können ähnlich aussehen, werden aber ganz anders behandelt. Mit einer Histologie kann der Verdacht erhärtet und die Diagnose gestellt werden.
Möglichkeiten der topischen Therapie
Von der Antike bis in die 1960er-Jahre behalf man sich mit Arsen als erstem wichtigen systemischen und topischen Psoriasistherapeutikum. Die Nebenwirkungen überwogen für eine heutige Verwendung jedoch den Nutzen, wie das auch bei Schwefel, Quecksilber und Teer der Fall war. Chrysarobin, ein Extrakt aus dem Ararobabaum, auch bekannt als Goa-Powder, wird dagegen immer noch verwendet. Mittlerweile wird Chrysarobin synthetisch unter dem Namen Dithranol hergestellt. Eine leichte Psoriasis mit einer BSA (body surface area) < 3 Prozent wird im Praxisalltag mit topischen Therapien behandelt. Bei einer mittelschweren (BSA: 3–10%) oder schweren Psoriasis (BSA: > 10%) wird die äusserliche Therapie mit weiteren Topika (z. B. UV-Therapie + Dithranol + Kortikoide) oder einer systemischen Therapie kombiniert.
Salicylsäure
Zur Ablösung der Schuppen kann Salicylsäure als Emolliens in Form von Salicylvaseline 10 Prozent als Magistralrezeptur beziehungsweise als Fertigpräparat für die Kopfhaut (Lotio decapans, Widmer) oder in Kombination mit Steroiden wie beispielsweise Betamethason (Diprosalic®) verwendet werden. Salicylsäure sollte nicht in hoher Konzentration okklusiv, das heisst unter einer Folie oder Haube, aufgetragen werden, da es mit der Aufnahme durch die Haut zu neurotoxischen Störungen (Salizylismus) kommen kann. Weitere Emollienzien sind Präparate mit Harnstoff (Urea) wie zum Beispiel Excipial U Lipolotio 4 Prozent Carbamid Creme oder Emulsion oder Carbamid VAS Creme.
Topische Steroide
Topische Steroide sind ein Stützpfeiler der Psoriasistherapie. Hoch potente Steroide (z. B. Clobetasolpropionat [Dermovate®], Betamethason [Betnovate®]) kommen bei ausgepräg-
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ten Plaques an Extremitäten in Form von Salben und Cremes zum Einsatz, auf der Kopfhaut als Lösung. Eine Kombination mit Salicylsäure (Diprosalic®) ist ebenfalls möglich. Niedrig potente Steroide (z. B. Clobetasolbutyrat [Emovate®], Methylprednisolon [Advantan®]) werden im Gesicht als Salbe oder Creme und in Körperfalten als Salbe angewendet. Die zuverlässige und schnelle Wirkung von topischen Steroiden ist ein Vorteil, doch ist die Wirkung nicht nachhaltig und kann bei Absetzen zu einem Rebound führen. Bei lang dauernder Anwendung können topische Steroide zu Hautatrophie führen.
Dithranol
Dithranol, auch Anthralin oder Cignolin genannt, hat antiproliferative und entzündungshemmende Eigenschaften. Eine Studie zeigt eine verminderte Expression von Chemokinen, die Neutrophile anlocken, und ein reduziertes IL-36-Signaling 6 Tage nach Behandlungsbeginn (5). Dithranol wird auf der freien Haut angewendet, ein Auftrag in Körperfalten oder auf der Kopfhaut sollte vermieden werden, da Irritationen und Verfärbungen auftreten können. Es kann als Magistralrezeptur in Kombination mit Salicylsäure und Vaseline (z. B. Dithranol 0,5–5 g, Salicylsäure 2,0 g, Paraffinum subliqu. 2,0 g, Vaselinum album ad 100 g) hergestellt werden. Es handelt sich dabei um eine 5-wöchige oder länger dauernde Kurzkontakttherapie mit einer Einwirkzeit von jeweils 20 bis 60 Minuten, danach wird die Salbe mit Wasser abgewaschen. Die Konzentration sollte individuell getestet und frühestens nach jeweils 72 Stunden gesteigert werden. Die Therapie ist zuverlässig und nachhaltig wirksam, allerdings aufwendig in der Applikation, irritativ und stark verfärbend auf Gegenständen, die damit berührt worden sind.
Vitamin D
Die Vitamin-D-Derivate Calcipotriol, Calcitriol und Tacalcitol seien aus der topischen Psoriastherapie nicht wegzudenken, so Haase. Vitamin D wirkt antiproliferativ, differenzierungsfördernd und immunmodulatorisch, hat aber allein eine eher schwache Wirkung. Deshalb wird es häufig mit Betamethason kombiniert. Tacalcitol (Curatoderm® Salbe oder Lotion) ist als Monotherapie erhältlich, Calcipotriol in Kombination mit Betamethason (z. B. Daivobet®) als Gel oder Salbe. Seit Kurzem ist eine weitere galenische Form als Schaum verfügbar (Enstilar®), mit dem es im Vergleich zum Gel zu einer schnelleren Abheilung kommt (6). Die Schaumtherapie wird 4 Wochen lang 1-mal/Tag auf den befallenen Stellen angewendet und nach Abheilung 2-mal/Woche proaktiv weiter an den betreffenden Stellen aufgetragen. Dieses Therapieregime führt zu einem längeren erscheinungsfreien Intervall als die reaktive
Behandlung, ohne bei Anwendung bis zu einem Jahr eine relevante Hautatrophie zu induzieren (7).
UV-Bestrahlung
Ein weiterer Baustein ist die Lichttherapie. In der Behandlung mit UV-Strahlen werde heute laut Haase vorwiegend UV-B 311 angewendet, da es hierfür in klinischer Anwendung, im Gegensatz zu PUVA, keinen Nachweis für eine Kanzerogenität gebe und es ausser mit Ciclosporin A mit anderen Therapien kombinierbar sei. Die Lichttherapie ist zuverlässig und schnell wirksam, erfordert hinsichtlich der Dosierung aber Erfahrung.
Systemische medikamentöse Therapie
Bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis kann eine systemi-
sche Therapie zum Einsatz kommen. Dazu zählen Methotre-
xat, Acitretin, Dimethylfumarat, Apremilast und Ciclosporin
(first line). Biologika können für die Behandlung erwogen
werden, wenn andere Behandlungsmethoden nicht wirksam
oder kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden. Zu
diesen zählen Adalimumab, Etanercept, Infliximab, Secuki-
numab, Ustekinumab, Ixekizumab, Guselkumab, Risankizu-
mab und Tildrakizumab. Die systemische Therapie (ausser
Ciclosporin) kann mit der Fototherapie und, wenn nötig, mit
der topischen Therapie kombiniert werden (8, 9). Auf oppor-
tunistische Infektionen muss geachtet werden.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Psoriasis & Psoriasisarthritis», Webinar von Rheuma Schweiz, 21. Januar 2021.
Referenzen: 1. Henseler T et al.: Disease concomitance in psoriasis. J Am Acad Derma-
tol. 1995;32(6):982-986. 2. Chen H et al.: Psoriasis patients are enriched for genetic variants that
protect against HIV-1 disease. PLoS Genet. 2012;8(2):e1002514. 3. Mahil SK et al.: Factors associated with adverse COVID-19 outcomes in
patients with psoriasis-insights from a global registry-based study. J Allergy Clin Immunol. 2021;147(1):60-71. 4. Rapp SR et al.: Psoriasis causes as much disability as other major medical diseases. J Am Acad Dermatol. 1999;41(3 Pt 1):401-407. 5. Benezeder T et al.: Dithranol targets keratinocytes, their crosstalk with neutrophils and inhibits the IL-36 inflammatory loop in psoriasis. Elife. 2020;9:e56991. 6. Paul C et al.: Calcipotriol plus betamethasone dipropionate aerosol foam provides superior efficacy vs. gel in patients with psoriasis vulgaris: randomized, controlled PSO-ABLE study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2017;31(1):119-126. 7. Lebwohl M et al.: Twice-weekly topical calcipotriene/betamethasone dipropionate foam as proactive management of plaque psoriasis increases time in remission and is well tolerated over 52 weeks (PSO-LONG trial). J Am Acad Dermatol. 2020;S0190-9622(20)32625-6. 8. S3-Leitlinie Therapie der Psoriasis vulgaris. www.awmf.org 9. www.swissmedicinfo.ch
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