Transkript
Topische Behandlung aktinischer Keratosen
Feldgerichtete und läsionsgerichtete medikamentöse Therapiestrategien
BERICHT
21. Jahreskongress der European Academy of Dermatology und Venerology Prag, 27.–30. September 2012 «Improving patient outcomes in actinic keratosis», Satellitensymposium der Firma Almirall, 28. September 2012.
Aktinische Keratosen können unterschiedlich gross, verschieden dick sowie von variabler Farbe und Oberflächenbeschaffenheit sein. Eigentlich sollten aktinische Keratosen als In-situ-Plattenepithelkarzinome der Haut klassifiziert werden. Derzeit ist es unmöglich, vorherzusagen, welche Läsion unverändert bleiben wird, welche sich zurückbilden wird und welche sich in ein invasives Plattenepithelkarzinom verwandeln wird. Frühzeitige und effektive Behandlung aller Läsionen lautet deshalb die Devise.
ALFRED LIENHARD
Zwei Drittel der Plattenepithelkarzinome der Haut entstehen aus aktinischen Keratosen als Krebsvorstufen. Das Risiko der Karzinomentwicklung wird pro Jahr auf 0,15 bis 80 Prozent beziffert – es bleibe also unklar, wie häufig aktinische Keratosen zu invasiven Karzinomen würden, sagte Prof. Dr. Jean-Jacques Grob, Hôpital Timone, Marseille, an einem Satellitensymposium der Firma Almirall. Es gibt 2 Therapiestrategien bei aktinischen Keratosen: die Flächentherapie bei Feldkanzerisierung und die läsionsgerichtete Behandlung einzelner Läsionen.
Feldgerichtete topische Flächenbehandlung Das Konzept der Feldkanzerisierung, das auch im Ösophagus und in der Harnblase von Bedeutung ist, geht davon aus, dass durch chronische Sonneneinwirkung innerhalb des gleichen lichtgeschädigten Hautareals (z.B. Stirn, Handrücken) disseminiert zahlreiche aktinische Keratosen in verschiedenen Stadien – auch subklinische Formen – entstehen. Zur feldgerichteten topischen Flächenbehandlung eignen sich Imiquimod, 5-Fluorouracil (5-FU) und Solaraze®, ein Gel mit 3 Prozent Diclofenac in Hyaluronsäure, das 2-mal täglich auf die Haut aufgetragen und leicht eingerieben wird. Diclofenac wirkt nicht nur antientzündlich, sondern induziert auch die Apoptose, stimuliert die Immunabwehr und hemmt die Tumorproliferation. Aufgrund verschiedener Studien kann bei klinischen Läsionen von einer Clearancerate von etwa 50 Prozent ausgegangen werden, so der Referent. Der Effekt sei nicht nur kurz dauernd, sondern auch noch 1 Jahr nach abgeschlossener Therapie feststellbar. Es bestehe indirekte, aber noch nicht direkte Evidenz dafür, dass sich die Wirkung nicht nur auf sichtbare aktinische Keratosen beschränke, sondern dass auch subklinische Formen günstig beeinflusst werden. Bis anhin gibt es noch für keine feldgerichtete Behandlung randomisierte kontrollierte Studien, welche die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen nach einem Follow-up von 5 bis 10 Jahren untersuchten. Solche Studien seien nun erforderlich, so der Referent.
Läsionsgerichtete topische Behandlung Zur läsionsorientierten Behandlung aktinischer Keratosen, insbesondere
hyperkeratotischer Läsionen, eignet sich Actikerall®. Es handelt sich um eine Lösung, die den Antimetaboliten 5-FU in niedriger Dosierung (0,5%) und zusätzlich 10-prozentige Salicylsäure enthält, um die dicken Hornschichten durchdringen zu können. Die Penetration von 5-FU wird zudem durch Dimethylsulfoxid (DMSO) begünstigt. Der filmbildende Lack wird 1-mal täglich mittels Pinsels auf die aktinischen Keratosen aufgetragen. Es ist möglich, mehrere Einzelläsionen simultan zu betupfen. In einer grossen, multizentrischen, 3-armigen, randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie wurde die 1-mal tägliche, topische Actikerall®-Behandlung sowohl mit der Trägerlösung (filmbildender Lack) als auch mit dem aktiven Präparat Solaraze® (Gel mit 3% Diclofenac in Hyaluronsäure, 2-mal täglich appliziert) verglichen, berichtete Prof. Dr. JanChristoph Simon, Klinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Leipzig. An dieser Studie beteiligten sich an 38 deutschen Zentren insgesamt 470 Patienten mit jeweils 4 bis 10 aktinischen Keratosen der Olsen-Schweregrade I (leicht) und II (mittelschwer) im Gesicht, an der Stirn oder auf der unbehaarten Kopfhaut (1). Die Behandlung dauerte bis zur vollständigen Abheilung der Läsionen und war auf maximal 12 Wochen beschränkt. Die Abschlussbewertung erfolgte 8 Wochen nach Behandlungsende, also nach insgesamt 20 Wochen. Als primäres Studienziel wurde der Goldstandard gewählt, nämlich die vollständige histologische Abheilung einer zuvor festgelegten, klinisch repräsentativen Läsion (Biopsie 8 Wochen nach Behandlungsende). Zu den sekundären Studienzielen gehörten die Abnahme der Gesamtfläche der Läsionen und die vollständige klinische Abheilung.
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BERICHT
Mit Actikerall® heilte die ausgewählte aktinische Keratoseläsion bei 72 Prozent der Patienten histologisch vollständig ab. Die bioptisch nachgewiesene Abheilungsrate war damit signifikant höher als mit Solaraze® (59,1%) und mit der Trägerlösung (44,8%). Offenbar hat auch die Entzündung, die durch das in der Trägerlösung enthaltene DMSO ausgelöst wird, einen therapeutischen Effekt, so der Referent. Die mittlere Gesamtfläche der Läsio-
nen konnte durch die Actikerall®-Therapie um 90,8 Prozent reduziert werden (durch die Trägerlösung um 66,8%). Der Anteil der Patienten mit vollständiger klinischer Abheilung sämtlicher behandelter Läsionen betrug nach 20 Wochen in der Actikerall®-Gruppe 55,4 Prozent, verglichen mit 15,1 Prozent in der Vehikelgruppe (1). Im Blut war kein 5-FU feststellbar. Durch die Behandlung wird am Applikationsort eine sichtbare Reizung induziert, die
mit Entzündung, Brennen und Juckreiz
verbunden sein kann. Insgesamt wurde
aber die Behandlung von den Patienten
gut akzeptiert.
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Alfred Lienhard
Stockfleth E et al.: Low-dose 5-fluorouracil in combination with salicylic acid as a new lesion-directed option to treat topically actinic keratoses: histological and clinical study results. Br J Dermatol 2011; 165: 1101–1108.
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