Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Es meinte ein vermögender Bekannter resigniert: Früher habe er sich geärgert. Wenn er 100 000 Franken für junge Künstler gespendet habe, dann seien genau 100 000 Franken bei den Künstlern angekommen. Wenn aber der Staat 100 000 Franken Steuergelder für kulturelle Aktivitäten einnehme, kämen höchstens 30 000 Franken bei den Künstlern an. Der Rest werde für die Entlöhnung derjenigen verbraucht, die die Verteilung der 100 000 Franken organisieren. Warum er sich heute nicht mehr ärgere? Irgendwie sei, andere glauben zu machen, es sei gerechter, das Geld der Steuerzahler durch den Staat verteilen zu lassen, und auch noch davon zu leben, ja auch eine Art Kunst. Seit er das so sehe, zahle er lieber Steuern.
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Zahlen verblüffen immer wieder: In der Schweiz verunfallen im Durchschnitt täglich 23 Personen beim (Berg-) Wandern. Deutlich mehr als beim Bergsteigen. An Sonn- und Feiertagen sind’s vermutlich fünfmal so viele, an gewöhnlichen Tagen und bei schlechtem Wetter weniger. Und fast jede Woche endet so ein Unfall tödlich. Noch einmal so viele Personen sterben beim (Berg-)Wandern nicht wegen eines Unfalls, sondern wegen Herzproblemen. Ein grosser Teil der toten Wanderer war grad beim Pilze- und Beerensammeln. Ein schöner Tod. Irgendwie.
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Es ist immer wieder erstaunlich, einerseits wie man sich umbringen kann und andererseits wovor wir Angst haben. Der letzte Todesfall beim Bungee-Jumping in der Schweiz beispielsweise datiert aus dem Jahr 2000. Dem gegenüber weist die Unfallstatistik des BfU für die Jahre zwischen 2000 und 2012 total 20 Todesfälle beim Fischen aus …
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Ständerat This Jenny aus Graubünden, ein SVP-Politiker, der sich nicht immer um die Meinung seiner Partei schert
(auch nicht in Sachen Lex USA), hat sich bereit erklärt, notfalls die Hosen herunter zu lassen, um Angriffe der amerikanischen Steuerbehörde zu verhindern. Auch wenn das, wie er ergänzte, kein besonders ansehnlicher Anblick würde. Respekt für diese ehrliche Selbsteinschätzung im Gefolge eines gänzlich überflüssigen exhibitionistischen Angebots.
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Apropos, wenn die sturen Innerschweizer Grinde in den vergangenen Jahrhunderten jedesmal eingeknickt wären (oder die Hosen runter gelassen hätten), wenn eine Grossmacht mit den Waffen gescheppert und mit Unterwerfung gedroht hat, gäbe es die Schweiz nicht. Eigentlich peinlich, für was für einen kurzfristigen Vorteil und wie husch! husch! ein Teil der Schweizer Politiker bereit war, auf die Drohung einer Grossmacht hin das eigene Recht ausser Kraft zu setzen. Und eigentlich erfreulich, dass die sturen Grinde von heute sich für einmal durchsetzten.
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Und wieder einmal denken wir an all die Leute, die grad mit dem Auto im Stau stehen – auf dem Weg ins Fitnessstudio, um dem Körper auf dem Hometrainer endlich etwas Abwechslung zu bieten zur ewigen Sitzerei in Auto und Büro.
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Einsicht eines EU-Bürgers: Die EU ist eine Wertegemeinschaft. Sie glaubt an den Wert des Glühbirnenverbots.
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So wie das Arztgeheimnis eigentlich ein Patientengeheimnis ist, ist das Bankgeheimnis eigentlich ein BankKunden-Geheimnis. Wer das bisher nicht verstanden hat, versteht es vielleicht jetzt, wo die Banken möglichst rasch den automatischen Informationsaustausch anstreben. Gut, man hätte es wissen können: Anders als bei
den Ärzten ging es einigen Bankern nie um ihre Kunden. Das sieht man daran, dass, wenn es ihrem Geschäftsmodell besser dient, sie bereit sind, die Interessen der Kunden – das Kunden-Geheimnis eben – zu opfern. Peinliche Erkenntnis; eine Zeit lang glaubten wir tatsächlich, die Banker und wir sässen auf der gleichen Seite des Tischs. Wir vergassen, dass ein Tisch vier Seiten hat.
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An der Leipziger Universität bestimmt eine neue Verordnung, dass alle …, ja, wie soll man sagen … Menschen mit Professur, künftig als Professorinnen bezeichnet werden. Das heisst, es gibt keine Professoren mehr. Natürlich gibt es weiterhin männliche Menschen mit einer Professur, aber das werden – im Interesse einer wirklich überzeugenden antidiskriminatorischen und antisexistischen Gleichstellungskampagne – neu Professorinnen sein. Toleranz zeigt die Frauschaft, die die sprachliche Entmannung ihrer Kollegen – oder muss das neu Kolleginnen heissen? – beschlossen hat, gegenüber den Studentinnen (und den Studenten). Jeder Studentin, egal, ob männlich oder weiblich, ist es nämlich freigestellt, ob sie ihre männliche Professorin mit Frau oder vielleicht doch lieber mit Herr Professorin ansprechen will. Das «-in» allerdings muss sein.
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Und das fragt Walti am Abend eines arbeitsreichen Tages: Ist es nachts wirklich kälter als draussen?
Richard Altorfer
ARS MEDICI 13 ■ 2013
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