Transkript
PORTRAIT
Wir stellen vor:
Dr. phil. Franziska Rabenschlag
Bereichsleitung Pflege der Zentren Diagnostik und Krisenintervention, psychotische Erkrankungen und Leitung Pflege Privatklinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel
Mit der Erfahrung in der Psychiatrie aus verschiedenen Arbeitsfeldern ist dieses Fach für Dr. Rabenschlag auch noch nach vielen Berufsjahren Passion geblieben. Dabei war der Einstieg in die Psychiatrie damals alles andere als geplant.
Sie sind Expertin für Recovery. Wie kam es dazu? Gab es einen persönlichen Auslöser? Dr. phil. Franziska Rabenschlag: Ja, den gab es. Als ich noch an der Fachhochschule arbeitete, fragte mich der damalige Projektleiter der Pro Mente Sana, ob es denn niemanden gäbe, der eine Arbeit zum Thema Recovery schreiben könne. Er erklärte mir das Projekt, und ich war so begeistert davon, dass ich es selbst übernahm. So habe ich diese Thematik kennengelernt und mich mehrere Jahre intensiv damit beschäftigt. Ich war am Aufbau der Peer-Ausbildung in der Schweiz und des Peer-Netzwerks massgeblich beteiligt.
Warum stiegen Sie eigentlich gerade in die psychiatrische Pflege ein? Das war gar nicht geplant! Ich hatte bereits eine Zusage für eine Lehrstelle an einem somatischen Spital. Meine beste Freundin zog jedoch weg in die Ostschweiz, weil sie in der psychiatrischen Klinik in Littenheid eine Lehre in der psychiatrischen Pflege anfangen konnte. So habe ich dort kurzerhand angefragt, ob es nicht auch für mich einen Lehrstellenplatz gäbe. Das hat dann geklappt, und es hat mir so gut gefallen, dass ich mein ganzes Leben lang bei der Psychiatrie geblieben bin.
Wie ist es Ihnen gelungen, nicht auszubrennen? Dass ich immer noch Freude an diesem Fach habe, liegt wahrscheinlich daran, dass ich im Verlauf meines Berufslebens immer wieder die Arbeitsfelder gewechselt habe. Ich habe in der Psychiatriepflege, an Fachhochschulen beim Aufbau der ersten Pflegestudiengänge und in der Lehre, in der Entwicklung und Forschung und im Management gearbeitet und die Psychiatrie jeweils aus verschiedenen Perspektiven kennengelernt. Das Interesse an psychiatrischen Themen habe ich jedenfalls noch nicht verloren.
Womit können Sie am besten entspannen? Was tun Sie für Ihren Ausgleich, haben Sie Hobbys? Musse und planlos unorganisiertes Herumgondeln mag ich in meiner Freizeit sehr. Daneben bringt mir Bewegung draussen die beste Erholung. Mit Joggen, Spazieren, Schwimmen und Ballett lebe ich meinen Bewegungsdrang aus. Für meinen weiteren Ausgleich sorgen gute Freundschaften, meine Familie, das Gitarrespielen und gute Bücher. Kürzlich habe ich zum Beispiel T. C. Boyles «Sprich mit mir» gelesen, kann ich sehr empfehlen.
Was waren Ihre persönlichen Highlights?
Der damalige Beschluss, nach 17 Jahren in der Psychiatriepflege, mich
akademisch weiterzubilden, war eine der besten Entscheidungen. Als
ich damals von einer Fachhochschule für Pflege gehört habe, hat mich
das sofort gepackt. Ich habe mich um eine Aufnahme beworben und
konnte bereits beim zweiten Studiengang mitmachen. Ein weiterer
persönlicher Meilenstein war der gelungene Aufbau des MAS-Studien-
gangs «Psychische Gesundheit» der Berner Fachhochschule, wofür
man mir die Projektleitung übertragen hatte. Auch die gelungene da-
malige Anbindung der Peer-Ausbildung an die Fachhochschule erfüllt
mich mit Stolz. Doch der grösste berufliche Erfolg war die Anfrage vor
zwei Jahren des deutschen Ethikrats um eine Stellungnahme zu
Zwangsmassnahmen in der Psychiatrie. Das war für mich schon eine
sehr grosse Ehre.
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Das Interview führte Valérie Herzog.
Fachlicher Werdegang kurz und knapp
Der Weg von Dr. phil. Franziska Rabenschlag zur Recovery-Expertin und Bereichsleiterin Pflege an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel begann mit einer Lehre als Psychiatriekrankenpflegerin in der psychiatrischen Klinik Littenheid. Mit viel Erfahrung im ambulanten und stationären Setting liess sie sich später an der Fachhochschule Aargau zur diplomierten Gesundheits- und Pflegeexpertin ausbilden. Sie arbeitete an mehreren Fachhochschulen als Dozentin, baute Studiengänge auf und arbeitete in den psychiatrischen Universitätskliniken Zürich und Basel in der Direktion Pflege. Berufsbegleitend absolvierte sie einen Masterstudiengang Public Health sowie einen Doktoratsstudiengang und erlangte mit einer Dissertation über Peer-Support in psychiatrischen Institutionen den Doktoratstitel. Bis 2019 war sie Präsidentin der Psychiatriekommission des Schweizerischen Berufsverbands Krankenpflege. Und sie war Gründungsmitglied des Vereins Ex-In Bern, der psychiatrieerfahrene Menschen zu Peers ausbildet.
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PSYCHIATRIE + NEUROLOGIE
4/2021