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FORTBILDUNG
Topische Therapie bei Psoriasis
Kortikosteroide und Vitamin-D3-Analoga sind die Medikamente der Wahl
Eine Arbeitsgruppe französischer Dermatologen hat Empfehlungen zur topischen Therapie der Psoriasis erarbeitet. Die lokale Behandlung bei Schuppenflechte stützt sich demnach im Wesentlichen auf Kortikosteroide und Vitamin-D3-Präparate. Beide Substanzgruppen sind gut wirksam und sicher.
JOURNAL OF THE EUROPEAN ACADEMY OF DERMATOLOGY AND VENEREOLOGY
Die Sicht auf die Psoriasis und deren Behandlung hat sich in den letzten zehn Jahren gewandelt. Die Psoriasis, so weiss man heute, ist nicht allein auf die Haut beschränkt, sie muss vielmehr als eine systemische Erkrankung verstanden werden. Insbesondere bei schwerem Verlauf schränkt nicht nur der quälende Hautbefund die Lebensqualität der Betroffenen erheblich ein. Es sind überdies eine Reihe von Begleiterkrankungen, die dazu führen, dass die Lebenserwartung von Psoriasiskranken um bis zu fünf Jahre verringert ist. Die topische Behandlung bleibt unterdessen weiterhin ein wichtiger Pfeiler in der Behandlung von Psoriasiskranken. Epidemiologische Studien haben sogar gezeigt, dass selbst mittelschwere und schwere Psoriasisformen oft noch ausschliesslich mit topischen Substanzen behandelt werden. Doch welche Medikamente können empfohlen werden, wie ist das optimale Therapieregime, in welcher Dosierung sollen
Merksätze
❖ Zur Monotherapie werden grundsätzlich topische Steroide und Vitamin-D3-Derivate auf einer Hautoberfläche von ≤ 10 Prozent empfohlen.
❖ Die wirksamste Induktionstherapie besteht in der Kombination aus Vitamin D3 und Steroid. Anwendung einmal täglich über etwa 4 Wochen.
❖ Zur Induktionstherapie sind Vitamin-D3-Präparate in Monotherapie normalerweise nicht ausreichend.
❖ Zur Erhaltungstherapie wird empfohlen, die Kombination Steroid und Vitamin D3 zweimal wöchentlich auf die Hautläsionen aufzutragen.
die topischen Präparate aufgetragen werden und wie sicher sind sie? Solchen Fragen ist eine Arbeitsgruppe von 42 Dermatologen aus Frankreich anhand einer umfangreichen Literaturrecherche nachgegangen. Das Vorhaben, evidenzbasierte Therapieempfehlungen herauszugeben, erwies sich dabei als schwierig, da etliche, insbesondere ältere Studien methodische Mängel aufweisen oder zu einzelnen Aspekten überhaupt keine Untersuchungen vorliegen. Selbst methodisch gut konzipierte Studien erstrecken sich meist nur über wenige Wochen, zu kurz angesichts des chronischen Verlaufs der Krankheit. Eine Reihe von Empfehlungen beruhen deshalb vornehmlich auf Expertenkonsensus. Dabei war die Übereinstimmung unter den Dermatologen jedoch durchgehend hoch. Die Literaturrecherche umfasste topische Steroide, Vitamin D3 und deren Analoga, Teerpräparate, Dithranol, Salicylsäure und topische Retinoide. In die Analyse wurde zudem die Fototherapie einbezogen, die weiterhin für einen Teil der Patienten eine Behandlungsoption ist. Folgende Empfehlungen werden gegeben:
Topische Steroide ❖ Topische Steroide werden zur Monotherapie auf maximal
10 Prozent der Hautoberfläche empfohlen. Die Anwendung auf grössere Hautareale ist besonderen Umständen vorbehalten. ❖ Ziel ist eine Verbesserung des Hautbefundes um 75 Prozent. ❖ Zur Initialtherapie werden potente bis hoch potente Steroide (Klasse III/IV) empfohlen, die einmal am Tag aufgetragen werden sollten. Die empfohlene Therapiedauer beträgt 4 Wochen mit einer maximalen Wochendosis von 30 Gramm; anschliessend Erhaltungstherapie (s.u.). Es sind aber auch andere Therapieregime üblich, zum Beispiel: bei Besserung des Hautzustandes Verlängerung der Therapieintervalle oder Wechsel auf ein schwächeres topisches Steroid oder ein Vitamin-D3-Präparat. Beispiel Klasse-III-Steroid Betamethasondipropionat (z.B. Diprolen® Salbe, Diprosone® Creme): Anwendung 1-mal/Tag über drei Wochen, anschliessend für eine Woche nur jeden zweiten Tag, gefolgt von einer Woche Anwendung nur jeden dritten Tag, anschliessend Absetzen des Präparates. ❖ Okklusionstherapie wird bei dicken Plaques empfohlen sowie bei Psoriasis palmaris/plantaris. ❖ Schwach oder mittelpotente Steroide sind in der Induktionstherapie nur im Gesicht und in Hautfalten indiziert. ❖ Zur Erhaltungstherapie können topische Steroide zweimal wöchentlich auf die Hautstellen aufgetragen werden. ❖ Nach 6 bis 12 Wochen sollte eine Kontrolle erfolgen.
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FORTBILDUNG
Zur Sicherheit geben die Dermatologen folgendes Statement ab: ❖ Das Risiko von Hautinfektionen ist unter topischen Ste-
roiden sehr gering. ❖ Vorschriftsmässig angewendet ist das Risiko einer Haut-
atrophie und einer systemischen Wirkung sehr gering. ❖ Wichtige Kontraindikationen sind bakterielle und virale
Hautinfektionen.
Topische Vitamin-D3-Präparate und Kombinationstherapie Die Lokaltherapie mit Vitamin-D3-Derivaten ist in der Regel gut verträglich und praktikabel, vorübergehende Hautirritationen (Rötung, Juckreiz, Brennen) können aber die Anwendung insbesondere im Gesicht oder in Hautfalten einschränken. Zu den Vitamin-D3-Derivaten gehören Tacalcitol (Curatoderm®), Calcipotriol (Daivonex®) und Calcitriol (Silkis® Salbe). Es gibt eine fixe Kombination aus dem Vitamin-D3-Derivat Calcipotriol und Betamethason (Daivobet®). Die Autoren geben im Einzelnen folgende Empfehlungen: ❖ Vitamin-D3-Präparate sind in Monotherapie nicht zur In-
duktionstherapie geeignet; Ausnahme: Gesichtshaut und Hautfalten. ❖ Vitamin-D3-Präparate können prinzipiell mit anderen Topika und mit einer systemischen Therapie kombiniert werden. ❖ Zur Induktionstherapie ist die Kombination aus Vitamin-D3Präparat und Steroid doppelt so wirksam wie das VitaminD3-Präparat allein und deshalb erste Wahl (Ausnahme Gesichtshaut und Hautfalten). ❖ Die Wirkstoffkombination sollte einmal am Tag über 4 Wochen aufgetragen werden. Die empfohlene maximale Dosis beträgt max. 2-mal 60 g Tuben pro Monat. ❖ Zur Erhaltungstherapie sollte die Kombination aus VitaminD3-Derivat und topischem Steroid zweimal pro Woche auf die Hautläsionen aufgetragen werden. ❖ An der Kopfhaut kommen entweder ein Kombinationspräparat (Daivobet® Gel, Xamiol® Gel) oder eine SteroidMonotherapie zum Einsatz. Die Sicherheit von Vitamin-D-Präparaten wird als hoch erachtet: ❖ Bei sachgerechter Anwendung ist unter Vitamin-D3-Präparaten keine Hyperkalzämie zu befürchten, wenn weniger als 30 Prozent der Hautoberfläche behandelt werden (maximale Dosis beachten!). ❖ Wechselwirkungen: Vitamin-D3-Präparate sind nicht angezeigt zusammen mit Medikamenten, die den Kalziumspiegel erhöhen (z.B. Thiaziddiuretika), und mit salicylathaltigen topischen Präparaten (wg. Inaktivierung). ❖ Wichtige Kontraindikationen: Erkrankungen mit Veränderungen des Kalziumstoffwechsels, schwere Leber- und Nierenerkrankungen.
Sonstige topische Medikamente ❖ Tazarotene können auf begrenzten Arealen in Kombi-
nation mit topischen Steroiden bei hartnäckigen Plaques eingesetzt werden. In der Schweiz sind keine Präparate zugelassen. ❖ Als zusätzliche Therapie kann Salicylsäure 5 Prozent zur Entschuppung bei dicken Läsionen eingesetzt werden. ❖ Dithranol und Teerpräparate werden heute in der ambulanten Therapie praktisch nicht mehr eingesetzt. Dithranol
wird trotz guter Wirksamkeit wegen der hautirritierenden und verfärbenden Wirkung allenfalls im stationären Bereich eingesetzt. Sie sind in der Schweiz nicht mehr erhältlich und müssen aus dem Ausland importiert oder als Magistralrezepturen in einer Apotheke hergestellt werden.
Therapietreue Die Compliance ist weiterhin ein grosses Problem der topischen Therapie. Nur etwa 50 Prozent der Patienten wenden die topischen Medikamente regelmässig an, auch bei Induktionstherapie. Um die Therapietreue zu verbessern, halten die Autoren folgende Massnahmen für geeignet: ❖ Die Zahl der Präparate soweit wie möglich einschränken
und eine einfache Anwendung wählen. ❖ Topische Steroide möglichst auf weniger als 10 Prozent der
Hautoberfläche vorsehen. ❖ Den Patienten in die Wahl der Präparate einbeziehen. ❖ Die individuellen Lebensbedingungen des Patienten be-
rücksichtigen. ❖ Den Hautbefund regelmässig kontrollieren. ❖ Dem Patienten die Phasen der Behandlung (Induktions-
und Erhaltungstherapie) erklären.
Fototherapie Die Fototherapie ist eine Alternative, wenn die topische Therapie allein nicht zu einem befriedigenden Behandlungsergebnis führt. Die Autoren kommen zu folgender Bewertung: ❖ PUVA ist wirksamer als Schmalspektrum-UV-B. Die An-
sprechrate unter PUVA beträgt 80 Prozent, unter UV-BTherapie 70 Prozent. Dennoch wird UV-B wegen der Anwendungsfreundlichkeit empfohlen, ausser bei sehr dicken Plaques. ❖ Das optimale Therapieregime sind 2 bis 3 Sitzungen pro Woche. ❖ Normalerweise sind 20 bis 30 Behandlungen erforderlich, um eine Abheilung zu erzielen. Wenn nach 30 Sitzungen keine Verbesserung sichtbar ist, muss von Therapieversagen ausgegangen werden. ❖ Fototherapie wird mit verschiedenen topischen Medikamenten kombiniert. Die Topika sollten spätestens 30 min vor der Lichttherapie aufgetragen werden.
Zu den Risiken der Lichttherapie halten die Autoren fest:
❖ Das Hautkrebsrisiko ist unter PUVA sicher erhöht, auch
unter Schmalspektrum-UV-B besteht zumindest ein theo-
retisches Risiko. Die Empfehlung lautet deshalb: lebens-
lang nicht mehr als 250 bis 300 Sitzungen.
❖ Das Kataraktrisiko ist bei entsprechenden Schutzmassnah-
men nicht erhöht.
❖ Hautalterung sollte durch Schutz des Gesichts vorgebeugt
werden.
❖ Die Fototherapie sollte abgebrochen werden, wenn sich
Lentigines entwickeln.
❖
Uwe Beise
Paul C et al.: Evidence-based recommendations on topical treatment and phototherapy of psoriasis: systematic review and expert opinion of a panel of dermatologists. JEADV 2012; 26 (Suppl. 3): 1–10.
Interessenkonflikte: Die Autoren wurden von Abbott unterstützt. Die Firma hat keinen Einfluss auf die Empfehlungen genommen.
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