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EULAR
COVID-19 und Rheuma
Pandemie erfordert Neubewertung der antirheumatischen Therapeutika
Wie wirkt sich eine antirheumatische Behandlung bei Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion aus? Beeinflussen solche Behandlungen die COVID-19-Impfung solcher Menschen? Solchen Fragen ging an der diesjährigen virtuellen Jahrestagung der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) eine ganze Reihe von Studien nach. Mit zum Teil überraschenden Ergebnissen.
So unterschiedlich die Fragestellungen und Studiendesigns zur Behandlung von Rheumapatienten mit COVID-19 auch waren, offenbarte sich doch bei allen ein gemeinsames Ergebnis: Vorsicht mit Rituximab!
Mehr schwere Erkrankungen und mehr Todesfälle
In einer französischen Kohortenstudie erhielten zwischen November 2019 und Januar 2021 1116 Patienten mit inflammatorischen Arthritiden unterschiedliche Biologika (bDMARD), nämlich Infliximab (n = 449), Rituximab (n = 392), Tocilizumab (n = 170) und Abatacept (n = 105) (1). In diesem Zeitraum wurden zehn schwere COVID-19-Fälle registriert, neun davon standen unter Rituximab-Therapie (p = 0,0003 vs. den anderen bDMARD), einer unter Infliximab. Auch nach Berücksichtigung möglicher Störfaktoren war die Behandlung mit Rituximab mit einem signifikant höheren COVID-19-Risiko assoziiert (p = 0,019). In einer weiteren französischen multizentrischen Kohortenstudie wurde der Krankheitsverlauf nach SARS-CoV-2-Infektion von Patienten mit inflammatorischen rheumatischen oder muskuloskeletalen Erkrankungen beobachtet (2). Von den insgesamt 1090 infizierten Teilnehmern entwickelten 137 (12,6%) eine so schwere Erkrankung, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden mussten. Nach Adjustierung der Ergebnisse waren unter den Rituximab-Behandelten signifikant mehr schwer an COVID-19 Erkrankte als in der nicht mit Rituximab behandelten Vergleichsgruppe. Zudem wurde von einer grossen internationalen Arbeitsgruppe der Einfluss unterschiedlicher RA-Behandlungen mit Biologika auf den Verlauf von SARS-CoV-2-Infektionen untersucht (3). Von den 1673 RA-Patienten mit COVID-19 mussten 498 (34,3%) hospitalisiert werden, 112 (6,7%) starben. Während es unter Rituximab zu 42 Todesfällen (18,8%) kam, starben unter der Anti-TNF-Therapie 27 Patienten (3,3%). Auch Patienten, die Abatacept oder IL-6-Inhibitoren erhalten hatten, wiesen im Vergleich zur TNF-Gruppe keine schlechtere Prognose auf. Die Behandlung mit JAK-Inhibitoren zeigte mit einer Hospitalisationsrate von 17 Prozent dagegen eine Assoziation zu schwereren COVID-19-Verläufen. Allerdings zeigten andere Studien, dass JAK-Inhibitoren die Erholung von hospitalisierten COVID-19-Patienten möglicherweise sogar beschleunigen (Baricitinib, ACTT-2-Studie) respektive die Mortalität gegenüber Plazebo geringer halten könnten (Tofacitinib, STOP-COVID-Studie).
Positiv verlief ein kleiner, aber hochinteressanter Versuch an der Berliner Charité (4). 15 eingelieferte Patienten mit schwerer kritischer SARS-CoV-2-Infektion und assoziierter Pneumonie zeigten Anzeichen einer raschen Verschlechterung. Neun von ihnen erhielten eine nicht invasive Beatmung. Alle wurden früh mit einer Kombination aus dem IL-6-RezeptorBlocker Tocilizumab (i. v.) und dem IL-1-Rezeptor-Antagonisten Anakinra für 3 bis 5 Tage behandelt. Keiner der so versorgten Patienten und Patientinnen musste intubiert oder mechanisch ventiliert werden, und keiner starb. Grössere Nebenwirkungen traten keine auf.
Unterschiedliche Impfreaktionen
Wie wirken COVID-19-Impfungen bei Menschen mit auto-
immunen entzündlichen rheumatoiden Erkrankungen
(AIIRD)? In einer bemerkenswerten prospektiven israeli-
schen Studie wurden sowohl 686 Patienten als auch 121 ge-
sunde Vergleichspersonen mit dem mRNA-Vakzin von Pfizer
BioNTech geimpft und 2 bis 6 Wochen nach der zweiten
Impfung untersucht (siehe dazu Interview S. 4 ff.) (5). Die
Seropositivität betrug in der AIIRD-Gruppe insgesamt
86 Prozent und in der gesunden Vergleichsgruppe 100 Pro-
zent. Dabei zeigten mit Rituximab Behandelte mit 41,4 Pro-
zent die geringste Seropositivität, aber auch Glukokortikoide
(66,2%), Abatacept (62,5%) oder Mycophenolatmofetil
(64,3%) wiesen keine überzeugende Seropositivität auf.
Zudem war auch bei Patienten mit idiopathischen inflamma-
torischen Myopathien (36,8%) und ANCA-assoziierten Vas-
kulitiden (30,8%) nur eine geringe Impfreaktion zu verzeich-
nen. Victoria Furer vom Sourasky Medical Center in Tel Aviv
empfahl deshalb, eine Verschiebung der Rituximab-Behand-
lung während der Impfzeit in Erwägung zu ziehen.
Schliesslich präsentierte Pedro Machado vom University
College in London die Resultate einer Analyse von Sicher-
heitsdaten von 1500 gegen SARS-CoV-2 geimpften Rheuma-
patienten (Pfizer BioNTech 78%, Moderna 5%, AstraZe-
neca 16%). Dabei zeigte sich, dass das Sicherheitsprofil in-
nerhalb der Rheumapopulation ähnlich demjenigen in der
Allgemeinbevölkerung war (6).
s
Klaus Duffner
Quelle: Virtueller EULAR-Kongress, 2. bis 5. Juni 2021.
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EULAR
Referenzen: 1. Felten R et al.: Rituximab associated wiht severe COVID-19
among patients with inflammatory arthritides: A 1-year multicenter study in 1116 successive patients. EULAR 2021; Vortrag/ Abstract OP0282. 2. Avouac J et al.: Outcome of COVID-19 in patients with rheumatic and inflammatory diseases treated with rituximab: data from the French RMD COCVID-19 cohort. EULAR 2021; Vortrag/Abstract OP0284. 3. Sparks J et al. Associations of baseline use of biologic or targeted synthetic DMARDs with COVID-19 severity in rheumatoid arthritis: Results from the COVID-19 Global Rheumatology Alliance. EULAR 2021; Vortrag/Abstract OP0006. 4. Haibel H et al.: Successful treatment of severe COVID-19 pneumonia and cytokine release with simultaneous Tocilizumab and Anakinra with one-month follow-up. EULAR 2021; Poster POS1209. 5. Furer V et al.: Immunogenicity and safety of the BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine in adult patients with autoimmune inflammatory rheumatic diseases (AIIRD) compared to the general population: a multicenter study. EULAR 2021; Late Breaker LB0003. 6. Machado PM: COVID-19 vaccine safety in patients with rheumatic and musculoskeletal disease. EULAR 2021; Late Breaker LB0002.
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