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FORTBILDUNG
Rhinosinusitis
Managementrichtlinien aus Kanada
Kanadische Wissenschaftler haben Empfehlungen zum Management der akuten bakteriellen und der chronischen Rhinosinusitis herausgegeben. Die Richtlinie ist vor allem als praxisorientiertes Instrumentarium für Allgemeinmediziner konzipiert.
ALLERGY, ASTHMA & CLINICAL IMMUNOLOGY
Der Begriff Sinusitis bezieht sich auf die Entzündung einer Nebenhöhle, während es sich bei der Rhinitis um eine Entzündung der Nasenschleimhaut handelt. Die Nähe zwischen den Nebenhöhlen und den Nasenpassagen sowie das gemeinsame Atemwegsepithelium führen häufig – wie bei Vireninfektionen – zur Involvierung beider Strukturen. Die Bezeichnung Rhinosinusitis umschreibt demzufolge eine Entzündung der Nasenhöhlen und der Nebenhöhlen. Der kanadische Wissenschaftler Martin Desrosiers, Genetics of Rhinosinusitis Research Group (Montreal), und seine Arbeitsgruppe haben praxisorientierte Richtlinien zum Management der akuten bakteriellen (ABRS) und der chronischen Rhinosinusitis (CRS) herausgegeben, die sich an Allgemeinmediziner und Hausärzte richten. Die Empfehlungen basieren auf der Qualität der Evidenz, dem therapeutischen Nutzen und den Risiken der Massnahmen.
Akute bakterielle Rhinosinusitis Die normale Erkältung, bei der nach drei Tagen bereits der symptomatische Gipfel erreicht ist, wird durch den Rhinovirus verursacht. Derselbe Virus kann jedoch auch einen
Merksätze
❖ Bei 0,5 bis 2 Prozent aller einfachen viralen Erkältungen entwickelt sich zusätzlich eine ABRS.
❖ Die Symptome der ABRS bilden sich innerhalb von 4 Wochen zurück.
❖ Bei der CRS handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung unklaren Ursprungs, bei der möglicherweise eine bakterielle Kolonisierung zur Pathogenese beiträgt.
❖ Die Symptome der CRS halten länger als 4 Wochen an.
weiteren Entzündungsprozess auslösen, der zu einer Bronchitis, zu einer Pharyngitis und zu einer Rhinosinusitis führt. Der Begriff Rhinosinusitis wurde zur Abgrenzung dieses schwereren Erkrankungsverlaufs von der gewöhnlichen Erkältung eingeführt. Obwohl die Erkältung sehr häufig vorkommt, entwickelt sich lediglich bei 0,5 bis 2 Prozent der Betroffenen eine ABRS. Die ABRS wird als bakterielle Infektion der Nasennebenhöhlen definiert, die sich mit einem plötzlichen Einsetzen der Symptome manifestiert. Eine ABRS-Episode hält meist weniger als vier Wochen an. Innerhalb dieses Zeitraums bilden sich die Symptome spontan oder mithilfe einer geeigneten Behandlung zurück. Die ABRS tritt meist als Komplikation einer Vireninfektion der oberen Atemwege auf und ist deshalb nur schwer von dieser zu unterscheiden. Ab vier Episoden pro Jahr wird eine ABRS als rezidivierend definiert.
Statements Die ABRS kann anhand klinischer Symptome und Zeichen diagnostiziert werden. Eine ABRS-Diagnose liegt nahe, wenn die Beschwerden länger als sieben Tage andauern, eitriges Nasensekret abgesondert wird und entweder Kieferschmerzen, eine Schmerzempfindlichkeit des Gesichts (vor allem unilateral) oder eine Schmerzempfindlichkeit der Zähne (vor allem unilateral) vorhanden sind. Eine Schwellung der Mukosa allein reicht für die Diagnose nicht aus. Die Erfassung der Schwere der Symptome ist für das Management der ABRS von Nutzen. Es basiert auf der Intensität und der Dauer der Symptome sowie den Auswirkungen auf die Lebensqualität des Betroffenen. Eine bildgebende Diagnose ist meist nicht erforderlich. Ein Computertomogramm dient hauptsächlich der Abklärung von Komplikationen. Radiologische Untersuchungen sollten zur Bestätigung der Diagnose einer ABRS mit häufig wiederkehrenden Episoden in Betracht gezogen werden oder auch, um andere Ursachen auszuschliessen. Bei einer akuten Sinusitis mit ungewöhnlich schweren Symptomen und systemischer Toxizität oder wenn eine orbitale oder intrakranielle Involvierung vermutet wird, überweist man den Patienten unverzüglich zum Spezialisten. Eine routinemässige Kultur des Nasensekrets wird zur Diagnose der ABRS nicht empfohlen. Ist aufgrund einer ungewöhnlichen Entwicklung oder aufgrund von Komplikationen eine Kultur erforderlich, sollte endoskopisch eine Probe aus der Kieferhöhle entnommen werden. Die meisten bakteriellen ABRS werden von Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae verursacht. Nach
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14 Tagen können Antibiotika zur Linderung der Symptome gegeben werden. Antibiotika sollten in Betracht gezogen werden, wenn die Lebensqualität oder die Arbeitsleistung beeinträchtigt sind, sowie bei schwerem Verlauf oder Komorbiditäten. Bei leichten bis mittelschweren Symptomen kann von einer Behandlung mit Antibiotika abgesehen werden. Zur Behandlung der ABRS wird Amoxicillin (Clamoxyl® und Generika) als First-Line-Antibiotikum empfohlen. Bei Patienten mit einer Allergie gegen Betalaktamantibiotika kann ersatzweise Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP/SMX, Lagatrim®) oder ein Makrolidantibiotikum angewendet werden. Second-Line-Antibiotika wie Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin® und Generika) oder Fluorchinolone mit erhöhter Wirksamkeit gegen grampositive Erreger können als initiale Optionen bei Patienten mit hohem Risiko für bakterielle Resistenzen oder bei besonders schweren Konsequenzen eines potenziellen Behandlungsfehlschlags erforderlich sein. Bei der Auswahl des Antibiotikums sollten Bakterienresistenzen berücksichtigt werden. Um die Wahrscheinlichkeit für Resistenzen abschätzen zu können, ist eine sorgfältige Anamnese erforderlich, die eine Evaluierung der während der letzten drei Monate eingenommenen Antibiotika und des Vorliegens chronischer Erkrankungen beinhaltet. Die Behandlung sollte entsprechend den jeweiligen Produktmonografien fünf bis zehn Tage lang durchgeführt werden. Ultrakurze Behandlungsdauern werden für diese Patientengruppe nicht empfohlen. Bei leichten bis mittelschweren ABRS können topische intranasale Kortikosteroide (INCS) als Einzelmedikamente den Heilungsverlauf beschleunigen. INCS können zudem die Schwere und bei rezidivierender ABRS die Häufigkeit der Episoden reduzieren. An einen Behandlungsfehlschlag sollte gedacht werden, wenn ein Patient innerhalb von 72 Stunden nicht auf die initiale Therapie anspricht. Kommt es nach der Anwendung von intranasalen Kortikosteroiden als Monotherapie zum Fehlschlag, sollte eine antibakterielle Behandlung begonnen werden. Bei einem Fehlschlag der Antibiotikabehandlung wird die Klasse des Antibiotikums gewechselt. Ergänzend wird eine adjuvante Therapie empfohlen. Topische INCS können zusammen mit einem Antibiotikum die Heilungsraten verbessern und die Symptome lindern. Auch Analgetika wie Paracetamol (Panadol® und Generika) oder NSRI, orale Dekongestanzien sowie Kochsalzsprays oder -spülungen können zur Symptomlinderung beitragen. Spricht der Patient auf einen zweiten Behandlungsversuch nicht an, sollte eine Chronifizierung bedacht und der Patient zum Spezialisten überstellt werden. Übersteigt die Wartezeit beim Spezialisten oder bis zum Anfertigen eines CT einen Zeitraum von sechs Wochen, sollte das CT angefordert und inzwischen mit der empirischen Behandlung einer CRS begonnen werden. Bei wiederholten Episoden einer unkomplizierten ABRS mit zwischenzeitlich vollständiger Besserung sind lediglich eine Untersuchung, gegebenenfalls eine Überweisung und ein Versuch mit INCS erforderlich. Bei persistierenden schweren Symptomen sollte eine rasche und dringliche Überweisung zum Spezialisten vorgenommen werden. Mit häufigem Händewaschen kann die Inzidenz der viralen und bakteriellen Sinusitis reduziert werden. Impfstoffe und vorbeugende Antibiotika sind zu diesem Zweck nicht geeignet. Bei isolierten Episoden sind Allergietests oder eine ge-
nauere Untersuchung der Immunfunktion nicht erforderlich. Sie können jedoch zum Nachweis beitragender Faktoren sowie bei häufigen Rezidiven oder chronischen Symptomen hilfreich sein.
Chronische Rhinosinusitis Die Symptome der CRS sind meist weniger ausgeprägt als die der ABRS, halten jedoch länger als vier Wochen an. Eine CRS ist wahrscheinlich, wenn zwei Hauptsymptome (verstopfte Hohlräume im Gesichtsbereich, Schmerzen im Gesicht, Nasenobstruktion, eitrige Absonderungen, Beeinträchtigung des Geruchsinns) über mindestens acht bis zwölf Wochen bei gleichzeitiger Entzündung der Nasennebenhöhlen oder der Nasenschleimhaut bestehen bleiben. Die CRS kann in eine Erkrankungsform mit Polypen und eine ohne Polypen klassifiziert werden. Beide Formen sind durch eitrige Absonderungen und Nasenobstruktion gekennzeichnet. Bei der Erkrankungsform ohne Polypen leiden die Patienten häufig unter Schmerzen und Druckgefühlen im Gesicht, während bei Patienten mit Polypen häufig der Geruchssinn beeinträchtigt ist.
Statements Die CRS wird klinisch diagnostiziert, muss jedoch durch mindestens einen objektiven Befund in der Endoskopie oder im CT bestätigt werden. Die Rhinoskopie ist zur Evaluierung von klinischen Symptomen und Zeichen der CRS von Nutzen. In den wenigen Fällen, in denen eine Bakterienkultur erforderlich ist, sollte endoskopisch eine Probe aus dem Nasenmittelgang oder der Kieferhöhle entnommen werden. Ein einfacher Nasenabstrich ist hier nicht ausreichend. Das bevorzugte bildgebende Verfahren ist der CT-Scan, vorzugsweise in der koronalen Ansicht. Die bildgebende Untersuchung sollte aufgrund einer hohen falschpositiven Rate immer im Rahmen der klinischen Diagnose interpretiert werden. Bei der CRS handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung unklaren Ursprungs, bei der möglicherweise eine bakterielle Kolonisierung zur Pathogenese beiträgt. Die Bedeutung der initiierenden Ereignisse, Umweltfaktoren und Suszeptibilitätsfaktoren des Betroffenen sind bis anhin nicht bekannt. Die Bakteriologie der CRS unterscheidet sich von derjenigen bei ABRS. Als häufigste Pathogene wurden hier Staphylococcus aureus, Enterobacteriaceae spp. und Pseudomonas spp. sowie weniger häufig Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und betahämolysierende Streptokokken nachgewiesen. Umgebungsfaktoren und physiologische Faktoren können die Entwicklung oder das Rezidivieren der CRS prädisponieren. Die gastroösophageale Refluxerkrankung spielt bei Erwachsenen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Liegt die Diagnose einer CRS aufgrund der Anamnese und objektiver Befunde nahe, sollten orale oder topische Steroide mit oder ohne Antibiotika zum Management angewendet werden. Sind keine Polypen vorhanden, beinhaltet das Management nasale oder orale Kortikosteroide und orale Antibiotika. Bei der Erkrankungsform mit Polypen bilden topische INCS und kurzfristige Applikationen oraler Steroide die Eckpfeiler des Managements. Eine Behandlung mit Antibiotika wird hier nur bei Anzeichen einer Infektion
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durchgeführt. Die Auswahl des Antibiotikums unterscheidet sich von derjenigen bei ABRS aufgrund des unterschiedlichen Erregerspektrums. Zur Behandlung der CRS sollten Antibiotika mit breitem Wirkungsspektrum wie Amoxicillin/ Clavulansäure oder Fluorchinolone wie Moxifloxacin (Avalox®, Vigamox®) angewendet werden. Für viele unterstützende Massnahmen, die üblicherweise bei der CRS eingesetzt werden, liegt nur eine begrenzte Evidenz vor. Zum Nutzen der Spülung mit Kochsalzlösung ist die Evidenz jedoch konsistent. Mukolytika, Antihistaminika, Abschwellmittel oder Leukotrienmodifizierer können bei der CRS ebenfalls zur Symptomlinderung von Nutzen sein. Spricht der Patient auf die Behandlung nicht an, sollten andere Diagnosen wie Migräne oder eine temporomandibuläre Dysfunktion in Betracht gezogen werden. In manchen Fällen können chirurgische Eingriffe nach einem Fehlschlag der medikamentösen Behandlung von Nutzen sein. Bei starken Schmerzen, einer Schwellung der Stirnhöhlengegend oder bei immunsupprimierten Patienten wird ein
Otolaryngologe hinzugezogen. Im Rahmen der Beurteilung
einer CRS werden auch Allergietests empfohlen, da poten-
zielle Allergene in der Umgebung des Betroffenen zur CRS
beitragen können. In unkomplizierten Fällen ist eine genaue
Evaluierung der Immunfunktion nicht erforderlich. Ergän-
zend zur Behandlung sollten prophylaktische Massnahmen
zur Vermeidung von Exazerbationen wie häufiges Händewa-
schen, das Einstellen des Rauchens und Spülungen mit Koch-
salzlösung mit dem Patienten besprochen werden.
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Petra Stölting
Desrosiers M, Evans GA: Canadian clinical practice guidelines for acute and chronic rhinosinusitis. Allergy, Asthma & Clinical Immunology 2011; 7: 2–38.
Interessenkonflikte: Die Erstellung der Richtlinie wurde von fünf Pharmaunternehmen finanziert. Um Interessenskonflikte zu minimieren, wurden alle Gelder von der Canadian Society of Otolaryngology – Head and Neck Surgery (CSO-HNS) – verwaltet. Während der Entwicklung der Richtlinie wurde kein Kontakt zur Industrie aufgenommen.
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