Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Walter-Siegenthaler-Preis 2013:
Symptomorientierte Brustkrebsnachsorge ist sinnvoll
Eine über zehn Jahre angelegte Feldstudie zeigte, dass eine symptomorientierte Nachsorge einer aufwendigen apparativen Form hinsichtlich des Gesamtüberlebens nicht unterlegen war. Nun wurde das Stuttgarter Autorenteam um Dr. med. Sven Bornhak für diese Studie mit dem DMW-WalterSiegenthaler-Preis ausgezeichnet. Für die Brustkrebsnachsorge werden in der Regel erst dann weitere Untersuchungen empfohlen, wenn erneut Beschwerden auftreten. Bornhak und sein Team untersuchten, ob eine engmaschigere Kontrolle unabhängig vom Auftreten von Symptomen das Überleben der Betroffenen verlängern würde. Zur intensiv-apparativen Nachsorge zählten Röntgenaufnahmen des Brustkorbs, Ultraschalluntersuchungen der Leber sowie die Bestimmung von Tu-
mormarkern und weitere Laboruntersuchungen. Von 1995 bis 2000 nahmen 670 Patientinnen mit erstmals operiertem Brustkrebs an der Studie teil. 244 davon entschieden sich für einen apparativen Nachsorgeplan, 426 für die symptomorientierte Nachsorge, das heisst, bei ihnen fanden weitere Untersuchungen erst nach einer wahrnehmbaren Veränderung des Allgemeinbefindens statt. Für beide Gruppen waren die sorgfältige Aufnahme der Krankengeschichte, eine klinische Untersuchung sowie eine regelmässige Mammografie vorgeschrieben. Darüber hinaus verglichen die Forscher die Studienteilnehmerinnen beider Gruppen mit 1100 Nichtteilnehmerinnen aus dem Stuttgarter Klinischen Krebsregister.
Für die Teilnehmerinnen der symptomorientierten Nachsorgegruppe ergab sich eine geschätzte 10-Jahres-Überlebensrate von rund 83 Prozent gegenüber 79 Prozent für intensiv-apparativ betreute Patientinnen. Bei der Vergleichsgruppe der Nichtteilnehmerinnen lag die 10-Jahres-Überlebensrate bei etwa 80 Prozent. «Unsere Daten bestätigen, dass die intensiv-apparative Nachsorge im Vergleich zur symptomorientierten keine Vorteile hinsichtlich eines verlängerten Gesamtüberlebens bringt», so die Preisträger. Für die Praxis sei es daher sinnvoll und ressourcensparend, die symptomorientierte klinische Nachsorge anzuwenden. Wichtig sei jedoch nach wie vor die regelmässige Mammografie.
Thieme/RBO❖
Bornhak S, Heidemann E, Meisner C et al.: Symptomorientierte Nachsorge nach Mammakarzinom im Vergleich zur intensiv-apparativen Nachsorge. Ergebnisse einer prospektiven multizentrischen Studie: Update und 10-Jahres-Überlebenszeit. Dtsch med Wochenschr 2012; 137(42): 2142–2148 und Pressemitteilung des Thieme Verlags, 12. April 2013.
Herz-Kreislauf-Prävention
Spazierengehen ist genauso gut wie Joggen ...
… sofern die gleiche Menge Energie dafür eingesetzt wird. Dies ergab der Vergleich zweier Kohorten, nämlich der US-amerikanischen National Runners' Health Study II und der National Walkers' Health Study. Gesucht wurde dabei nach allfälligen Zusammenhängen zwischen der Inzidenz von Bluthochdruck, Hypercholesterinämie, Diabetes und KHK und dem persönlichen Lauf- beziehungsweise Wanderpensum. Kohortenmitglieder, die be-
reits die genannten kardiovaskulären Risikofaktoren aufwiesen, wurden zunächst ausgesiebt. Übrig blieben 33 060 Jogger und 15 945 Spaziergänger. Innerhalb von rund sechs Jahren traten insgesamt 3874 neue Fälle an Bluthochdruck auf, 6637 neu diagnostizierte Hypercholesterinämien, 647 neue Diabetes- und 530 neue KHK-Fälle. Auf den ersten Blick waren die Jogger erfolgreicher in der Prävention, denn im Vergleich mit den Spaziergängern war ihr Risiko für Bluthochdruck oder Hypercholesterinämie um ein gutes Drittel niedriger, das Diabetesrisiko gar um 71 Prozent. Berechnete man aber den präventiven Effekt pro Energieeinheit, so zeigte sich, dass Spazierengehen genauso wirksam war – natürlich in einem wesentlich längeren Zeitraum pro Trainingseinheit. Die Autoren der Studie definierten als Energieeinheit das MET (metabolic
equivalent), das heisst einen Verbrauch
von 3,5 ml Sauerstoff pro Kilogramm
Körpergewicht pro Minute. Dies ent-
spricht einer mittleren körperlichen
Belastung beziehungsweise einem drei-
bis sechsfach höheren Sauerstoffver-
brauch als im Sitzen.
Ein Jogger verbrauchte im Durch-
schnitt 5,29 MET-Stunden pro Tag,
während es beim Spaziergänger nur 2,2
MET-Stunden pro Tag waren. Der Ver-
gleich auf MET-Basis zeigte nun, dass
1 MET einen vergleichbaren präven-
tiven Effekt hat, gleichgültig, ob man es
durch Joggen oder durch Spazierenge-
hen verbraucht.
RBO❖
Quellen: Williams PT, Thompson PD: Walking versus running for hypertension, cholesterol, and diabetes mellitus risk reduction. Arterioscler Thromb Vasc Biol 2013; DOI: 10.1161/ATVBAHA.112.300878, online first 4 Apr 2013 und ‚Run or Walk: Gains in Heart Health Similar, MedPage online 4 Apr 2013.
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ARS MEDICI 8 ■ 2013
DieselDemon, cc
Pädiatrie
Frühes Laufen kein Intelligenzmerkmal
Der Zeitpunkt der ersten Schritte lasse keine Schlüsse auf die Intelligenz zu, heisst es in einer Pressemitteilung des Schweizerischen Nationalfonds. Im Durchschnitt machen Kinder im Alter von 12 Monaten ihre ersten selbstständigen Schritte. Doch wann es genau
passiert, sagt offenbar nichts über Intelligenz und Motorik: Kinder, die früher zu gehen beginnen, sind später weder intelligenter noch motorisch geschickter. Dies ist das Resultat einer Studie unter der Leitung von Oskar Jenni vom Kinderspital Zürich und Valentin Rousson von der Uni-
versität Lausanne. Im Rahmen der Zürcher
Longitudinalstudie wurde dafür die Entwick-
lung von 119 Jungen und 103 Mädchen ver-
folgt. Die Kinder wurden in den ersten beiden
Lebensjahren siebenmal untersucht. Im
Schulalter erfolgten alle 2 bis 3 Jahre Bewe-
gungs- und Intelligenztests. Die Studie zeigt,
dass die Kinder im Alter zwischen etwas we-
niger als 4 und 13 Monaten – im Durch-
schnitt im Alter von 6,5 Monaten – erstmals
aufrecht sitzen. Zu gehen beginnen sie im
Alter zwischen 8,5 und 20 Monaten, im
Schnitt mit 12 Monaten. Die Streuung ist also
beträchtlich.
Die Studienautoren raten Eltern deshalb zu
mehr Gelassenheit, betonen aber, dass auf
das Alter bei den ersten Schritten trotzdem zu
achten sei: Wenn ein Kind nach 20 Monaten
noch nicht selbstständig gehe, seien weiterge-
hende medizinische Abklärungen ange-
bracht.
SNF/RBO❖
Barnes DE et al.: The Mental Activity and eXercise (MAX) Trial. A Randomized Controlled Trial to Enhance Cognitive Function in Older Adults. JAMA Intern Med, published online April 1, 2013. doi:10.1001/jamainternmed.2013.189.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Woran starb Herr Atkins?
Am 17. April 2003 starb Robert Atkins im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Sturzes. Er gilt vielen als Erfinder der Low-Carb-Diät, obwohl bereits vor 150 Jahren der britische Unternehmer William Banting eine Broschüre publizierte, in der er schilderte, wie er auf Rat seines Arztes mit einer kohlenhydratarmen Diät erfolgreich abnahm. Man nimmt an, dass Bantings Broschüre beziehungsweise ein Bericht darüber 100 Jahre später Robert Atkins auf seine gleichermassen wirksame wie gewinnbringende Abnehmstrategie brachte. Als Atkins starb, waren Low-carbDiäten allerdings gerade nicht in Mode, so dass in der Presse genüsslich aus dem Autopsiebericht zitiert wurde, wonach Atkins im Alter fettleibig gewesen sei.
Vor 50 Jahren
Allergieklassifikation
Robert Coombs und Philipp Gell klassifizieren vier Typen von Überempfindlichkeitsreaktionen nach den jeweils zugrunde liegenden Mechanismen. Vereinfacht gesagt ist Typ I die über IgE- und Mastzellen vermittelte Sofortreaktion, wie etwa bei einer anaphylaktischen Reaktion auf Bienengift (s. Abbildung [Wikipedia Christopher Strei-
nosha, cc
Grosses Lifestyle-Experiment auf Bevölkerungsebene:
Gewicht runter, Gewicht rauf = ?
Unter dem Namen «Sonderperiode in Friedenszeiten» («Período especial en tiempo de paz») ist in Kuba jene schwere Wirtschaftskrise von 1991 bis 1995 bekannt, die das Volk in zunehmenden Nahrungsmangel und wegen ausbleibender Treibstofflieferungen in vermehrte körperliche Bewegung trieb. Inzwischen wurden einige gesundheitliche Auswirkungen wissenschaftlich ausgewertet und soeben im «British Medical Journal» publiziert. Die Beobachtungsstudie stützt sich auf Messungen repräsentativer Stichproben aus der Stadt Cienfuegos an der kubanischen Südküste in den Jahren 1991, 1995, 2001 und 2010 sowie auf Daten des Gesundheitswesens zu Prävalenz und Inzidenz von Diabetes und Mortalitätsberechnungen. Was so nicht geplant, aber zu vermuten war, trat ein: Die Bevölkerung erfuhr einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von 5,5 Kilogramm, und dieser Gewichtsrückgang war begleitet von abrupten Abnahmen der Häufigkeit von Diabe-
tes und von Herzerkrankungen. Die an-
schliessende wirtschaftliche Erholung auf der
Karibikinsel führte zu einem Rebound beim
Körpergewicht (Prävalenz von Übergewicht
und Adipositas: 33,5% im Jahr 1995, 52,9%
im Jahr 2010). Diese bevölkerungsweite Ge-
wichtszunahme war unmittelbar (immedia-
tely), gefolgt von einem Anstieg der Diabete-
sprävalenz um 116 Prozent und der -inzidenz
um 140 Prozent. Nach sechs Jahren Ge-
wichtsrebound nahm die Diabetesmortalität
um 49 Prozent zu. Die Gleichung «weniger
Gewicht gleich weniger Diabetes» traf in
Kuba also ebenso zu wie ihre Umkehrung. Die
Mortalitätsraten für Stroke und Koronarer-
krankung sanken im Anschluss an die «Son-
derperiode» sehr deutlich, inzwischen ist aber
der Rückgang wieder abgeflacht.
HB❖
Manuel Franco et al.: Population-wide weight loss and regain in relation to diabetes burden and cardiovascular mortality in Cuba 1980–2010: repeated cross sectional surveys and ecological comparison of secular trends. doi: 10.1136/bmj.f1515.
bert/Mæx]). Die Typ-II-Reaktion läuft über zytotoxische Prozesse wie Killerzellen und komplementinduzierte Lyse, Typ-III-Reaktionen werden über Immunkomplexe vermittelt, und Typ-IV-Reaktionen sind verzögerte allergische Reaktionen, wie zum Beispiel bei einer Kontaktallergie oder beim Tuberkulintest. In der Praxis kommen zahlreiche Mischformen vor, und die Klassifikation wurde im Lauf der Jahre verfeinert.
Vor 100 Jahren
Tuberkulintherapie
Obgleich zu dieser Zeit eigentlich längst klar ist, dass Tuberkulin kein Heilmittel gegen Tuberkulose ist, debattiert man noch immer über das Für und Wider der sogenannten «Tuberkulintherapie». Am 3. Mai 1913 wird im «British Medical Journal» ein entsprechender Review publiziert, gefolgt von dem Aufruf eines Autors, die Tuberkulinkur in Praxis und Spital einheitlich durchzuführen – nur genützt hat diese «Therapie» leider sowieso nichts, ganz im Gegenteil. Tuberkulin kam erst später im Tuberkulintest als Diagnostikum für den Nachweis einer Exposition mit Tuberkelbazillen zu verdienten Ehren.
RBO❖