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SGP
Long COVID
Vollständige respiratorische Genesung von COVID-19 möglich
Bei hospitalisierten COVID-19-Patienten persistieren nicht selten auch respiratorische Symptome über längere Zeit. Wie sich diese im Zeitverlauf entwickeln, untersuchten eine Schweizer und eine chinesische Studie. Eine Komplettheilung ist bei einigen Patienten erreichbar. Zur Unterstützung der respiratorischen Abklärung und Behandlung gebe es nun neu Schweizer Empfehlungen zur Nachsorge von Post-COVID-Lungenpatienten, berichtete PD Dr. Manuela Funke-Chambour, Universitätsklinik für Pneumologie und Allergologie, Inselspital Bern, am virtuellen Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie.
Von einer akuten Infektion mit SARS-CoV-2 erholen sich die meisten Patienten innerhalb von 4 Wochen, die respiratorischen Symptome können aber bis zu 12 Wochen oder länger andauern. Manche Patienten berichten noch bis zu 6 Monate und darüber hinaus von Symptomen wie beispielsweise Fatigue, Dyspnoe, Husten, Depression, Palpitationen, Thoraxschmerzen oder Haarverlust (1). Die symptomatische Phase nach abgeheilter Infektion nach 4 Wochen wird als Long COVID oder Post-COVID-19-Syndrom bezeichnet, eine einheitliche Definition gebe es dafür aber nicht, so Funke-Chambour. Folgeschäden einer SARS-CoV-2-Infektion können sich in der Lunge manifestieren, aber auch neurologische Folgeschäden, kardiovaskuläre Spätfolgen, rheumatologische und immunologische Langzeitschäden kommen vor. Zu den beobachteten pulmonalen Folgeerscheinungen einer SARS-CoV-2-Infektion gehören beispielsweise Lungenembolien in der akuten Phase, persistierender Husten bei postviraler bronchialer Hyperreagibilität, Bronchiolitis, organisierende Pneumonie, selten auch eine Lungenfibrose.
Quelle: «Swiss COVID lung study», Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 17. bis 18. Juni 2021, virtuell.
Swiss COVID Lung Study
Um weitere Klarheit über Art und Dauer dieser pneumologischen Folgen zu erhalten, wurde die Swiss COVID Lung Study, eine prospektive Beobachtungsstudie, initiiert. Aus einem Netzwerk von 9 Schweizer Zentren werden dazu Daten zu pulmonalen Folgeerscheinungen nach COVID-19 gesammelt. Eine erste bereits publizierte Auswertung nach einem initialen Follow-up nach 4 Monaten nach milder bis moderater oder schwerer bis kritischer COVID-19 präsentierte Funke-Chambour am SGP-Kongress. 113 Patienten, die COVID-19 überlebt hatten, wurden in die Studie eingeschlossen. Davon erlitten 47 Patienten eine mittelschwere bis schwere, 66 eine schwere bis kritische Erkrankung. 4 Monate nach der Erkrankung zeigten Patienten mit schwerem Verlauf eine stärkere Sauerstoffentsättigung im Belastungstest als jene mit weniger schwerem Verlauf. In der Computertomografie (CT) waren bei jenen mit schwerem Verlauf häufiger Hypoattenuationen (Air-Trapping) als mögliches Zeichen für eine Bronchiolitis zu sehen (2).
Eine weitere prospektive Studie aus China untersuchte eben-
falls respiratorische Langzeitfolgen bei 135, median 60 Jahre
alten COVID-19-Patienten, die in Wuhan hospitalisiert wer-
den mussten, aber keine mechanische Ventilation benötigten.
Gemäss den ersten Resultaten besserten sich die Dyspnoe und
die Belastungskapazität mit der Zeit bei den meisten vollstän-
dig, nur bei einer kleinen Subgruppe persistierte nach 12
Monaten eine physiologische und radiografisch erkennbare
Veränderung (3). Die Werte der CO-Diffusionskapazität, der
forcierten Vitalkapazität sowie des 6-Minuten-Gehtests bes-
serten sich ebenfalls im Verlauf der 12 Monate (3). Die Daten
des Verlaufs 12 Monate nach COVID-19 in der Schweizer
Studie werden gerade ausgewertet.
Die Resultate dieser Studien zeigen, dass sich die Lungen-
parameter nach einer spitalpflichtigen SARS-CoV-2-Infek-
tion bei vielen Patienten nach mehreren Monaten bis zu
einem Jahr erholen können. In Ermangelung von Standards
oder Evidenz zur Diagnose und Behandlung dieser Post/
Long-COVID-Patienten hat die Schweizerische Gesellschaft
für Pneumologie in Zusammenarbeit mit der Swiss COVID
Lung Study Group mittels Delphi-Methode Empfehlungen
für die Nachbeobachtung und Behandlung von pneumologi-
schen Post/Long-COVID-Patienten für Pneumologen erar-
beitet (4). Gemäss diesen sollten beispielsweise alle wegen
COVID-19 hospitalisierten Patienten mit Lungenentzün-
dung pneumologisch kontrolliert werden, einschliesslich
jener Patienten mit milder akuter Erkrankung, aber persis-
tierender Symptomatik bezüglich der Lunge. Patienten mit
persistierenden Symptomen nach COVID-19 sollten ausser-
dem auf Post-COVID-19-Syndrom spezialisierte Netzwerke
oder Zentren hingewiesen werden. Für von COVID-19 ge-
nesene Patienten mit persistierenden respiratorischen Symp-
tomen wird eine pulmonale Rehabilitation empfohlen (4),
das entspricht auch internationalen Guidelines für die Nach-
sorge von COVID-19-Patienten (5).
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Valérie Herzog
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SGP
Referenzen: 1. Nalbandian A et al.: Post-acute COVID-19 syndrome. Nat Med.
2021;27(4):601-615. 2. Guler SA et al.: Pulmonary function and radiological features
4 months after COVID-19: first results from the national prospective observational Swiss COVID-19 lung study. Eur Respir J. 2021;57(4):2003690. 3. Wu X et al.: 3-month, 6-month, 9-month, and 12-month respiratory outcomes in patients following COVID-19-related hospitalisation: a prospective study. Lancet Respir Med. 2021;9(7):747754. 4. Funke-Chambour M et al.: Swiss recommendations for the follow-up and treatment of pulmonary long COVID. Respiration. 2021; 100(8):826-841. 5. Spruit MA et al.: COVID-19: Interim guidance on rehabilitation in the hospital and post-hospital phase from a European Respiratory Society and American Thoracic Society-coordinated international task force. Eur Respir J. 2020;56(6):2002197.
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