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Pulmonale arterielle Hypertonie
Neues Biologikum kehrt den RemodelingProzess um
Patienten mit idiopathischer pulmonaler Hypertonie (PAH) dürfen Hoffnung schöpfen. Nachdem es jahrelang keine Therapie gegeben hat, die die Progression der PAH aufhalten konnte, ist jetzt mit Sotatercept ein vielversprechendes Biologikum in Entwicklung. Die Phase-II-Studie habe sehr ermutigende Ergebnisse geliefert, wie Studienleiter Prof. Marc Humbert, Klinik für Respiratorische und Intensivmedizin, Hôpital Bicêtre, Paris (F), am virtuellen Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie berichtete.
Quelle: «New treatment and treatment strategies in PAH», Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie, 17. bis 18. Juni 2021, virtuell.
Die PAH ist aufgrund progressiven strukturellen Remodelings der kleinen Lungengefässe eine schwere Lungengefässerkrankung. Der durch die zunehmende Lumenverengung erhöhte Druck in den Lungenarterien (> 25 mmHg; Normalwert < 20 mmHg) führt zu einer steigenden Rechtsherzbelastung, was unbehandelt Herzversagen und Tod zur Folge haben kann. Die Erkrankung sei mit einer Prävalenz von 15 bis 50/Million nicht häufig, gehöre aber dennoch nicht zu den Orphan Diseases, erklärte Humbert. In den letzten 20 Jahren wurden einige Substanzen zur Therapie zugelassen: Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Ambrisentan, Bosentan), PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil), Guanylatzyklase-Stimulator (Riociguat) und Prostazyklin (Epoprostenol, Treprostinil, Iloprost). Hilft kein Medikament, ist die Lungentransplantation die letzte Option. Die Pathogenese der PAH lässt sich über 3 verschiedene Wege beeinflussen: über den endothelialen Pathway, den NOPathway und den Prostazyklin-Pathway. Es sei sinnvoll, medikamentös gleichzeitig verschiedene Pathways durch Kombinationstherapien zu beeinflussen, so Humbert. Bei Patienten mit einem geringen 1-Jahres-Mortalitäts-Risiko (< 5%), ist eine Monotherapie ausreichend, bei einem Risiko > 10 Prozent, ist eine Kombinationstherapie angezeigt. Die Therapieantwort soll bei stabilen Patienten gemäss den Guidelines der European Respiratory Society (ERS) und der European Society of Cardiology (ESC) alle 3 bis 6 Monate mit verschiedenen Untersuchungen beurteilt werden. Dazu gehören die klinische Untersuchung, ein kardiopulmonaler Belastungstest, biochemische Marker wie BNP, hämodynamische Parameter wie der kardiale Index, der rechtsatriale Druck und die Sauerstoffsättigung, und die Echokardiografie als Bildgebung (1, 2). Trotz der engen Begleitung liegt die Lebenserwartung ab Diagnosestellung lediglich bei etwa 7 Jahren. Vor diesem Hintergrund eröffnet die Einflussnahme von neuen Pathways des vaskulären Remodelings wie beispielsweise der abnormalen Proliferation neue Wege. Grundlage dazu sind Erkenntnisse, wonach der BMP-Signalweg (BMP: bone morphogenetic protein receptor) bei Patienten mit familiärer primärer PAH defekt ist. Diese wird durch Mutationen im BMPR2-Gen verursacht. Des Weiteren spielen die TGF-b-Superfamilie und der Smad-Signalweg eine wichtige
Rolle bei der Erhaltung der Blutgefässintegrität. Diese sind
bei der primären PAH hochreguliert, und die BMPR2-Ex-
pression ist reduziert.
Das dafür entwickelte Fusionsprotein Sotatercept bringt die
gestörte Signalgebung zwischen pro- und antiproliferativen
Signalwegen durch Bindung an die TGF-b-Superfamilie wie-
der ins Gleichgewicht und kehrt den Remodelingprozess bei
PAH um (3). Die kürzlich abgeschlossene und publizierte
klinische Phase-II-Multizenterstudie PULSAR untersuchte
die Wirkung doppelblind randomisiert bei 106 Patienten mit
PAH, die unter einer Standardtherapie stabil waren. Diese
kann aus einer Mono-, einer Zweifach- oder einer Dreifach-
therapie bestehen, meist mit einem Endothelin-Rezeptor-
Antagonisten, PDE-5-Hemmer, Guanylatzyklase-Stimulator
und/oder Prostazyklin. Die meisten Patienten litten unter
einer idiopathischen PAH und standen unter einer Dreifach-
therapie. In der Studie erhielten sie zusätzlich zu ihrer Stan-
dardtherapie 3-wöchentlich subkutan Sotatercept 0,3 mg/kg
oder 0,7 mg/kg oder Plazebo während 24 Wochen. Als pri-
märer Endpunkt war der Lungengefässwiderstand bei Stu-
dienende definiert, als sekundäre Endpunkte galten unter
anderem die Gehdistanz in 6 Minuten sowie Veränderungen
von NT-BNP.
Nach 24 Wochen zeigten die Patienten unter beiden Sotater-
ceptdosierungen einen signifikanten Rückgang des Gefäss-
widerstands um 20 beziehungsweise 34 Prozent. In der Ver-
umgruppe verdoppelte sich die zurückgelegte Distanz im
6-Minuten-Gehtest im Vergleich zu Plazebo (58 bzw. 50 m
vs. 29 m [Plazebo]), der NT-BNP-Wert fiel um 51 Prozent.
Unter dem Verum wurden Thrombozytopenie und ein er-
höhter Hämoglobinspiegel als die häufigsten hämatologi-
schen Nebenwirkungen genannt. Ein Patient unter der
0,7-mg-Dosierung verstarb infolge eines Herzstillstands.
Mit diesen Ergebnissen habe das Konzept mit diesem neuen
Wirkmechanismus bestätigt werden können, so Studienleiter
Humbert. Ein Phase-III-Studienprogramm (STELLAR, HY-
PERION, ZENITH) wurde gestartet.
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Valérie Herzog
CongressSelection Kardiologie | Pneumologie | August 2021
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Referenzen: 1. Galiè N et al.: 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and
treatment of pulmonary hypertension. The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS). Eur Respir J. 2015;46(6):1855-1856. 2. Konstantinides SV et al.: 2019 ESC Guidelines for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism developed in collaboration with the European Respiratory Society (ERS): The Task Force for the diagnosis and management of acute pulmonary embolism of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Respir J. 2019;54(3):1901647. 3. Humbert M et al.: Sotatercept for the Treatment of Pulmonary Arterial Hypertension. N Engl J Med. 2021;384(13):1204-1215.
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