Transkript
FORTBILDUNG
SGLT-2-Hemmer
Was ist denn das?
Was Innovationen auf dem Gebiet der oralen Antidiabetika angeht, bleibt es spannend. Nach den inkretinbasierten Medikamenten steht nun eine neue Substanzgruppe in den Startlöchern, die offenbar einiges zu bieten hat: die sogenannten SGLT-Hemmer.
HELLMUT MEHNERT
Die Geschichte der oralen Antidiabetika ist wechselhaft und immer für eine Überraschung gut. So kamen die Biguanide Ende der Zwanzigerjahre zunächst nicht auf den Markt, da mit den Diguanidinen – also anderen Guanidinabkömmlingen – in der Praxis keine allzu guten Erfahrungen gemacht worden waren. Das änderte sich schlagartig 1955/56, als die Biguanidpräparate Phenformin, Buformin und Metformin auf den Markt kamen. Etwa zwei Jahrzehnte später mussten dann Phenformin und Buformin wegen vermehrter Laktazidosen aus dem Handel genommen werden. Metformin kam mit einem «blauen Auge» davon, wurde in seinem Einsatz aber strengen Indikationen unterzogen. Erst 1998 erkannte man durch die Ergebnisse der UKPDS-Studie, dass Metformin, das im Übrigen einen anderen Metabolismus als Phenformin und Buformin aufweist, von grossem Nutzen in der Behandlung des Typ-2Diabetes sein kann. Metformin wurde sozusagen vom Stiefkind zum Kronprinzen und zudem nicht nur der weltweit bevorzugte Kombinationspartner für alle anderen oralen Antidiabetika, sondern auch die erste Behandlungsstufe zusammen mit Ernährungs- und Bewegungstherapie bei Typ-2-Diabetes. Weitere Rätsel gab die Geschichte der Inkretin-basierten Medikamente auf. Hier hat die Pharmazie die frühen Ergebnisse aus der Creutzfeldt-Gruppe, vor allem von Nauck aus dem Jahr 1989, buchstäblich verschlafen und erst im neuen Jahrtausend den günstigen Effekt auf GLP-1-Wirkungen ausgenutzt. Auch scheinen sich hier günstige kardiovaskuläre Ergebnisse und womöglich ein Betazell-protektiver Effekt
Merksatz
❖ Mit den SGLT-2-Hemmern bahnt sich eine erfreuliche Entwicklung auf dem Markt der oralen Antidiabetika an.
anzudeuten, was allerdings noch in Langzeitstudien belegt werden muss. Nicht bewiesen werden muss der mit dem Wirkmechanismus zusammenhängende, eminent wichtige Befund, dass unter diesen Substanzen keine Hypoglykämien und keine nachteilige Beeinflussung des Körpergewichts zu vermelden sind.
Wirkprinzip der SGLT-2-Hemmer Weitere neue orale Antidiabetika befinden sich in klinischer Prüfung und drängen allmählich auf den Markt. Besonders vielversprechend scheinen die 2012 vor der Markteinführung stehenden SGLT-2-Hemmer (= Sodium-Glucose-CoTransporter 2) mit dem Präparat Dapagliflozin zu sein. Für letztere Substanz wurde im April 2012 von einem Komitee (CHMP) der European Medicines Agency (EMA) die Zulassung erteilt, und sie wurde umfassend für verschiedene Indikationen empfohlen. Das Wirkprinzip: Die zu 90 Prozent über den Transporter 2 in der Niere erfolgende Glukoserückresorption wird gehemmt und damit Glukose im Harn ausgeschieden. So kommt es zu einer Verminderung des Nüchternblutzuckers, des postprandialen Blutzuckers sowie des HbA1c-Werts, und damit werden erfreulicherweise durch die Glukosurie rund 200 Kalorien über den Harn ausgeschieden. Der Blutdruck wird durch die gleichzeitige Natriurese leicht gesenkt. Im Vergleich zu Plazebo ergaben sich im Hinblick auf unerwünschte Ergebnisse keine grösseren Unterschiede. Hypoglykämien sind praktisch ausgeschlossen. Neben der Monotherapie bestehen Kombinationsmöglichkeiten mit allen anderen oralen Antidiabetika und auch sehr erfolgreich mit Insulin. Das sind erfreuliche Ergebnisse. Allerdings muss man sich noch mehr Langzeituntersuchungen wünschen, um festzustellen, ob die Zahl der Harnwegsinfektionen (bisher nicht signifikant erhöht) und der bei glukosurischen Diabetikerinnen häufigen infektionsbedingten Vaginitiden nicht ein Problem darstellt. Alles in allem muss man aber sagen, dass sich hier eine weitere, wohl günstige, erfreuliche Entwicklung auf dem so lebhaft bewegten Markt der oralen Antidiabetika anbahnt. ❖
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert Forschergruppe Diabetes e.V., Drosselweg 16, D-82152 Krailling E-Mail: h@mehnert-diabetes.de
Interessenkonflikte: keine
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 13/2012. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Einige aktuelle Ergänzungen waren erforderlich.
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ARS MEDICI 6 ■ 2013