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FORTBILDUNG
Wann Endoskopie bei Reflux?
Guidelines des American College of Physicians zum Vorgehen bei GERD
Die Endoskopie wird zu Diagnose und Management der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) verbreitet eingesetzt. Die verfügbare Evidenz spricht dafür, diese Untersuchung nur bei bestimmten Indikationen vorzunehmen. Überdiagnostik bedeutet – auch in dieser klinischen Situation – höhere Kosten und unnötige Risiken ohne Verbesserung der Outcomes.
ANNALS OF INTERNAL MEDICINE
Das Clinical Guidelines Committee des American College of Physicians (ACP) hat in multidisziplinärer Zusammensetzung die Literatur zur Endoskopie bei GERD und zur Epidemiologie des Speiseröhrenadenokarzinoms zusammengetragen und die Guidelines verschiedener Berufsorganisationen studiert, ohne einen formellen systematischen Review vorzunehmen.
GERD, Barrett-Ösophagus und Adenokarzinom Die Definition der Refluxkrankheit stellt auf die Symptome Sodbrennen und saures Aufstossen ab und verlangt nicht not-
Merksätze
❖ Empfehlungen des American College of Physicians plädieren für einen insgesamt zurückhaltenderen Umgang mit der oberen gastrointestinalen Endoskopie bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD).
❖ Bei unkomplizierter GERD soll vor einer Endoskopie ein konsequenter Therapieversuch mit einem Protonenpumpeninhibitor stehen.
❖ Bei Frauen allgemein und bei Patienten unter 50 Jahren ist das Risiko für Speiseröhrenkrebs sehr gering; entsprechend bringen hier Endoskopien eine äusserst magere Ausbeute und sollen nicht zum Screening eingesetzt werden.
❖ Die Diagnose Barrett-Ösophagus bedeutet nicht automatisch eine Indikation zu seriellen Endoskopien in kurzen Abständen.
wendig eine Gewebeschädigung. Tatsächlich haben 50 bis 80 Prozent der Betroffenen eine nicht erosive Refluxerkrankung. Ungefähr 10 Prozent der Patienten mit chronischem Sodbrennen weisen jedoch einen Barrett-Ösophagus mit metaplastischen Veränderungen auf, in denen das normale Pflasterzellepithel der Speiseröhre zu einem spezialisierten Zylinderepithel umgewandelt wird. Sowohl GERD wie Barrett-Ösophagus sind mit einem erhöhten Risiko für ein Adenokarzinom assoziiert. Zwar bleibt das Risiko für diesen Speiseröhrenkrebs in der Allgemeinbevölkerung sehr niedrig, hat sich aber in den letzten 40 Jahren in den USA verfünffacht. Die Prognose dieses Karzinoms ist mit 5-Jahres-Überlebensraten von unter 20 Prozent schlecht geblieben. Das Adenokarzinom der Speisröhre kann sich aus einem Barrett-Ösophagus über progressive Dysplasiestadien entwickeln. So beträgt das Krebsrisiko bei Barrett-Ösophagus ohne Dysplasie 0,1 bis 0,5 Prozent pro Patientenjahr, bei schon hochgradiger Dysplasie hingegen 6 bis 19 Prozent pro Patientenjahr.
Endoskopie zum Adenokarzinom-Screening Nicht weiter erstaunlich hat mit der Zunahme von chronischen GERD-Symptomen auch die Häufigkeit von Endoskopien zugenommen, da man sich davon vielerorts eine frühere Diagnose und Mortalitätsreduktion bei Speiseröhrenkrebs erhofft. Obwohl dies theoretisch einleuchtend erscheint, ist der Nutzen von Screeningprogrammen bei Barrett-Ösophagus begrenzt. Zum einen haben GERD-Symptome eine geringe Sensitivität und Spezifität als Prädiktoren des Krebsrisikos, denn rund 40 Prozent der Patienten mit Adenokarzinom der Speiseröhre haben kein Sodbrennen, und bei über 50-Jährigen mit Sodbrennen wird das jährliche Krebsrisiko auf gerade einmal 0,04 Prozent geschätzt. Zum anderen bedeuten andere Faktoren als Sodbrennen eine wesentlich höhere Gefährdung. Männer haben nämlich ein weitaus höheres Risiko für Ösophaguskarzinom als Frauen, ungefähr 80 Prozent dieser Krebsfälle treten bei Männern auf. Ausserdem können Endoskopien mit Biopsien Dysplasien verpassen, und auch die Beurteilung der Histologie ist alles andere als einfach. Die Nützlichkeit der endoskopischen Überwachung wird auch durch die niedrige Inzidenz von Adenokarzinomen bei nicht dysplastischem Barrett-Ösophagus limitiert. Eine Studie bei solchen Patienten fand nach fünfjährigem Follow-up bei weniger als 2 Prozent ein Karzinom. Als wichtigsten Kritikpunkt nennen die Autoren der ACP-Empfehlungen jedoch das Fehlen von direkter Evidenz, dass Screening und
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Kasten 1:
Empfehlungen des American College of Physicians zum Einsatz der Endoskopie bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD)
Empfehlung Nr. 1
Eine Endoskopie ist indiziert bei Männern und Frauen mit Sodbrennen und Alarmsymptomen wie Schluckbeschwerden, Blutung, Anämie, Gewichtsverlust und wiederholtem Erbrechen.
Empfehlung Nr. 2
Eine Endoskopie ist indiziert bei Männern und Frauen mit:
❖ typischen GERD-Symptomen, welche trotz eines Behandlungsversuchs über 4 bis 8 Wochen mit zweimal täglicher PPI-Einnahme anhalten;
❖ schwerer erosiver Ösophagitis nach zweimonatiger PPI-Behandlung zur Evaluation des Therapieerfolgs und zum Ausschluss eines Barrett-Ösophagus (eine Wiederholung der Endoskopie nach dieser Follow-up-Untersuchung ist bei Fehlen eines Barrett-Ösophagus nicht indiziert);
❖ Ösphagusstriktur in der Anamnese und wieder auftretenden Dysphagiesymptomen.
Empfehlung Nr. 3
Eine Endoskopie kann indiziert sein:
❖ bei Männern über 50 Jahre mit chronischen GERD-Symptomen (Dauer > 5 Jahre) und zusätzlichen Risikofaktoren wie nächtlichen Refluxsymptomen, Hiatushernie, erhöhtem BMI, Tabakkonsum, intraabdominaler Adipositas zum Ausschluss eines Adenokarzinoms oder Barrett-Ösophagus;
❖ zur Überwachung bei Männern und Frauen mit anamnestisch belegtem Barrett-Ösophagus. Bei Barrett-Ösophagus ohne Dysplasie sollen die Überwachungsuntersuchungen nicht häufiger als alle 3 bis 5 Jahre erfolgen. Kürzere Intervalle sind indiziert bei Patienten mit Barrett-Ösophagus und Dysplasie.
Kasten 2:
Zur empirischen Therapie unkomplizierter Refluxbeschwerden geeignete Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Esomeprazol Lansoprazol Omeprazol Pantoprazol Rabeprazol
Nexium® oder Generika Agopton® oder Generika Antramups® oder Generika Pantozol®, Zurcal® oder Generika Pariet® oder Generika
endoskopische Überwachungsprogramme zu einer Abnahme der Mortalität an Speiseröhrenkrebs führen. Daher ist es wenig überraschend, dass verschiedene Fachorganisationen durchaus unterschiedliche Empfehlungen formuliert haben und dass diese Empfehlungen durch die generell schlechte Qualität der Daten zu Screening und
Monitoring belastet waren und sich oft genug auf Expertenmeinungen stützten.
Wann Endoskopie bei chronischer GERD? Meistens sind es die Hausärztin oder der Hausarzt, die zuerst mit den Refluxsymptomen konfrontiert werden und entscheiden müssen, welches das geeignete Vorgehen ist. Bei den meisten Patienten mit typischen GERD-Symptomen wie Sodbrennen und sauerem Aufstossen ist ein empirischer Therapieversuch mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) als tägliche Einmaldosis gerechtfertigt und eine Endoskopie nicht indiziert. Ist diese Behandlung nicht erfolgreich, kann auf eine Verabreichung zweimal pro Tag gewechselt werden. Wenn eine derart intensivierte PPI-Therapie über 4 bis 8 Wochen nicht zum Erfolg geführt hat, wird eine Endoskopie empfohlen (Kasten 1). Dabei kann jeder der zugelassenen PPI (Kasten 2) Anwendung finden, da die absoluten Wirksamkeitsunterschiede hinsichtlich Symptomkontrolle und Gewebeheilung gering sind, wie die Guidelineautoren festhalten. Für die meisten PPI bietet eine Dosierung 30 bis 60 Minuten vor einer Mahlzeit die optimale Wirksamkeit. Im Gegensatz zu den unterschiedlichen Einschätzungen des Endoskopiescreenings auf Ösophaguskarzinom ist der Stellenwert der Endoskopie in mehreren klinischen Situationen gut begründet. Bei GERD mit Alarmsymptomen wie Dysphagie, Blutung, Anämie, Gewichtsverlust oder rezidivierendem Erbrechen kann die Endoskopie Befunde aufdecken, die von klinischer Bedeutung und potenziell behandelbar sind wie Speiseröhren- oder Magenkrebs, blutende Läsionen oder Stenosen von Ösophagus oder Pylorus. So fand eine Analyse von rund 30 000 endoskopierten Patienten mit Dysphagie bei über der Hälfte wichtige Befunde, meist eine Speiseröhrenstriktur. Auch Patienten mit einer dokumentierten schweren erosiven Ösophagitis haben unter PPI-Behandlung zu einem gewichtigen Teil eine inkomplette Abheilung und können einen Barrett-Ösophagus aufweisen. Deshalb wird hier nach achtwöchiger PPI-Therapie eine Kontrollendoskopie empfohlen, um eine ungenügende Abheilung oder einen Barrett-Ösophagus auszuschliessen. Zeigt diese Kontrollendoskopie normale Befunde, sind weitere Routineendoskopien nicht indiziert. Der Einsatz der Endoskopie bei Ösophagusstrikturen im Rahmen einer GERD orientiert sich weitgehend an den Symptomen. Da Rezidive häufig sind, können wiederholte Endoskopien und Dilatationen notwendig sein. Bei Patienten mit anamnestischer Striktur, die aber diesbezüglich symptomfrei bleiben, ist eine Routineendoskopie nicht nötig. Wie ist aber das Vorgehen bei Patienten mit gut kontrollierten Refluxsymptomen? Zwar erlauben die verfügbaren Daten und publizierten Guidelines keine abschliessende Beurteilung des Werts des endoskopischen Screenings, die ACPEmpfehlungen geben hier jedoch folgende Anhaltspunkte. Da das absolute Krebsrisiko bei Frauen gering ist, kann ein endoskopisches Routinescreening für Frauen nicht empfohlen werden. Analog ist wegen der sehr niedrigen Inzidenz von Adenokarzinomen des Ösophagus bei jüngeren Patienten ein Routinescreening erst bei Männern mit GERD-Symptomen über 50 Jahre ins Auge zu fassen, allerdings auf einer individualisierten Basis und unter Berücksichtigung der geringen Qualität der entsprechenden Evidenz. Bei der Indikations-
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stellung zu endoskopischen Screeninguntersuchungen sollen auch immer die Lebenszeit begrenzende Komorbiditäten berücksichtigt werden. Für Patienten, bei denen endoskopisch ein Barrett-Ösophagus gefunden wurde, schlagen viele Organisationen eine endoskopische Überwachung vor. Auch hierzu halten die ACPEmpfehlungen jedoch fest, dass Beobachtungsstudien bloss einen Unterschied zugunsten des Screenings fanden, wenn dieses mit Patienten verglichen wurde, die mit Symptomen zum Arzt kamen. Zur Wahl des Intervalls der Kontrollendoskopien bei Barrett-Ösophagus gibt es keine Vergleichsstudien. Auf Basis des natürlichen Verlaufs und von Expertenmeinungen werden Intervalle von 3 bis 5 Jahren empfohlen. In kürzeren Abständen sollten jedoch jene Patienten überwacht werden, die niedrig- oder hochgradige Dysplasien entwickelt haben, da sie ein höheres Risiko einer Progression zum Karzinom tragen. Ein Problem kann sich ergeben bei Patienten mit chronischen GERD-Symptomen, deren Endoskopie keinen Barrett-Ösophagus nachwies. Sie werden sich wundern, dass bei ihnen keine Kontrolluntersuchungen mehr angezeigt sein sollen, wo doch alle anderen Krebsvorsorgeuntersuchungen periodisch wiederholt werden sollen, wie dem Publikum immer wieder erklärt wird. Patienten mit chronischen GERD-Symptomen von fünf und mehr Jahren Dauer, deren initiale Endoskopiebefunde negativ waren, benötigen kein weiteres Screening, selbst wenn sie weiterhin säurehemmende Medikamente einnehmen, betont das ACP-Guideline-Komitee. Beobachtungsdaten zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines Barrett-Ösophagus innert fünf Jahren nach einem negativen Endoskopiebefund unter 2 Prozent liegt, serielle Kontrolluntersuchungen somit eine zu geringe Ausbeute ergäben.
Folgt die Praxis der Evidenz? Obwohl die Datenlage nicht üppig ist, gibt es viele Hinweise, dass Ärzte die Betreuung von GERD-Patienten oft nicht im Sinn der Empfehlungen gestalten. Studien fanden, dass in den USA 10 bis 40 Prozent der oberen gastrointestinalen Endoskopien nicht «generell indiziert» waren. Häufige Fehlindikationen sind serielle Endoskopien bei GERD ohne Barrett-Ösophagus und zu kurze Überwachungsintervalle bei Patienten mit Barrett-Ösophagus.
Als vermutete Gründe für zu viele Endoskopien werden haftungsrechtliche Bedenken genannt, aber auch finanzielle Interessen von Endoskopikern oder falsche Erwartungen der Patienten und ihrer Hausärzte. Daher ist die Diskussion des tatsächlichen Krebsrisikos wichtig. Sowohl Patienten wie Hausärzte sollten sich durch die Diagnose einer «präkanzerösen Läsion» nicht zu einer endoskopischen Überwachung in zu kurzen Abständen verleiten lassen, schreibt das ACP-Guideline-Komitee. Immerhin darf die obere Endoskopie des Verdauungstrakts als Prozedur mit geringem Risiko gelten. Komplikationen kommen im Häufigkeitsbereich zwischen 1:1000 und 1:10 000 vor und betreffen Perforationen, kardiovaskuläre Ereignisse oder Todesfälle. Andere, seltene, aber reale Risiken sind Aspirationspneumonie, Ateminsuffizienz, Hypotonie, Rhythmusstörungen und andere Reaktionen auf Anästhetika. Obwohl alle diese Risiken sehr gering sind, fallen sie ins Gewicht, wenn Endoskopien an sehr grossen Patientenzahlen durchgeführt werden. Kosten verursachen überdies durch Endoskopiebefunde ausgelöste weitere Untersuchungen oder unnötige Therapien.
Was können Hausärzte
zu einem vernünftigen Endoskopieeinsatz beitragen?
Die ACP-Empfehlungen plädieren generell für einen sorg-
fältigen Umgang mit der Indikation zur Endoskopie bei
unkomplizierter Refluxkrankheit, da die Untersuchung
angesichts der geringen Wahrscheinlichkeit für Speiseröhren-
krebs nicht notwendig ist und auch für die Lenkung der
Therapie kaum etwas bringt. Dies muss mit den Patienten
ausführlich besprochen werden. Steht eine Endoskopie bei
GERD im Raum, raten die ACP-Empfehlungen, den Patien-
ten «zur Beurteilung» an den Spezialisten zu überweisen –
aber nicht direkt «zur Endoskopie».
❖
Halid Bas
Nicholas J. Shaheen et al.for the Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians: Upper endoscopy for gastroesophageal reflux disease: Best practice advice from the Clinical Guidelines Committee of the American College of Physicians. Ann Intern Med. 2012;157:808–816.
Interessenkonflikte: Die Originalpublikation hält fest, dass alle möglichen finanziellen und nicht finanziellen Interessenkonflikte der Mitglieder des Komitees deklariert, diskutiert und gemäss den Vorgaben des American College of Physicians gelöst wurden.
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