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EDITORIAL
Manche Dinge funktionieren besser, wenn der Druck ausreichend gross ist. Ob es der Hausputz
oder die Gartenarbeit sind, die manchmal einfacher von der Hand gehen, wenn die Steuererklärung wartet oder die Präsentation für den nächsten Vortrag – die natürlich nur deshalb in letzter Minute entsteht, weil sie ja sonst nicht aktuell wäre. Aber ein Übermass an Druck ist ungesund: Jeder zweite Beschäftigte leidet häufig unter starkem Termin- und Leistungs-
Auch sonst ist der «richtige» Druck in der Medizin immer wieder Thema: zum Beispiel beim Blutdruck, bei dem die alte Faustregel «100 plus Alter» als Normalwert für den systolischen Druck schon längst nicht mehr gilt. «Weniger ist mehr» gilt seit der HYVET-Studie auch für die Älteren, auch ihnen kommt eine moderate Senkung des Blutdrucks zugute. Mehr Druck hingegen – im Sinne von häufiger – scheint es bei den Venenerkrankungen zu brauchen. Obgleich die Kompression als Standardtherapie bei chronisch venöser Insuffizienz gilt, lässt jüngsten Daten zufolge die Versorgung damit zu wünschen übrig: Laut der Bonner Venenstudie II
Alles eine Frage des Drucks
druck, wie der gerade publizierte deutsche Stressreport 2012 aufzeigt (1). Das kann bis zum Burnout gehen, wie er heute immer häufiger unter Berufstätigen zu finden ist. Ärzte sind vergleichsweise stark gefährdet, einer amerikanischen Studie aus dem letzten Jahr zufolge zeigten rund 45 Prozent der befragten Mediziner mindestens ein Burn-out-Symptom, die höchste Rate fand sich bei Hausärzten, Allgemeininternisten und Notärzten (2). Um eine Veränderung in Angriff zu nehmen, reichen häufig gute Gründe allein nicht aus. Ihre ärztlichen Argumente für Stressreduktion, Rauchstopp, mehr Bewegung oder eine Gewichtsreduktion mögen noch so gut sein, ohne ausreichend grossen Leidensdruck, werden Sie nicht nachhaltig Gehör finden. Oft haben Sie erst dann eine Chance, wenn der Blutzucker bedenklich ist, das Treppensteigen schwerfällt, die Nachbarin einen Herzinfarkt hatte oder der Onkel eine COPD.
erhielten selbst in den Stadien der chronisch venösen Insuffizienz 60 Prozent der Betroffenen weder Kompressionsstrümpfe noch Kompressionsverbände (3). Um die verschiedensten Aspekte und Indikationen in Erinnerung zu rufen, lassen wir in einer Serie zur Kompressionstherapie Experten zu Wort kommen. Die Einleitung und einen kleinen geschichtlichen Einstieg finden Sie ab Seite 122.
Christine Mücke
1. www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.html 2. Shanafelt TD et al.: Arch Intern Med. 2012; 172(18): 1377–1385. 3. Rabe E et al.: JDDG 2012; DOI:10.1111/j.1610-0387.2012.08048.x
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