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KONGRESS/JOURNAL REVIEW
17th St. Gallen International Breast Cancer Conference 2021 (SG-BCC), 17. bis 21. März 2021
Frühes Mammakarzinom
Adjuvante Therapien bei HER2-positivem Brustkrebs im aktuellen Fokus
Für Patientinnen mit neu diagnostiziertem, frühem, HER2-positivem Mammakarzinom liefert die Anti-HER2-Therapie eine verbesserte Überlebensprognose. Verschiedene Kombinationen und Substanzen in der präoperativen (neoadjuvanten) und adjuvanten Situation stehen im klinischen Fokus für individualisierte Optionen. Prof. Nadia Harbeck, München, fasste an der diesjährigen SG-BCC die aktuellen Therapiemodalitäten zusammen und diskutierte neue Kombinationen.
Die wichtigsten Modalitäten bei verschiedenen Tumorkonstellationen und ein Ausblick auf neue Therapien bei fortgeschrittenen Tumoren werden hier resümiert (1). Die Überexpression des Human Epidermal Growth Factor Receptor 2 (HER2) betrifft etwa 15 bis 20% aller invasiven Mammakarzinome. Betroffene Patientinnen haben (im Gegensatz zu denjenigen mit HER2-negativen Karzinomen) eine ungünstigere Prognose aufgrund schnelleren Fortschreitens des Tumors, wobei die verfügbaren Anti-HER2-Therapien, die in der Regel in Kombinationen verabreicht werden, eine gute Chance für ein verbessertes Überleben bieten. Diskutiert werden derzeit neue Behandlungsstrategien, um Verträglichkeit und Wirksamkeit im individuellen Fall zu verbessern.
Neoadjuvante Therapie
Für HER2-positive Patientinnen mit frühem Brustkrebs im Stadium II und III (ggf. auch schon im Stadium I ab Tumorgrösse ≥ 2 cm und/oder Lymphknotenbeteiligung) ist die neoadjuvante Anti-HER2Therapie mit Trastuzumab (Herceptin® bzw. Biosimilars*) plus Chemotherapie heute Standard. Für Patientinnen mit niedriger Tumorlast (cN0 cT1) kann die primäre Chirurgie angeboten werden, dann aber folgen 12 Wochen adjuvante Behandlung mit Paclitaxel plus Trastuzumab für 1 Jahr. Bei grösseren N0-Tumoren hat sich die duale HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab (Perjeta®) in Kombina-
* z. B. Trazimera®, Kanjinti®, Ogivri®
tion mit Chemotherapie als effektiv erwiesen. Die NeoSphere-Studie (2) wies nach, dass bei fast 40% der Frauen, die eine Therapie mit Pertuzumab/Trastuzumab/Chemotherapie erhielten, zum Zeitpunkt der Operation kein Tumorgewebe in der betroffenen Brust und den lokalen Lymphknoten mehr nachweisbar war, verglichen mit 21,5% der Patientinnen, die nur mit Trastuzumab und Chemotherapie behandelt wurden. Dieses Ergebnis wird als pathologisch komplette Remission bezeichnet.
pCR steht für gute Langzeitprognose
Diese sogenannte pathologisch komplette Remission (pCR) kann als Marker für eine günstige Langzeitprognose bei Patientinnen mit HER2-positivem, frühem Brustkrebs betrachtet werden. Die CTNeoBC-Studie (3) fand in einer grossen Metaanalyse mit fast 12 000 Patientinnen mit frühem Brustkrebs heraus, dass eine pCR nach neoadjuvanter Therapie, insbesondere bei Hormonrezeptor-(HR-)negativen Tumoren, mit einem klinischen Langzeitnutzen (u. a. verbessertes krankheitsfreies Überleben, Gesamtüberleben) korreliert. Die pCR-Raten unterscheiden sich häufig je nach HR-Status; sie sind höher bei HR-negativen, HER2-positiven als bei HR-positiven, HER2-positiven Mammakarzinomen. In der TRYPHAENA-Studie (4) wurden mit Standardchemotherapie/ Trastuzumab und Pertuzumab pCR-Raten von zirka 70% im Patientinnenkollektiv mit HR-negativen Tumoren und von zirka 50% im Kollektiv mit HR-positiven Tumoren erreicht (1, 4).
Adjuvante Therapie
Wird eine pCR nach der präoperativen Behandlung nicht erreicht (non-pCR), ist die adjuvante Monotherapie mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DM1 (Trastuzumab Emtansin; Kadcyla®) neuer Standard gemäss den Ergebnissen der KATHERINE-Studie (5). T-DM1 hatte in dieser Studie gegenüber der Trastuzumab-Therapie ein um 50% reduziertes Rezidiv- respektive Sterberisiko bewirkt. Die adjuvante Therapie kann aufgrund des pCR-Status weiter individualisiert werden. Aktuelle Studien evaluieren die Möglichkeit einer Deeskalation bei Patientinnen mit Low-Risk-Erkrankung und postoperativer pCR. Bei einem NonpCR-Status wird im Gegensatz dazu derzeit eine Eskalationstherapie in klinischen Studien geprüft. Wie die Extrapolation der APHINITY-Studie (6) zeigte, ist die Anti-HER2-Therapie über 1 Jahr obligat, die weitere adjuvante Gabe von Pertuzumab ist aber nur bei nodalpositiver Erkrankung mit einem Benefit verbunden (1). Zu beachten ist hier die Bewertung der Toxizität, insbesondere Diarrhöen sowie kardiotoxische Wirkungen bei längerer Behandlung. Die WSG-ADAPT-(HER2+/HR-)Studie (7) prüfte die Deeskalation zur Vermeidung von Übertherapie: Hier zeigte sich, dass im HER2-positiven, HR-negativen Kollektiv die pCR zirka 90% nach nur 12 Wochen Paclitaxel plus dualer HER2-Blockade mit Trastuzumab plus Pertuzumab betrug. Dagegen: Im HER2-positiven, HR-positiven Kollektiv betrug die pCR etwa 40% nach 12 Wochen T-DM1 plus endokriner Therapie. Die neueren ADAPT-TP Überlebensdaten (8) (im HR-positiven Kollektiv) ergaben, dass die frühe pCR nach Deeskalationstherapie ebenfalls von Bedeutung ist und als prädiktiver Marker für eine Deeskalation der Chemotherapie gelten kann: Eine Zugabe der Chemotherapie verlängerte nicht das Überleben, verstärkte aber die Toxizität.
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KONGRESS/JOURNAL REVIEW
17th St. Gallen International Breast Cancer Conference 2021 (SG-BCC), 17. bis 21. März 2021
Weitere Studien zur Deeskalation wie auch zur Eskalation bei Non-pCR und zur Individualisierung laufen, darunter auch zur Zugabe des Tyrosinkinasehemmers Neratinib (Nerlynx®) in der ausgeweiteten adjuvanten Therapie.
Neue Optionen bei metastasiertem Brustkrebs
Zu den neueren Optionen zur Eskalation über T-DM1 hinaus bei Non-pCR-Status – bei metastasiertem, HER2-positivem Brustkrebs – gehören Tyrosinkinasehemmer wie Tucatinib (Tukysa®) und das Anti-HER2-Antikörper-Konjugat Trastuzumab-Deruxtecan sowie die Immuntherapie.
Aktuelles Fazit für die Adjuvanz
Die neoadjuvante Therapie ist die Standardbehandlung bei HER2-positivem,
frühem Brustkrebs, ab Tumorgrösse > 2 cm N0 oder bei nodalpositiver Erkrankung. Der Status einer pCR ist ein sehr günstiger Marker für die weitere adjuvante Behandlung mit Trastuzumab ± Pertuzumab. Bei Non-pCR wird mit adjuvantem T-DM1 eine effektive Eskalationsstrategie angewandt. Vor Therapieeinleitung ist es wesentlich, dass ein multidisziplinär tätiges Team die Versorgung übernimmt, um ab Behandlungsbeginn optimale lokoregionale und systemische neoadjuvante und adjuvante Therapieoptionen zu gewährleisten. n
Bärbel Hirrle
Quellen: 1. Harbeck N: Neoadjuvant and adjuvant treatment of patients with HER2-positive early breast cancer. Speakers Abstracts. The Breast 2021; 56S1: S1-S16. Resümee anlässlich des SG-BCC 2021. Session 2: Care for patients with HER2-positive breast cancer.
Referenzen: 2. Gianni L et al.: 5-year analysis of neoadjuvant pertuzumab and trastuzumab in patients with locally advanced, inflammatory, or early-stage HER2-positive breast cancer (NeoSphere): a multicentre, open-label, phase 2 randomised trial. Oncol 2012; 13:2532. 3. Cortazar P et al.: Pathological complete response and longterm clinical benefit in breast cancer: the CTNeoBC pooled analysis. Lancet 2014 Jul 12;384(9938):164-172. 4. Schneeweiss A et al.: Long-term efficacy analysis of the randomised, phase II TRYPHAENA cardiac safety study: Evaluating pertuzumab and trastuzumab plus standard neoadjuvant anthracycline-containing and anthracycline-free chemotherapy regimens in patients with HER2-positive early breast cancer. Eur J Cancer. 2018;89:27–35. 5. von Minckwitz G et al.: Trastuzumab Emtansine for residual invasive HER2-positive breast cancer. N Engl J Med. 2019;380:617-628. 6. von Minckwitz G et al.: Adjuvant pertuzumab and trastuzumab in early HER2-positive breast cancer. N Engl J Med 2017; 377: 122-131. 7. Nitz UA et al.: De-escalation strategies in HER2-positive early breast cancer (EBC): final analysis of the WSG-ADAPT HER2+/ HR- phase II trial: efficacy, safety, and predictive markers for 12 weeks of neoadjuvant dual blockade with trastuzumab and pertuzumab ± weekly paclitaxel. Ann Oncol 2017; 28 (11): 27282772. 8. Harbeck N et al.: LBA14 - De-escalated neoadjuvant T-DM1 with or without endocrine therapy (ET) vs trastuzumab+ET in early HR+/HER2+ breast cancer (BC): ADAPT-TP survival results. ESMO virtual Congress 2020. Annals of Oncology (2020) 31 (suppl_4): S1142-S1215. 10.1016/annonc/annonc325.
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