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EDITORIAL
Im Fokus: Gynäkologische Tumoren
In den letzten Jahren zeigte sich bei einigen gynäkologischen Tumorentitäten eine Fülle von neuen Erkenntnissen hinsichtlich Prognose und Therapieindikationen basierend auf molekularpathologischen Untersuchungen. Die WHO-Klassifikation «Female Genital Tumors» von 2020 berücksichtigt diese Erkenntnisse und Prof. Joachim Diebold zeigt die relevanten Veränderungen für die onkologische Praxis sehr prägnant für die verschiedenen Tumorentitäten auf. Für uns alle dürfte die Einteilung der Endometriumkarzinome entspre-
Liebe Leserin, lieber Leser
chend der molekularpathologischen Befunde zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Kontext ist auch die gegenwärtig laufende PORTEC-4a-Studie zu sehen, in der im international randomisierten Setting für High-IntermediateRisk-Endometriumkarzinome das Ergebnis der adjuvanten Radiotherapie (oder der Beobachtung bei Niedrigrisikoprofil) entsprechend dem molekularpathologischen Risikoprofil versus dem Standardarm (vaginale Brachytherapie) untersucht wird. Prof. Diebold geht auch auf die Relevanz der HPV-assoziierten Läsionen und Tumoren im unteren Genitaltrakt ein, welche in der neuen Klassifikation der WHO besonders berücksichtigt und entsprechend verankert wurden. Frau Dr. Benedetta Campana zeigt, dass sich mit der molekularpathologischen Subtypisierung auch die systemische Therapie des Endometriumkarzinoms anpasst. Hier spielt die Chemotherapie eine wesentliche Rolle für die fortgeschrittenen Erkrankungen, in Kombination mit der Radiotherapie zeigte sich zuletzt mit der PORTEC-3-Studie ein deutlicher Überlebensvorteil (progressionsfreies und 5-Jahres-Überleben) für Patientinnen im Stadium III. Auch die Immuntherapie mit Pembrolizumab wird in Kombination mit einer Chemotherapie neu untersucht. Frau Dr. Campana spannt den Bogen von der primären zur adjuvanten Therapie des Endometriumkarzinoms hin zur palliativen Therapie. Dies ist vor allem von Interesse, wenn man bedenkt, dass mit steigender Lebenserwartung und steigender Inzidenz der Adipositas auch die Zahl der Neuerkrankungen am Endometriumkarzinom zunimmt. Frau Prof. Viola Heinzelmann-Schwarz geht auf die serösen Lowgrade-Ovarialkarzinome (LGOC) ein, welche sich von den serösen High-grade-Ovarialkarzinomen in der Therapie und im biologischen Verhalten deutlich unterscheiden. Im sehr interessanten Artikel wird die Emphasis auf die hormonelle Erhaltungstherapie (Hormonal Maintenance Therapy, HMT) gelegt. Neuere Daten belegen einen deutlichen Vorteil einer adjuvanten endokrinen Therapie, und es scheint, dass diese nun nicht mehr nur in der rezidivierenden Situation ihre Berechtigung hat. Frau Prof. Heinzelmann-Schwarz geht im Speziellen auf den «SWISS MATAO»-Trial ein, welcher seit Oktober 2020 Patientinnen rekrutiert und bislang 50 Patientinnen in 13 Schweizer Zentren einschliessen konnte. Auch MEK-, FAK- und RAF-Inhibitoren werden als Therapieoption beim
LGOC untersucht. Das optimale adjuvante Behandlungssetting bei der seltenen Entität der LGOC-Tumoren dürfte sich in Zukunft noch ändern, und die Patientinnen sollten hier einem Zentrum mit ausreichender Expertise zugewiesen werden, um ihnen den entsprechenden Zugang zu offenen Studien zu ermöglichen. Frau PD Dr. Christine E. Brambs geht in ihrem Artikel auf die Änderungen der operativen Herangehensweise bei verschiedenen gynäkologischen Malignomen ein. Hier zeigt sich einmal mehr, dass «weniger oft mehr ist» oder zumindest ausreicht. Einzig beim platinsensitiven Erstrezidiv eines Ovarialkarzinoms mag dies nicht zutreffen, in der Rezidivsituation profitiert eine Subgruppe von einer erneuten Operation. Die Autorin geht auch auf die oben erwähnte PORTEC-4aStudie ein, für die das gynäkologische Tumorzentrum des LUKS Luzern als einziges Zentrum der Schweiz Patientinnen rekrutiert und hier an einer wichtigen Studie partizipieren kann. Besonders freut es mich als Radioonkologe, dass PD Dr. Kristina Lössl aus der Radioonkologie des Inselspitals Bern «tricky cases» vorstellt. Die interstitielle Brachytherapie ist ein fester Therapiebestandteil des gesamt-radioonkologischen Behandlungskonzepts beim Zervixkarzinom. Hier ist vor allem der steile Dosisabfall und damit verbunden die Möglichkeit, eine hohe Gesamtdosis (in Kombination mit der perkutanen Radiotherapie) in den Tumor einstrahlen zu können, zu nennen. Auch eine Blasen- oder Rektuminfiltration ist heute kein Ausschlusskriterium für eine Brachytherapie, wie zwei spannende Kasuistiken mit ausgedehntem Lokalbefall zeigen. Nicht zuletzt ermöglichen heute kommerziell erhältliche Standard applikatoren sowie eine bildgestützte Planung der Brachytherapie eine Durchführung bei komplexen Fällen. Letztlich ist bei der Entscheidung für ein Konzept, bei welchem die Radiotherapie eine wesentliche Rolle spielt, ein interdisziplinärer Therapieentscheid notwendig. Aus radioonkologischer Sicht ist eine adäquate Supportivtherapie und eine entsprechende Nachsorge auch wegen der radioonkologischen Spätfolgen wichtig.
Ich wünsche Ihnen nun viel Spass bei der Lektüre Timothy Collen
SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2021
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