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FORTBILDUNG
Bewegungssucht und komorbide Störungen
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Flora Colledge Maximilian Meyer
Obwohl das zwanghafte und pathologische Sporttreiben, Bewegungssucht oder exercise addiction, seit Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben wird, ist diese Verhaltenssucht bis heute nicht als eigenständige Diagnose in der ICD-11 oder im DSM-5 anerkannt worden. Grund dafür ist die uneinheitliche Begriffsdefinition einerseits, wie auch das Fehlen von Längsschnittstudien mit guter Methodik. Ob sich das exzessive und zwanghafte Sporttreiben als Bewegungssucht verstehen lässt, ist für die Entwicklung und Durchführung spezialisierter therapeutischer Interventionen, wie sie in Abteilungen für Verhaltenssüchte angeboten werden, relevant. In diesem Artikel wird die Evidenz für psychische Störungen, die gemeinsam mit Bewegungssucht auftreten, im Detail beleuchtet. Es wird ersichtlich, dass Bewegungssucht zusammen mit einer Reihe diversen Begleitstörungen auftreten kann.
von Flora Colledge und Maximilian Meyer
Einleitung
J edes Jahr kommt es durch substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen weltweit zu schweren Folgen wie hoher Mortalität, Morbidität, Produktionsverlust der Betroffenen und Belastung des direkten sozialen und familiären Umfelds (1). Diese Folgen sowie ihr Einfluss auf die Gesellschaft können zu einem grossen Teil dokumentiert und wissenschaftlich untersucht werden. Im Gegensatz dazu lassen sich die Auswirkungen sogenannter Verhaltenssüchte weniger eindeutig quantifizieren (2). Das ist unter anderem darin begründet, dass die negativen Folgen dieser Störungen oft nicht physischer, sondern psychischer Natur sind. Glücksspielsucht verursacht beispielsweise keine unmittelbaren körperlichen Beschwerden, führt aber durch ihren negativen Einfluss auf soziale Beziehungen, das psychische Wohlbefinden und die finanzielle Sicherheit zu ernsthaften Folgen für die Betroffenen. Verhaltenssüchte fanden in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten Jahrzehnten zunehmend Beachtung. Thibault und Hoehe (2017) betonen zum Beispiel: «… es gibt keine zu Belohnung führenden Gewohnheiten, welche nicht unter Umständen exzessiv, zwanghaft oder lebensgefährlich ausgeübt werden können» (3). Pathologisches Spielen oder auch Glücksspielsucht ist derzeit der bekannteste Vertreter der Verhaltenssüchte und auch der einzige, der bisher in das DSM-5 aufgenommen wurde. Andere Aktivitäten, die im Hinblick auf ihr Suchtpotenzial erforscht werden, sind Online-Shopping, die Verwendung von Smartphones, Sex und der Konsum von Internetpornografie (4). Diese Aktivitäten sind zwar grundsätzlich nicht ungesund (5), können aber zur Aktivierung von Belohnungsmechanismen füh-
ren. In den letzten Jahren konnte zunehmend belegt werden, dass einige Personen die belohnende Wirkung dieser Tätigkeiten besonders exzessiv verfolgen und damit ihrem Berufs- und Sozialleben sowie ihrer psychischen Gesundheit schaden (6). Werden diese Aktivitäten eingestellt oder wird der Versuch unternommen, das damit verbundene Verhalten zu ändern, kommt es zum Auftreten von Angstgefühlen und depressiven Symptomen. Ob in so einem Fall bereits von einer Verhaltenssucht ausgegangen werden kann, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung und für die Entwicklung von spezialisierten Behandlungen bedeutsam (7).
Bewegungssucht – Besonderheiten Eine weitere Aktivität, die in den vergangenen 20 Jahren zunehmend auf ihr mögliches Abhängigkeitspotenzial untersucht wurde, ist Sport (8). Bereits im Jahr 1970 wurde die erste wissenschaftliche Untersuchung veröffentlicht, die Sport und Bewegung im Kontext einer möglichen Abhängigkeit beschrieb (9). Die Evidenzlage war anfänglich auf einzelne Fallstudien und qualitative Analysen begrenzt, die die Symptomatik erstmals genauer beschrieben. Die Betroffenen berichteten von einem zwanghaften Bewegungsdrang, der auch dazu führte, dass sportliche Aktivitäten trotz Krankheiten oder körperlichen Verletzungen weiter ausgeübt wurden – jedoch nicht im Sinn von Rehabilitation oder Alternativtraining, bei dem das verletzte Körperteil bewusst geschont wird. Ebenfalls wurde die Vernachlässigung von Verpflichtungen und sozialen Kontakten (bis zur Auflösung von partnerschaftlichen Beziehungen) bei den Betroffenen beobachtet, um zeitliche Ressourcen für die sportlichen Aktivitäten zu gewinnen. Eine drohende Reduktion des gewohnten Pensums war für die Betroffenen mit panischer Angst verbunden (10–13).
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Auf den ersten Blick ähneln diese Symptome dem klinischen Bild, das sich auch bei klassischen substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen zeigt: Es besteht eine Toleranzentwicklung, der Sport wird trotz Folgeschäden weiter betrieben, und bei einer Reduktion treten Entzugserscheinungen auf (14). Es handelt sich hierbei ausschliesslich um psychische Symptome, die eine erhebliche Beeinträchtigung im Alltag darstellen. Physiologische Folgen wie Verletzungen gehören nicht per se zu den Symptomen und werden nur als Sekundärfolgen der bewussten Weiterführung des Verhaltens aufgeführt. Das Phänomen wird als Übertrainingssyndrom in der Sportmedizin untersucht (15), wobei eine mögliche Verbindung zur Bewegungssucht als mögliche Ursache wissenschaftlich noch nicht näher erforscht wurde. Diese Forschungslücke könnte ebenfalls darauf zurückzuführen sein, dass eine Klassifizierung von Bewegungssucht im DSM-5 und/oder in der ICD-11 noch mit aussagekräftiger Evidenz untermauert werden muss (16). Der erste Schritt in Richtung einer Definition und Klassifizierung der Bewegungssucht ist eine evidenzbasierte Synthese der vorliegenden Datenlage, damit mittelfristig standardisierte Screeningverfahren etabliert werden können. In einer Metaanalyse von Fallstudien wurde ein ausführlicher und systematischer Symptomkatalog erstellt, aus dem diagnostische Kriterien für Bewegungssucht abgeleitet wurden (14). Das Instrument listet 10 Symptome auf, die überwiegend an die DSM-5-Kriterien für Spielsucht angeglichen sind, jedoch im Kontext von Sport und Bewegung formuliert wurden. Die Kriterien wurden im Kasten aufgelistet.
Gefährdung und komorbide Störungen Zahlreiche Querschnittstudien haben Bewegungssucht bereits bei verschiedenen sporttreibenden Populationen untersucht (17). Obwohl in diesen Studien Fragebögen eingesetzt wurden, die zum Teil unterschiedliche Häufigkeiten für Bewegungssucht angeben (18), konnten wertvolle Einblicke in das Thema gewonnen werden. Während Männer grundsätzlich eher gefährdet sind, eine Bewegungssucht zu entwickeln (19), zeigt sich bei Frauen ein häufigeres gemeinsames Auftreten von Bewegungssucht in Kombination mit Essstörungen (20). Auch die ursprüngliche Annahme, dass das Phänomen in Mannschaftssportarten nicht existiert, wurde in diesen Studien widerlegt (21). Aktuelle Prävalenzeinschätzungen deuten darauf hin, dass jeder 1000. Sportler manifeste Störungsmerkmale aufweist (22). Die bisher durchgeführten Querschnittstudien liefern auch erste Einblicke in vorhandene psychische Komorbiditäten, die zusammen mit Bewegungssucht bei den Betroffenen auftreten. Das ist für eine mögliche Klassifizierung der Bewegungssucht als anerkannte Verhaltenssucht besonders wertvoll. Substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen treten häufig gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auf. Diese Doppeldiagnosen, die neben der Bewegungssucht Depressionen, Angststörungen, psychotische Störungen, Persönlichkeits- und bipolare Störungen umfassen, stellen eine besondere Herausforderung für die behandelnden Kliniker dar (23). Es existieren mehrere Theorien über mögliche Kausalzusam-
Kasten:
Diagnostikanamnese für Bewegungssucht
● Das Bewegungspensum hat sich im Lauf der Zeit erhöht, um Gefühle von Trägheit oder ein schlechtes Gewissen zu vermeiden.
● Bewegungseinheiten zu verpassen oder zu unterbrechen, hat einen erheblich negativen Einfluss auf die Stimmungslage.
● Versuche, das Bewegungspensum zu reduzieren, provozieren Gefühle von Angst und/oder Scheitern.
● Die Gedanken drehen sich häufig und unkontrollierbar um Bewegung (z. B. wird genau geplant, wann die nächste Einheit stattfinden wird, oder wie Bewegung in Alltagsaktivitäten integriert werden kann).
● Bewegung wird als Bewältigungsstrategie für negative oder stressige Lebensereignisse genutzt.
● Es wird trotz Krankheit oder Verletzungen weiterhin in hohen Intensitäten (d. h. nicht therapeutisch) trainiert.
● Das Bewegungspensum wird gegenüber anderen Personen heruntergespielt oder verleugnet.
● Beziehungen, Jobs, Bildungs- und Karrierechancen werden durch das rigide Bewegungspensum gefährdet oder verpasst.
● Obwohl die negativen psychischen und physischen Folgen des Bewegungspensums der Person bewusst sind, wird das Pensum wird nicht reduziert.
● Eine Einheit zu reduzieren oder zu verpassen führt zu Schuldgefühlen.
menhänge in der Entstehung dieser Doppeldiagnosen, deren prominentester Vertreter die Selbstmedikationshypothese ist (24). Sie beschreibt eine Bewältigungsstrategie von Patienten, die den Leidensdruck einer primär vorliegenden psychischen Erkrankung durch Substanzkonsum lindern und so eine Abhängigkeit entwickeln. Ebenso wird die Möglichkeit einer bidirektionalen Kausalbeziehung diskutiert (25). Bei der Behandlung von Doppeldiagnosen haben sich integrative Therapieansätze bewährt, deren Behandlungserfolge den Ergebnissen einer sequenziellen Therapie überlegen sind (26). Psychische Störungen wurden im Zusammenhang mit Bewegungssucht bisher kaum untersucht, wie die dünne Datenlage in der medizinischen Literatur zeigt. In einem vor Kurzem erschienenen Review wurden die Ergebnisse der bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien zusammengefasst (27). Insgesamt wurden 20 Studien erfasst, die verschiedene psychische Störungen untersuchten, die parallel zu Bewegungssuchtsymptomen auftraten. Es kamen jedoch fast ausschliesslich Fragebögen zum Einsatz, lediglich eine Studie lieferte klinische Diagnosen (28). In 13 der 20 Studien wurde eine höhere Prävalenz psychischer Symptome bei Personen mit Bewegungssuchtsymptomen (im Vergleich zu Personen ohne Bewegungssucht) festgestellt. Die untersuchten Störungen sind mit ihrer jeweiligen Prävalenz in der Tabelle ersichtlich. Interessant ist auch die Vielfalt komorbider Störungen, die im Zusammenhang mit Bewegungssucht untersucht wurden. Das spricht gegen die verbreitete Kritik, die Bewegungssucht lediglich als Begleitsymptom von Essstörungen nennt (29). Einschränkend muss allerdings betont werden, dass 5 Studien keine Angaben zu Prävalenzraten machten und somit nicht von einer homogenen Evidenzlage gesprochen werden kann. So werden beispielsweise Essstörungen fast dreimal häufi-
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Tabelle:
Daten von Studien, die psychische Störungen in Zusammenhang mit Bewegungssucht untersuchen
Autor, Jahr
Studiendesign
N Stichprobe
Komorbide
Störungen
Blaydon, 2002 Fragebogen (Querschnitt) 171 Triathleten
Essstörungen (Magersucht)
Blaydon, 2004 Fragebogen (Querschnitt) 393 Radfahrer (Amateur)
Essstörungen (Magersucht)
& klinische Diagnose
Cook, 2017
Fragebogen (Querschnitt) 179 Radfahrer
Essstörungen
Grandi, 2011 Fragebogen (Querschnitt) 79 Hobbysportler
Essstörungen
Harris, 2015
Fragebogen (Querschnitt) 89 Ernährungs- und
Essstörungen
Sportstudentinnen
Hauck, 2019
Fragebogen (Querschnitt) 1022 Sportler (Amateur)
Esssucht
Jee, 2018
Fragebogen (Querschnitt) 75 Studenten (nehmen an
Depression
einem Fitnessprogramm teil)
Lejoyeux, 2008 Fragebogen (Querschnitt) 300 Fitness-Kunden
Essstörungen (Bulimie),
Kaufsucht, Internetsucht,
Tabak- & Alkoholsucht
Lejoyeux, 2012 Fragebogen (Querschnitt) 500 Sportgeschäft-Kunden
Essstörungen (Bulimie),
Kaufsucht, Tabak-
& Alkoholsucht
Levit, 2018
Fragebogen (Querschnitt) 100 Athleten (Profi & Amateur) Depression, Angststörung,
Essstörungen
Li, 2015
Fragebogen (Querschnitt) 1601 Studenten
Depression, Angststörung
Lichtenstein, 2014 Fragebogen (Querschnitt) 121 Hobbysportler
Essstörungen
Maraz, 2015
Fragebogen (Querschnitt) 447 Salsa-Tänzer
Essstörungen, Borderline
Persönlichkeitsstörung
Mayolas, 2017 Fragebogen (Querschnitt) 1577 Radfahrer (Amateur)
Depression, Angststörung
& inaktive Kontrollgruppe
Meulemans, 2014 Fragebogen (Querschnitt) 517 Studenten
Essstörungen
Müller, 2015
Fragebogen (Querschnitt) 128 Fitness-Kunden
Essstörungen (Bulimie),
Verhaltenssüchte,
Alkoholsucht
Rocks, 2017
Fragebogen (Querschnitt) 165 Ernährungsstudenten
Essstörungen
Szabo, 2017
Fragebogen (Querschnitt) 538 Hobbysportler
Alkohol-, Tabak-
und Drogensucht
Torstveit, 2019 Fragebogen (Querschnitt) 53 Ausdauer Athleten (M)
Essstörungen
Weinstein, 2015 Fragebogen (Querschnitt) 71 Sportler (Profi & Amateur) Depression, Angststörung
Prävalenz bei Personen mit Bewegungssuchtsymptomen (imVergleich zu Personen ohne) k. A. k. A.
k. A. k. A. ↑
↑ –
↑ Bulimie & Kaufsucht – Alkohol-, Tabak& Internetsucht ↑ Alkoholsucht & Bulimie – Tabaksucht & Kaufsucht
k. A.
↑ ↑ ↑
↑ Angststörung (M) – Depression ↑ ↑ – Alkoholsucht
↑ – ↓ Nikotin ↑ ↑
ger untersucht als jede andere identifizierte Störung. Bei depressiven Störungen scheint die Prävalenz bei Personen mit Bewegungssucht lediglich bei 2 Studien erhöht, während sie bei substanzgebundenen Süchten zu den häufigsten Komorbiditäten zählen (23).
Fazit Diese Zusammenfassung zeigt auf, dass bisher kaum Studien durchgeführt wurden, die das psychiatrische Profil von Personen mit Bewegungssuchtsymptomen untersuchen. Die verfügbare Literatur weist zudem methodische Schwächen auf, wie zum Beispiel die fehlende Anwendung validierter klinischer Diagnostikinstrumente. Anhand der vorliegenden Datenlage wäre es verfrüht, Aussagen über Ähnlichkeiten mit substanzgebundenen Abhängigkeiten zu treffen. Zudem gibt es bis dato keine Studien, die Hinweise auf mögliche Kausalzusammenhänge oder den Symptomverlauf liefern.
Die bisher gewonnenen Erkenntnisse schaffen aller-
dings eine wertvolle erste Basis für weitere klinische
Untersuchungen.
Wie substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen
scheinen Symptome der Bewegungssucht bei Personen
mit psychischen Erkrankungen besonders häufig aufzu-
treten. In zukünftigen Untersuchungen sollte eine
klinisch-psychiatrische Diagnostik bei Betroffenen
durchgeführt werden, um die Prävalenz sowie den zeit-
lichen Verlauf begleitender Störungen näher beschrei-
ben zu können. Die so gewonnenen Erkenntnisse
könnten einerseits weitere Evidenz für eine künftige
Klassifizierung der Bewegungssucht als anerkannte Ver-
haltenssucht liefern, sind andererseits aber auch Voraus-
setzung für die Entwicklung integrativer Therapiepläne,
wie sie für Doppeldiagnosen bei Substanzabhängigkei-
ten bereits existieren.
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Korrespondenzadresse Dr. Flora Colledge
Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit Birsstrasse 320b 4052 Basel
E-Mail: flora.colledge@unibas.ch
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Merkpunkte:
● Bewegungssucht gilt noch nicht als anerkannte, diagnostizierbare Störung. Die Symptome ähneln allerdings dem klinischen Bild, das sich bei substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankungen zeigt: Es besteht eine Toleranzentwicklung, der Sport wird trotz Folgeschäden weiterbetrieben, und bei einer Reduktion treten Entzugserscheinungen auf.
● Psychische Komorbiditäten werden in Zusammenhang mit Bewegungssucht selten untersucht, scheinen aber bei von Bewegungssucht betroffenen Personen häufig vorzukommen.
● Zu den bereits untersuchten komorbiden Störungen gehören Essstörungen, andere Suchterkrankungen, Depression und Angststörungen.
● In aktuellen Therapieeinrichtungen und zukünftigen Untersuchungen sollte eine klinisch-psychiatrische Diagnostik bei Betroffenen durchgeführt werden, um die Prävalenz sowie den zeitlichen Verlauf begleitender Störungen näher beschreiben zu können.
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