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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Coronaviruspandemie
Jedes fünfte Zürcher Schulkind hat Antikörper gegen SARS-CoV-2
Foto: Universität Zürich
An der Universität Zürich wurden im Rahmen der Studie Ciao Corona zum dritten Mal rund 2500 Zürcher Schulkinder getestet. Der Anteil der Kinder, die SARS-CoV-2-Antikörper entwickelt hatten, stieg von Juni 2020 bis April 2021 von 2 auf 19 Prozent. Die Infektionsrate war somit vergleichbar mit derjenigen von Eltern und Schulpersonal, und sie war auch nicht vom Alter oder Geschlecht der Kinder abhängig. Lediglich die Oberstufenschüler waren etwas weniger betroffen. Zwei Drittel der infizierten Kinder und Jugendlichen blieben symptomlos, und keines musste im Verlauf der Erkran-
kung ins Spital. Seit Herbst 2020 hatten 4 Prozent der Kinder mit positivem Antikörpertest Symptome, die auf ein Long-COVID-Syndrom hinweisen könnten (Symptome über 3 Monate oder länger). Für länger dauernde Symptome könnten auch andere Ursachen verantwortlich sein, und es sei davon auszugehen, dass Langzeitsymptome bei etwa 2 Prozent der infizierten Kinder COVID-19-bedingt seien, heisst es in einer Medienmitteilung der Universität Zürich. Auch 2 Prozent der Kinder ohne SARS-CoV-2-Antikörper berichteten von ähnlichen Langzeitsymptomen.
Bei 80 Prozent der infizierten Schülerin-
nen und Schüler waren die Antikörper
mindestens 6 Monate lang nachweisbar.
Kinder mit durchgemachter Infektion
könnten aber trotz fehlender Antikör-
per durch andere Abwehrmechanismen
des Körpers wie T-Zellen vor einer Wie-
deransteckung geschützt sein, so die
Studienleiterin Prof. Susi Kriemler, Uni-
versität Zürich. Noch ist unklar, wie
lang die natürliche Immunität anhält.
In der Studie Ciao Corona der Universi-
tät Zürich wird mit einem Langzeit-
monitoring verfolgt, wie sich SARS-
CoV-2 unter Schülern ausbreitet und
welche Faktoren dabei eine Rolle spie-
len. Bis anhin wurden rund 2500 Kinder
und Jugendliche im Alter von 7 bis
17 Jahren an 55 zufällig ausgewählten
Schulen im Kanton Zürich dreimal auf
Antikörper getestet, im Juni/Juli 2020,
im Oktober/November 2020 und im
März/April 2021. Via Onlinefragebo-
gen beantworteten die Getesteten zu-
dem alle 2 Monate Fragen zu Sympto-
men, Gesundheitszustand, präventivem
Verhalten, Lebensstil und Lebensquali-
tät. Die Teilnahme an der Studie ist frei-
willig.
RBO s
Medienmitteilung der Universität Zürich vom 21. Mai 2021.
Demenz
Hörminderung als Risikofaktor für Demenz
Eine repräsentative Studie mit 3500 Senioren über 75 Jahre zeigt, dass Hörbeeinträchtigungen ein Risikofaktor für die langfristige Entwicklung einer Demenz sind. Die frühzeitige Behandlung bei schlechtem Hören sei deshalb ein wichtiger Bestandteil zur Demenzprävention, heisst es in einer Medienmitteilung der Universität Leipzig. Das Forscherteam hatte in mehreren Zentren in Deutschland die sensorische und kognitive Entwicklung der Senioren verfolgt. Es fand heraus, dass eine Beeinträchtigung des Hörens, nicht aber eine verminderte Sehkraft, ein bedeutender
Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist. Die durchschnittliche Zeit vom Studienstart bis zum Beginn der Krankheit betrug 5,5 Jahre. «Insgesamt 30 Prozent der Teilnehmer berichteten am Anfang der Studie über eine Hörminderung, und gut ein Viertel der Teilnehmer entwickelte im Lauf der Zeit eine Demenz», so Studienerstautor Dr. Alexander Pabst vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Universität Leipzig. Das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, war bei Teilnehmern mit einer Hörminderung um
16 Prozent erhöht – unabhängig von
anderen bekannten Risikofaktoren für
Demenz. Die frühzeitige Behandlung
von Hörbeeinträchtigungen könnte
demnach einen positiven Effekt auf die
kognitive Leistungsfähigkeit und die
Lebensqualität älterer Menschen ha-
ben.
RBO s
Medienmitteilung der Universität Leipzig vom 7. April 2021 auf idw-online. Pabst A et al.: Do self-reported hearing and visual impairments predict longitudinal dementia in older adults? J Am Geriatr Soc. 2021; published online ahead of print, 2021 Mar 18.
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Akuter Schwindel
Könnte es ein Schlaganfall sein?
Rückspiegel
Akuter Schwindel kann auch ein Anzeichen eines Schlaganfalls sein. Solche Patienten zu erkennen, ist jedoch nicht einfach. Man schätzt, dass bei der Triage auf Notfallstationen der Schlaganfall bei einem Drittel der Betroffenen verpasst oder die Diagnose erst verspätet gestellt wird. Jedes Jahr kommen rund 2500 Personen mit akutem Schwindel ins Notfallzentrum am Inselspital in Bern. Bei rund 100 von ihnen (4%) ist ein Schlaganfall im Hirnstamm oder im Kleinhirn die Ursache. Nun hat ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Georgios Mantokoudis an der Universitätsklinik für Hals-, Nasenund Ohrenkrankheiten (HNO) ein Hilfsmittel für die Diagnose mithilfe der Nystagmusanalyse entwickelt, nämlich für die Untersuchung des Grades der Nystagmussuppression beim Wechsel vom Dunkeln ins Licht. Sowohl bei einem gutartigen Schwindel infolge vestibulärer Fehlfunktion als auch bei einem Schwindelanfall wegen eines Hirnschlags im Kleinhirn oder im Hirnstamm tritt im Dunkeln Nystagmus auf. Bekanntermassen kann dieser Nystagmus bei einer gutartigen Ursache des Schwindels im Licht unterdrückt werden. Dagegen lässt sich ein Nystagmus, der auf einen Schlaganfall zurückgeht, bei Licht nicht unterdrücken, und die Augenbewegungen halten unkontrollierbar an. Mit dem blossen Auge ist der Unterschied zwischen beiden Situationen jedoch nicht immer zu erkennen. Um diesen Nystagmus besser beurteilen zu können, haben die Berner Forscher eine Vorrichtung aus einer Videobrille, einer kleinen
Dunkelkammer und einem Tablet konstruiert
(Abbildung). Damit können Intensität und
zeitlicher Verlauf des Nystagmus genauer ana-
lysiert werden als mit blossem Auge. Es zeigte
sich, dass – anders als früher angenommen –
bei allen Patienten mit akutem Schwindel bei
Licht noch spontane Augenbewegungen sicht-
bar sind, auch bei denjenigen mit einer gut-
artigen Ursache des Schwindels. Bei Letzteren
wird der Nystagmus bei Wechsel ins Licht je-
doch wesentlich stärker unterdrückt als bei
den Schlaganfallpatienten.
Die Zuverlässigkeit und die Aussagekraft der
Nystagmussuppression seien hoch, somit sei
diese als weiterer Test für eine zuverlässige
Triage geeignet, heisst es in einer Medienmit-
teilung des Inselspitals. Der Einsatz einer
Videobrille ist zudem für die Patienten ange-
nehmer, und die Untersuchung ist schneller
und kostengünstiger als eine Magnetresonanz-
tomografie. Ausserdem könne mit dem neuen
Nystagmussuppressionstest lebenswichtige
Zeit in der Frühphase eines Hirnschlags ge-
wonnen und damit könnten Folgeschäden
durch nicht erkannte Hirnschläge reduziert
werden, so die Berner Forscher. Die am Insel-
spital erhobenen Resultate sollen nun in einer
grösseren Untersuchung überprüft werden, in
die auch kleinere Spitäler und dezentrale Not-
fallstationen einbezogen werden.
RBO s
Medienmitteilung des Inselspitals vom 18. Mai 2021.
Mantokoudis G et al.: Stroke Prediction Based on the Spontaneous Nystagmus Suppression Test in Dizzy Patients: A Diagnostic Accuracy Study. Neurology. 2021; published online ahead of print, 2021 May 13.
Die Apparatur zur Bestimmung des Nystagmus beim Wechsel vom Dunkeln ins Licht besteht aus einer Videobrille, einer kleinen Dunkelkammer und einem Tablet (Bild: G. Pauciello, Inselspital).
Vor 10 Jahren
7 Milliarden Menschen
Die Weltbevölkerung überschreitet die 7-Milliarden-Marke. Wissenschaftler schlagen vor, das gegenwärtige Zeitalter nicht mehr als Holozän, sondern mit Blick auf den prägenden Einfluss des Menschen auf den Planeten als neue und eigenständige geologische Epoche zu definieren – das Anthropozän.
Vor 50 Jahren
Leukämietherapie
Noch gibt es keine wirksame Therapie für Patienten mit akuter lymphatischer Therapie (ALL), und die meisten sterben innert weniger Wochen. Vom Erfolg seiner «totalen Therapie» bei Leukämie im Kindesalter berichtet nun der US-amerikanische Arzt Donald Pinkel in der Zeitschrift JAMA. Von 37 Kinder mit ALL, die auf diese Weise behandelt wurden, leben nach 5 Jahren noch 8, 7 davon in kompletter Remission. Die Therapie umfasst drei Schritte: Zuerst wird mit Prednison und Vincristin behandelt. Wenn die Kinder stabilisiert sind und sich wieder besser fühlen, folgt eine zweite Phase mit einer starken Chemotherapie, und als dritte Stufe die Bestrahlung.
Vor 100 Jahren
Glasaugenpflege
Der Chirurg Isaac A. Davidson erläutert im «British Medical Journal», wie man die Eintrübung und die Verfärbung eines Glasauges vermeiden kann. Am Morgen, vor dem Einlegen des Glasauges in die Augenhöhle, solle man zuerst etwas saugfähige Watte oder Wolle mit borathaltiger Salbe so platzieren, dass sie innen, am längeren Ende des Glasauges zu liegen kommt. Damit werde die Bildung von Flüssigkeit in der Augenhöhle verhindert. Sein Vater habe diese Methode 35 Jahre lang erfolgreich angewandt, schreibt Davidson. Ein neues Glausauge benötigte er nur, wenn es ihm beim Hantieren herunterfiel und zerbrach. RBO s
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