Transkript
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
DDG 2021
Fallen beim Epikutantest
Von Formaldehydfreisetzern und SSO
Bei der Diagnostik von Kontaktekzemen kann der Epikutantest in die Irre führen. So fällt beispielsweise Formaldehyd aus Formaldehydfreisetzern oft durchs Raster. Ausserdem kann auch das den Epikutantestsubstanzen zugegebene Sorbitansesquioleat (SSO) die Testergebnisse beeinflussen.
Um dem auslösenden Allergen eines Kontaktekzems auf die Spur zu kommen, wird einiges an detektivischem Geschick benötigt. So muss nicht nur die Anamnese ausführlich sein, auch Kenntnisse in Materialkunde schaden nicht. Und man sollte die Grenzen der Testverfahren kennen.
Cave Formaldehydfreisetzer
Zu den üblichen Verdächtigen von Kontaktekzemauslösern gehört Formaldehyd. Auch wenn es kaum noch pur verwendet wird, ist es in den Standardtestreihen enthalten. Was dabei weniger beachtet wird, sind die Ersatzprodukte, die Formaldehyd freisetzen. Diese Formaldehydfreisetzer (FR) werden in vielen Kosmetika als Konservierungsmittel eingesetzt. Sie finden auch in Farben, Lacken, Klebstoffen, als Lösemittel für Zellen in diagnostischen In-vitro-Reagenzien oder auch in Fotochemikalien Verwendung.
Standard-Epikutantest nicht bei Formaldehydfreisetzern
Tippe man auf diese FR als Auslöser einer Kontaktallergie, helfe die Standardreihe kaum, denn Formaldehyd sei kein geeignetes Screening-Allergen für die Gesamtheit der FR, berichtete Dr. Annice Heratizadeh aus Hannover (D). Die Patienten reagieren in den Tests meist nur schwach auf Formaldehyd, und diese Ergebnisse sind zudem oft nicht reproduzierbar. Wenn der Verdacht auf eine FR-Allergie vorliegt, sollte die entsprechende Testreihe auf Konservierungsmittel verwendet werden.
Duftstoffallergie: Die Hitliste ändert sich
Nach Nickel gelten Duftstoffe als häufigste Auslöser von Kontaktekzemen. Allerdings gingen bei den Parfümallergien die Raten der positiven Reaktionen im Epikutantest zurück, wie Prof. Johannes Geier aus Göttingen (D) berichtete. Laut der Statistik des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken (IVDK) lagen die Quoten der positiven Reaktionen beim Duftstoff-Mix 1 im Jahr 2012 noch bei 9,1 Prozent bei den Epikutantests, im Jahr 2019 nur noch bei 5,3 Prozent. Bisher wurde die Hitliste der Allergieauslöser unter den Duftstoffen von Eichenmoos absolut angeführt. Darin sind die beiden Substanzen Atranol und Chloratranol enthalten. Diese beiden Inhaltsstoffe dürfen laut EU-Verordnung von 2017 ab August 2019 nicht mehr in kosmetischen Produkten enthalten sein. Da die Hersteller schon früh auf Eichenmoos verzichteten, würde das den Rückgang der positiven Epikutantestreaktionen erklären. In der IVDK-Statistik führt jetzt Isoeugenol mit einer Quote an positiven Testraktionen von 4,1 Prozent vor Eichenmoos mit 3,7 Prozent.
An eine Allergie auf FR sollte der Dermatologe am ehesten denken, wenn die Patienten über die Verwendung von Kosmetika berichteten, die nicht aus Europa stammten, sagte Heratizadeh.
Augen auf beim Maskenkauf!
Wo man FR als Auslöser eines Kontaktekzems nicht vermutet, sind Verbrauchsmaterialien im Krankenhausbereich wie chirurgische Masken. Aus aktuellem Anlass berichtete Heratizadeh von einer Krankenschwester auf einer Intensivstation, die tagtäglich während ihrer ganzen Schicht eine chirurgische Maske tragen musste (1). An den Stellen, wo die Maske dicht an der Haut anlag, entwickelte sich ein Ekzem. Nach intensiver Diagnostik stellte sich heraus, dass die Masken Spuren von Formaldehyd und dem FR Bronopol aus dem Herstellungsprozess enthielten.
Problem-Allergen SSO
Auch das vielen Testsubstanzen zugegebene Sorbitansesquioleat (SSO) kann bei der Bewertung des Epikutantests auf die falsche Fährte führen. Wie PD Dr. Heinrich Dickel aus Bochum (D) berichtete, werde SSO einzelnen Testpräparaten zugesetzt, um eine stabile und homogene Verteilung der Haptene (Allergene) in den Trägersubstanzen zu gewährleisten. Doch das hat Tücken: Nach einer Langzeitstudie (2016–2018) des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken (IVDK), dem auch Institute in der Schweiz angeschlossen sind, reagierten von den SSO-positiven Patienten 45 Prozent auch auf Substanzen des Standard-Duftstoff-Mix 1 (DM1). Von den Patienten, die im Epikutantest nicht auf SSO sensibilisiert waren, entwickelten nur 6 Prozent positive Reaktionen auf DM1. Ohne Testung auf SSO könnten positive Reaktionen nicht nur auf DM1, sondern auch beispielsweise auch auf 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA) oder Perubalsam falsch interpretiert und die Patienten falsch beraten werden, sagte Dickel. s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Session der Deutschen Kontaktallergie-Gruppe (DKG) / Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK): «Kontaktallergie – Oldtimer und Newcomer» bei der 51.Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), 13. bis 17.April 2021.
Referenz: 1. Aerts O et al.: Surgical mask dermatitis caused by formaldehyde (releasers) during
the COVID-19 pandemic. Contact Dermatitis. 2020;83(2):172-173.
SZD 3/2021
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