Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
COVID-19
Leitlinie zur Behandlung bei schweren Verläufen aktualisiert
Die deutsche S3-Leitlinie zur stationären Therapie von COVID-19-Patienten wurde aktualisiert. Neben der bereits bestehenden Empfehlung, Dexamethason zur Behandlung einzusetzen, wurden zwei neue Medikamente in die Empfehlungen der Leitlinie aufgenommen. Das erste neue Empfehlung betrifft Tocilizumab, das die Mortalität bei schweren COVID-19-Verläufen reduzieren kann. Die Substanz könne vor allem sauerstoffpflichtigen Patienten helfen, nicht jedoch Patienten mit bereits eingeleiteter invasiver Beatmung, heisst es in der Leitlinie. Ausserdem sollten Hinweise für eine systemische Inflammation vorliegen. Die Tocilizumabgabe erfolgt immer in Kombination mit Kortikosteroiden als intravenöse Einmaldosis. In der zweiten neuen Empfehlung geht es um die Gabe von SARS-CoV-2-neu-
tralisierenden monoklonalen Antikörpern für Spitalpatienten, beispielsweise nach einer nosokomialen Infektion, die noch keine oder nur wenige COVID19-Symptome aufweisen. Voraussetzungen für die Gabe der Antikörper sind, dass die Patienten noch keine respiratorischen COVID-19-Symptome wie Atemnot aufweisen, aber Risikofaktoren für einen schweren Verlauf vorliegen. Unter diesen Voraussetzungen könne der Einsatz von monoklonalen Antikörpern dazu beitragen, einen schweren Krankheitsverlauf abzuwenden, heisst es in einer Medienmitteilung der federführenden Fachgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e. V. (DGIIN). Wichtig sei eine möglichst frühzeitige Gabe der Antikörper, am besten am ersten oder zweiten Tag nach Infektion, so
die Leitlinienautoren. «Wir erwarten insbesondere in den Risikopopulationen eine Senkung der Sterblichkeit durch die Antikörper, auch wenn die Publikation der endgültigen Daten noch ausstehend ist», sagt Prof. Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN. An der Leitlinie ist auch die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin beteiligt. Ihre Experten haben definiert, welche palliative medikamentöse Behandlung Patienten mit schweren COVID19-Verläufen zur Symptombehandlung erhalten sollen: Opioide bei Luftnot, Benzodiazepine bei Angst, Anticholinergika bei Rasselatmung und Neuroleptika bei Delir. Link zur Leitlinie: https://www.rosenfluh.ch/qr/s3-covid RBO s
Medienmitteilung der DGIIN vom 17. Mai 2021.
Gynäkologie und Geburtshilfe
Kinder aus in vitro gereiften Eizellen entwickeln sich normal
Foto: Elena Kontogianni, pixabay.com
Reif geborene Kinder, die mithilfe künstlicher Befruchtung nach einer In-vitro-Maturation (IVM) der Eizellen in der Petrischale gezeugt wurden, entwickeln sich bis zum 2. Lebensjahr normal. Auch die Schwangerschaften verliefen in den untersuchten Gruppen
unauffällig. Das ist das Ergebnis einer Metaanalyse der Daten von 1000 Kindern aus 16 Studien. Die Metaanalyse wurde an der Universitätsfrauenklinik in Heidelberg durchgeführt. «Bei reif geborenen Kindern nach einer IVM lag das Geburtsgewicht im normalen Rahmen, es gab keine erhöhte Fehlbildungsrate und auch die Frühgeburtenrate hebt sich nicht von der bei anderen künstlichen Reproduktionsverfahren wie etwa der In-vitro-Fertilisation (IVF) ab», sagte Prof. Thomas Strowitzki, Universitätsfrauenklinik Heidelberg. Bei der IVM werden nach einer kurzen hormonellen Stimulation, bei manchen Frauen auch ohne Stimulation, unreife Eizellen aus den Eierstöcken entnommen. Sie reifen über 24 Stunden in einem speziellen Nährmedium, dann
werden sie in vitro befruchtet und in die
Gebärmutter zurückgesetzt. Diese Me-
thode eignet sich in erster Linie für
Frauen mit polyzystischem Ovarialsyn-
drom (PCOS). Betroffene haben ein
hohes Risiko für eine Überreaktion auf
die fast 14-tägige Hormonstimulation,
die bei der gängigen Methode der
künstlichen Befruchtung zur Anwen-
dung kommt. Für eine IVM ist hinge-
gen, wenn überhaupt, nur eine kurze
Hormonstimulation von 2 bis 3 Tagen
nötig.
RBO s
Medienmitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg auf idw-online am 9. April 2021.
Strowitzki T et al.: Maternal and neonatal outcome and children̕s development after medically assisted reproduction with in-vitro matured oocytes – a systematic review and meta-analysis. Hum Reprod Update. 2021;27(3):460-473.
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ARS MEDICI 11 | 2021
COVID-19-Impfung bei Rheuma
Auch unter Behandlung sicher und wirksam
Rückspiegel
Zwei in Deutschland durchgeführte Studien bestätigen, dass die Impfung mit einer mRNA-Vakzine für Rheumapatienten sicher ist und in der Regel gut vertragen wird. In der ersten Studie wurden 26 Rheumapatienten mit mRNA-Impfstoffen (Biontech/Pfizer oder Moderna) gegen COVID-19 geimpft (1). Der Vergleich mit 42 gesunden Impflingen ergab, dass die Antikörperreaktion bei den Rheumapatienten etwas schwächer ausfiel. Trotz der leicht verminderten Antikörperantwort dürften die meisten Patienten nach Einschätzung der Studienautoren jedoch vor COVID-19 geschützt sein, zumindest vor einem schweren Verlauf. Von einem Absetzen der Rheumamittel, um damit die Impfwirkung zu verbessern, wird abgeraten, um keinen Krankheitsschub auszulösen. Die Impfung hatte keinen negativen Einfluss auf den rheumatologischen Krankheitsverlauf. In der zweiten Studie erhielten 84 Patienten den Impfstoff von Biontech/Pfizer (2). Die Antikörperantwort sowie die neutralisierende Wirkung der Antikörper fiel bei Patienten mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-
arthritis, Spondylarthritis und Kollagenosen
etwas schwächer aus als in einer Kontroll-
gruppe mit 182 gesunden Personen. Die Ver-
abreichung von Biologika beeinflusste die
Immunantwort auf die Impfung nicht. Bezüg-
lich der wenigen Patienten, die keine Anti-
körper bildeten, meinte Studienleiter Prof.
Georg Schett, Universitätsklinikum Erlangen,
dass «diese Patienten nicht notwendigerweise
ungeschützt sind, sondern möglicherweise
eine zelluläre Immunantwort gegen das Virus
bilden und durch diese zumindest teilweise
geschützt sein könnten».
RBO s
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) vom 12. Mai 2021.
1. Geisen UM et al.: Immunogenicity and safety of antiSARS-CoV-2 mRNA vaccines in patients with chronic inflammatory conditions and immunosuppressive therapy in a monocentric cohort Ann Rheum Dis. 2021; published online ahead of print, 2021 Mar 24.
2. Simon D et al.: SARS-CoV-2 vaccination responses in untreated, conventionally treated and anticytokine-treated patients with immune-mediated inflammatory diseases. Ann Rheum Dis. 2021; published online ahead of print, 2021 May 6.
Angiologie
Grosses Blutgerinnsel abgesaugt
Erstmals in der Schweiz entfernten Spezialisten am Universitätsspital Zürich (USZ) einem Patienten mit einer neuen Methode ein grosses Blutgerinnsel aus der Hauptschlagader. Bei dem Patienten handelte es sich um einen 66-jährigen Mann, der wegen COVID-19
Die Fragmente des Blutgerinnsels wurden in einem Filter aufgefangen (Foto: USZ).
künstlich beatmet werden musste. Er entwi-
ckelte ein grosses Gerinnsel in der Hauptschlag-
ader. Weil eine offene Herzoperation für den
Patienten zu riskant war, entschied sich das
Zürcher Team, einen Vakuum-Saugkatheter
einzusetzen, der bis anhin nur zur Entfernung
von Gerinnseln in Venen verwendet wurde.
Für den Eingriff wurden die Kanülen des
Absaugsystems durch Arterie und Vene ein-
gelegt und mit einem in sich geschlossenen
Schlauchkreislauf mit einer Pumpe und einem
Filter verbunden. Mit einer ösophagealen Ul-
traschallsonde war das über 3 cm lange und
2 cm dicke Blutgerinnsel in der Hauptschlag-
ader exakt zu orten. Das Blutgerinnsel wurde
stückweise abgesaugt. Die Fragmente blieben
im Filter hängen (Foto), während das gefil-
terte Blut über das Schlauchsystem dem Pa-
tienten über die zweite (venöse) Kanüle zu-
rückgegeben wurde. Der Blutverlust blieb
dadurch gering.
RBO/USZ s
Medienmitteilung des USZ vom 19. April 2021.
Vor 10 Jahren
Stabile Hepatitis-C-Viren
Hepatitis-C-Viren sind härter im Nehmen als angenommen. Eine Mitarbeiterin der Medizinischen Hochschule Hannover findet heraus, dass das Virus bei Raumtemperatur noch nach 28 Tagen ansteckend sein kann, bei 4 Grad sogar noch nach 150 Tagen. Anders als man bis anhin glaubte, überlebt es nicht nur in sichtbaren Serumspritzern, sondern kann auch auf vermeintlich sauberen Oberflächen aus Kunststoff oder Stahl sowie auf Handschuhen lauern.
Vor 50 Jahren
Antivirale Substanz
In Chicago wird Isoprinosin vorgestellt, ein Medikament, das virale Erkrankungen abkürzen soll. Tierversuche und erste klinische Tests sprechen dafür. Während es in Argentinien bereits zugelassen ist, verlangt die US-amerikanische FDA weitere Daten. Im Gegensatz zu den meisten antiviralen Substanzen, die heute bekannt sind, scheint Isoprinosin weniger die Viren direkt anzugreifen, sondern möglicherweise die antivirale immunologische Aktivität des Organismus zu triggern.
Vor 100 Jahren
Bestrahlte Milch
Zu Beginn der 1920er-Jahre setzt sich die Erkenntnis durch, dass Sonnenlicht und Ernährung eine Rolle für den Schutz vor Rachitis spielen. So hat Lebertran, reich an Vitamin D, eine schützende Wirkung. Man erkennt auch, dass unter UV-Bestrahlung in der Haut Vitamin D entsteht. In Amerika kommt Harry Steenbock zu dem Schluss, dass die Bestrahlung von Nahrungsmitteln deren Gehalt an Vitamin D steigere, sodass fortan vor allem die Milch bestrahlt wird. RBO s
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