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KONGRESSBERICHT
62nd ASH Annual Meeting and Exposition, 5.–8. Dezember 2020, virtuell
Multiples Myelom
Hoher Effektivitätsgewinn mit CD38-gerichteten Antikörpern
Die CD38-gerichtete Therapie mit den Antikörpern Daratumumab und Isatuximab zeigt in Kombination mit Standardregimen in der Behandlung des multiplen Myeloms (MM) sowohl bei neu diagnostizierten Patienten als auch in der Rezidivsituation einen hohen additiven Effekt. Bei der virtuellen Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) wurden wichtige neue Studienergebnisse präsentiert.
In der Phase-II-Studie GRIFFIN erhielten transplantationsgeeignete Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (NDMM) Daratumumab (Darzalex®) zusätzlich zu Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason (D-RVd vs. RVd) in der Induktions- und Konsolidierungsphase sowie zu Lenalidomid (D-R vs. R) in der Erhaltungsphase. Die Ergebnisse zur Wirksamkeit nach 12 Monaten Erhaltungstherapie wurden nun mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 27,4 Monaten beim ASH 2020 vorgestellt (1). 87% der Patienten im Daratumumab-Arm versus 68% im Kontrollarm begannen mit der Erhaltungstherapie und 12 versus 17% dieser Patienten brachen die Therapie während der Erhaltungsphase ab.
Verbessertes Ansprechen unter Daratumumab-haltigem Regime
Insgesamt wurde über den Studienverlauf eine Vertiefung der Remissionen in beiden Studienarmen beobachtet, allerdings war das Ansprechen zu allen Zeitpunkten unter D-RVd häufiger und tiefer als unter RVd. Gleiches wurde für die MRD-Negativität (10-5) gesehen: Der Anteil an MRD-negativen Patienten in der Intention-to-Treat-Population war nach 12 Monaten Erhaltungstherapie im Daratumumab-haltigen Arm mit 62,5 versus 27,2% signifikant höher (p < 0,0001). Einen negativen MRD-Status plus ein mindestens komplettes Ansprechen (≥ CR) wurde bei 59,6 versus 24,3% der Patienten festgestellt. Bei alleiniger Berücksichtigung der 83 bzw. 71 Patienten, für die bezüglich des MRD-Status auswertbare Daten zur Verfügung standen, betrug die MRDNegativitätsrate 78,3 versus 39,4% (p < 0,0001). Eine anhaltende MRD-Negativi-
tät für ≥ 6 bzw. ≥ 12 Monate zeigten 37,5 bzw. 28,8% der Patienten unter dem Daratumumab-haltigen Regime versus 7,8 bzw. 2,9% der Patienten im RVd-Arm. In beiden Studienarmen war zum Zeitpunkt der präsentierten Auswertung der Median weder für das progressionsfreie Überleben (PFS; 24-Monatsrate: 94,5 vs. 90,8%) noch für das Gesamtüberleben (OS; 24-Monatsrate: 94,7 vs. 93,3%) erreicht. Daratumumab (subkutane Applikation, s. c.) plus RVd wird derzeit in der PhaseIII-Studie PERSEUS bei für eine Transplantation geeigneten Patienten mit neu diagnostizierter Erkrankung untersucht.
Effektive und sichere Kombination mit Daratumumab s. c. und Pomalidomid
Daratumumab ist als Monotherapie und in Kombination mit etablierten Regimen in der Behandlung des rezidivierten oder refraktären multiplen Myeloms (RRMM) bereits ein Therapiestandard. Beim ASH wurde die primäre Analyse der APOLLOStudie zur subkutanen DaratumumabGabe zusätzlich zu Pomalidomid (Imnovid®) und Dexamethason (D-Pd vs. Pd) nach ≥ 1 Therapielinie präsentiert (2). Eingeschlossen waren insgesamt 304 RRMM-Patienten mit mindestens einer Vortherapie, darunter Lenalidomid und ein Proteasom-Inhibitor (PI). Die Studienteilnehmenden erhielten D-Pd (98% der Patienten wurde Daratumumab subkutan appliziert) oder Pd in einem 28-tägigen Zyklus bis Tumorprogress oder Auftreten nicht tolerierbarer Toxizität. Primärer Studienendpunkt war das PFS. Die Patienten waren im Median 67 bzw. 68 Jahre alt, 17 bzw. 20% der Patienten in den beiden Studienarmen waren ≥ 75 Jahre. 38 versus 32% der Patienten
wiesen ein hohes zytogenetisches Risiko auf. Die Zeit seit der Myelom-Diagnose betrug im Median 4,39 bzw. 4,48 Jahre. Insgesamt 79 bis 80% der Patienten waren Lenalidomid-refraktär, 47 bis 49% PIrefraktär und 42% der Patienten beider Studienarme sowohl PI- als auch Lenalidomid-refraktär. Die mediane Dauer der subkutanen Daratumumab-Applikation betrug 5 Minuten (Spanne: 1–22 Minuten). In den beiden Studienarmen wurden die Studienmedikationen über einen Zeitraum von im Median 11,5 Monaten (D-Pd) bzw. 6,6 Monaten (Pd) gegeben. Mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 16,9 Monaten war das PFS im Daratumumab-Arm signifikant verlängert und betrug 12,4 versus 6,9 Monate (Hazard Ratio [HR]: 0,63; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,47–0,85; p = 0,0018). Die 12-Monats-PFS-Rate lag bei 52 versus 35%. Für Lenalidomid-refraktäre Patienten wurde ein medianes PFS von 9,9 versus 6,5 Monaten beobachtet. Es sprachen mit 69 versus 46% signifikant mehr Patienten auf die Daratumumab-haltige Studienmedikation an. Auch wurde ein tieferes Ansprechen im Daratumumab-Arm beobachtet, u. a. eine MRD-Negativität bei 9 versus 2% der Patienten. Es wurden keine neuen Sicherheitssignale gesehen.
Tiefere Ansprechraten durch Kombination von Carfilzomib mit Isatuximab
Auch die zusätzliche CD38-gerichtete Therapie mit Isatuximab (Sarclisa®; Isa), in der IKEMA-Studie in Kombination mit Carfilzomib (Kyprolis®) und Dexamethason (Kd), verbesserte die Wirksamkeit des Standardregimes bei MM-Patienten in der Rezidivsituation. In einer Interimsanalyse wurden beim ASH klinische Ergebnisse bezüglich der Tiefe des Ansprechens präsentiert (3). In der 3:2-randomisierten IKEMA-Studie wurde Isa-Kd versus Kd bei Patienten mit 1 bis 3 vorangegangenen Therapielinien untersucht. Primärer Endpunkt der Studie war das PFS. Als sekundäre Endpunkte wurden unter anderem die Ansprechrate und die Tiefe des Ansprechens analysiert.
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KONGRESSBERICHT
62nd ASH Annual Meeting and Exposition, 5.–8. Dezember 2020, virtuell
Ein Ansprechen wurde bei 86,6 (Isa-Kd) versus 82,9% (Kd) der Patienten beobachtet, mit tieferen Remissionen ≥ VGPR (sehr gutes partielles Ansprechen) bei 72,6 versus 56,1% und ≥ CR bei 39,7 versus 27,8% der Patienten. Die MRD-Negativitätsrate verdoppelte sich durch die zusätzliche Isatuximab-Gabe von 13,0 auf 29,6%. Da Isatuximab mit dem für die Ver-
laufskontrolle verwendeten Paraprotein interferiert, sind die Ansprechraten für IsaKd eher eine Unterschätzung. Nach Adjustierung mittels Massenspektrometrie wurde im Isa-Kd-Arm ein Anteil von 45,8% Patienten mit kompletter Remission berechnet. Das potenzielle Erreichen der MRD-Negativität unter Isa-Kd erwies sich in Subgruppenanalysen als unabhängig
Morbus Waldenström
5-Jahres-Daten bestätigen Effektivität von Ibrutinib plus Rituximab
Die Phase-III-Studie iNNOVATE zeigte eine Überlegenheit der Kombination von Ibrutinib plus Rituximab gegenüber der Rituximab-Monotherapie bei Patienten mit Morbus Waldenström. Beim ASH 2020 wurde diese mit den finalen Ergebnissen nach 5 Jahren Nachbeobachtungszeit noch bestätigt.
In der Phase-III-Studie iNNOVATE wurde bei Patienten mit Morbus Waldenström für die Kombination von Ibrutinib (Imbruvica®) mit Rituximab eine Verlängerung des PFS gegenüber Plazebo plus Rituximab gezeigt. Die vor Kurzem beim ASH präsentierte finale Analyse bestätigt Wirksamkeit und Sicherheit mit einer Nach beobachtungszeit von insgesamt 63 Monaten. Nach 54 Monaten betrug die PFS-Rate 68% unter Ibrutinib plus Rituximab und 25% unter Plazebo plus Rituximab (HR: 0,250; 95%-KI: 0,148–0,420; p < 0,0001). Der Nutzen der zusätzlichen Ibrutinib-Gabe war unabhängig vom genetischen Subtyp und vorangegangenen Therapien. Ein wenigstens partielles Ansprechen (≥ PR) wurde nach 60 Monaten bei 76% der Patienten im Ibrutinib-Arm versus 31% der Patienten im Plazebo-Arm beobachtet. Der IgM-Wert ging unter Ibrutinib plus Rituximab schnell zurück und verblieb im Studienverlauf auf niedrigem Level. Auch der Hämoglobinwert verbesserte sich im Arm Ibrutinib plus Rituximab häufiger und anhaltend. Das OS war in beiden Studienarmen nicht statistisch verschieden, mit einer 54-Monats-OS-Rate von 86 versus 84% (HR: 0,81; 95%-KI: 0,328–1,990; p = 0,6430). Nach 63 Monaten Nachbeobachtungszeit waren 9 Patienten (12%) im Ibrutinib-Arm und 10 Patienten (13%) im Kontrollarm verstorben. Bezüglich der Sicherheit wurden mit der verlängerten Nachbeobachtungszeit keine neuen Signale beobachtet. 88% der Nebenwirkungen, die zu einer Dosisreduktion von Ibrutinib geführt hatten, heilten nach erfolgter Dosis reduktion aus. Ine Schmale
Quelle: Buske C et al.: Five-year follow-up of ibrutinib plus rituximab vs placebo plus rituximab for Waldenstrom´s macroglobulinemia: Final analysis from the randomized phase 3 iNNOVATETM study. ASH 2020, Abstr. #336.
von unvorteilhaften prognostischen Cha-
rakteristiken wie Niereninsuffizienz, ISS-
Stadium III bei Diagnose, ≥ 3 vorange-
gangene Therapielinien oder Zugewinn
von 1q21.
Bezüglich des PFS wurde eine signifikante
Risikoreduktion durch die Isatuximab-
Gabe festgestellt (HR: 0,531; 95%-KI:
0,318–0,889). MRD-negative Patienten
zeigten dabei in beiden Studienarmen
ein deutlich verlängertes PFS im Vergleich
zu MRD-positiven Patienten. In beiden
Kohorten wurde, mit einer Hazard Ratio
von 0,578 bzw. 0,670, der Nutzen der
zusätzlichen Isatuximab-Gabe nachge-
wiesen.
n
Ine Schmale
Referenzen: 1. Kaufman JL et al.: Daratumumab plus lenalidomide,
bortezomib, and dexamethasone (RVd) in transplanteligible newly diagnosed multiple myeloma: Updated analysis of GRIFFIN after 12 month of maintenance therapy. ASH 2020, Abstr. #549. 2. Dimopoulos MA et al.: APOLLO: Phase 3 randomized study of subcutaneous daratumumab plus pomalidomide and dexamethasone (D-Pd) versus pomalidomide and dexamethasone (Pd) alone in patients with relapsed/refractory multiple myeloma. ASH 2020, Abstr. #412. 3. Martin T et al.: Depth of response and response kinetics of isatuximab plus carfilzomib and dexamethasone in relapsed multiple myeloma: IKEMA interim analysis. ASH 2020, Abstr. #414.
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