Transkript
EADV
Pruritus in der Schwangerschaft
Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
Jede fünfte Schwangere wird von Juckreiz geplagt. Über drei juckende Schwangerschaftsdermatosen und eine spezifisch in der Schwangerschaft auftretende Lebererkrankung mit Pruritus sprach Prof. Sonja Ständer, Münster, am virtuellen EADV-Kongress 2020.
Die atopische und die polymorphe Schwangerschaftsdermatose (AEP = Atopic Eruption of Pregnancy, PEP = Polymorphic Eruption of Pregnancy) stellen für das ungeborene Kind kein Risiko dar. Als häufigste Schwangerschaftsdermatose beginnt die AEP bei Frauen mit atopischer Diathese früh in der Schwangerschaft, im ersten oder zweiten Trimenon. Bei den juckenden Hautveränderungen kann morphologisch zwischen einem flächig-ekzematösen Typ und einem papulös-pruriginösem Typ mit aufgekratzten Papeln unterschieden werden. Topische Therapien (Emollienzien, Kortikosteroide) und perorale Behandlungen mit den nicht sedierenden Antihistaminika Loratadin und Cetirizin seien für das ungeborene Kind unbedenklich, so die Referentin. In zweiter Linie komme in der mittleren bis späten Schwangerschaft die UV-B-Schmalspektrum-Fototherapie in Betracht. Die PEP ist eine selbstlimitierende, juckende, entzündliche Hauterkrankung mit einer Inzidenz von 1 auf 160 Schwangerschaften. In den letzten Wochen des dritten Trimenons oder bei 15 Prozent kurz nach der Entbindung beginnen sich juckende, polymorphe Hautveränderungen am Abdomen in den Striae distensae bemerkbar zu machen (urtikarielle Papeln, die sich zu Plaques vereinen; bis 2 mm messende Vesikel; nie Bullae; ausgedehntes Erythem; ekzematöse Veränderungen). Die Hautregion um den Nabel herum ist nicht betroffen. Zur symptomatischen Therapie werden in erster Linie topische Präparate (Emollienzien, Kortikosteroide) und orale Antihistaminika (Loratadin, Cetirizin) empfohlen. In zweiter Linie kann bei schwer Betroffenen systemisch Prednisolon verwendet werden.
Juckende Erkrankungen mit Risiken für das Kind
Beim Pemphigoid (Herpes) gestationis handelt es sich um eine seltene (1 auf 2000 bis 50 000 Schwangerschaften), hormonell getriggerte, bullöse Autoimmundermatose im zweiten und dritten Trimenon oder unmittelbar nach der Entbindung. Rezidive sind bei weiteren Schwangerschaften, perimenstruell oder bei oraler hormoneller Kontrazeption möglich. Diese Schwangerschaftsdermatose erhöht das Risiko für Frühgeburten und Small-for-Date-Babys. Bei 10 Prozent der Neugeborenen kommt es zu leichten Hautveränderungen. Ein Pemphigoid gestationis beginnt mit Pruritus,
dann bilden sich Blasen zuerst am Abdomen (auch periumbi-
likal), später generalisiert. Als Erstlinientherapie werden
Emollienzien, potente topische Kortikosteroide und orale
Antihistaminika (Loratadin, Cetirizin) empfohlen. Zur syste-
mischen Zweitlinientherapie eignet sich Prednisolon (täglich
0,5 bis 1 mg pro kg Körpergewicht).
Zur intrahepatischen Schwangerschaftscholestase kommt es
bei bis zu 2,4 Prozent aller Schwangerschaften. Diese Leber-
erkrankung plagt zwar Schwangere mit Juckreiz, doch ist sie
für das ungeborene Kind weit problematischer als für die
Mutter. Die Frühgeburtenrate ist hoch (bis 60%), und es be-
steht ein erhöhtes Risiko für Totgeburten. Mutationen von
Gallensäuretransporter-Genen prädisponieren zur hormo-
nell getriggerten, reversiblen Cholestase. Eine aktuelle Publi-
kation machte darauf aufmerksam, dass die langfristige The-
rapie mit intravaginalen Progesteronpräparaten zur Präven-
tion von Frühgeburten eine intrahepatische Schwanger-
schaftscholestase auslösen kann (1). Spät im zweiten oder erst
im dritten Trimenon beginnt der Pruritus bei unauffälliger
Haut oft an Händen und Füssen. 1 bis 4 Wochen später er-
scheint ein Ikterus. Sekundär kann die Haut durch Kratzef-
fekte betroffen sein. Nach der Entbindung kommt es inner-
halb von 6 Wochen zur spontanen Abheilung. Die Diagnose
kann gestellt werden, wenn bei Nüchternblutentnahme im
Serum der Schwangeren vermehrt Gallensäuren zu finden
sind (Gesamtgallensäuren über 10 µmol/l). Als Erstlinienthe-
rapie wird Ursodeoxycholsäure (off-label, täglich 15 mg pro
kg Körpergewicht) empfohlen. Diese hydrophile Gallensäure
verbessert den Gallenfluss, lindert den Pruritus moderat und
reduziert das fetale Risiko. Bei ungenügender Linderung des
Pruritus können topische Kortikosteroide und orale Antihis-
taminika hilfreich sein.
s
Alfred Lienhard
Quelle: «Pruritus in pregnancy», Vortrag von Sonja Ständer, Münster, am virtuellen EADV-Kongress, 29. Oktober 2020, Präsentation D1T05.3A.
Referenz: 1. Zipori Y et al.: Vaginal progesterone treatment for the prevention
of preterm birth and intrahepatic cholestasis of pregnancy: A case-control study. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2020; 253: 117–120.
22 CongressSelection Dermatologie | Januar 2021