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GYNÄKOLOGIE/UROLOGIE
Harnwegsinfekte bei Frauen
Sechs Konzepte zur Prävention
Mit einer guten Prävention kann die Rate von rezidivierenden Harnwegsinfekten bei Frauen deutlich gesenkt werden, und zusätzlich werden dabei gleichzeitig Antibiotika eingespart. Womit sich das bewerkstelligen lässt, erklärte PD Dr. Michael Mayr, Co-Chefarzt Nephrologie, Universitätsspital Basel, an der medArt Basel 2020.
Harnwegsinfekte sind sehr häufig, weltweit leiden etwa 150 Millionen Menschen daran, hauptsächlich Frauen. 50 bis 60 Prozent von ihnen erkranken in ihrem Leben mehr als einmal daran, und 2 bis 5 Prozent leiden unter rezidivierenden Harnwegsinfekten. Ein grosser Anteil des Antibiotikaverbrauchs und der damit verbundenen Resistenzbildungen geht auf das Konto von Harnwegsinfektionen (1). Eine gute Prävention ermöglicht eine Reduktion der Infektrate bei gleichzeitiger Einsparung im Antibiotikaverbrauch. Ursache für Harnwegsinfekte ist in den meisten Fällen eine Vaginalbesiedlung mit uropathogenen Keimen wie E. coli. Um eine Infektion mit E. coli zu verhindern, präsentierte Mayr sechs Präventionskonzepte: 1. Schutz der Flora, 2. Rekolonisieren, 3. Milieu wiederherstellen, 4. Angreifer täuschen, 5. Immunsystem stärken, 6. Wegspülen.
Die Flora schützen
An erster Stelle der Prävention steht der Schutz der Vaginalflora. Lactobazillen sind gemäss Mayr physiologisch vorhandene «Abwehrbakterien», indem sie den pH-Wert des Urothels durch die Produktion von Milchsäure senken. Das saure Milieu schützt vor dem Befall mit Krankheitserregern. Lactobazillen produzieren ausserdem Hydrogenperoxid als chemische Waffe gegen uropathogene Keime und besetzen Andockstellen von E. coli (1). Die antibiotische Therapie einer asymptomatischen Harnwegsinfektion beispielsweise vernichtet nicht nur die Flora, sondern führt innerhalb eines Jahres auch zu mehr symptomatischen Infektepisoden im Vergleich zu keiner Antibiose, wie eine Studie mit 673 prämenopausalen Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten zeigte (2). Das belegt, dass durch die antibiotische Behandlung zusätzliche Harnwegsinfektionen getriggert werden, wahrscheinlich durch die Verschlechterung der Resistenzlage infolge Vernichtung der eigenen Flora. Ein Schutz dieser Flora kann demnach durch Vermeidung von Antibiotika erreicht werden.
Rekolonisierung und Milieupflege
Nach Beendigung einer Antibiose ist es sinnvoll, die Flora wiederaufzubauen. Die Rekolonisierung mit peroral verabreichten Lactobazillen ist laut Mayr aber gar nicht so einfach. Die Studienlage sei heterogen, und es gebe keine klare Evi-
denz, das heisse aber nicht, dass es nichts nütze. Der Lactobazillenstamm scheint dabei aber entscheidend zu sein. Eine Rekolonisierung kann allerdings nur erfolgreich sein, wenn das Milieu intakt ist. Lokale Östrogene wie beispielsweise Östriol führen bei postmenopausalen Frauen zu einer Rekolonisierung von Lactobazillen (3). Die anschliessende Milchsäurebildung senkt den Urin-pH-Wert, was zu einer Verringerung der Besiedelung mit Enterobakterien führt. Mit der Gabe von lokalen Östrogenen bei postmenopausalen Frauen könne letztlich die Rezidivrate von Harnwegsinfektionen gesenkt werden, so Mayr. Bei Frauen mit Endometrium- oder Mammakarzinom wie auch Thromboembolien in der Vorgeschichte kommt diese Therapie allerdings nicht infrage.
Den Angreifer täuschen
Polyphenole wie das Proanthocyanidin der Kranichbeere, auch bekannt unter dem Namen Cranberry, erfüllen für die Pflanze antimikrobielle Aufgaben. In einem von E. coli kolonisierten Urothel besetzt Proanthocyanidin die Andockstellen der Bakterienfimbrien, sodass das Bakterium nicht an die Urothelzellen anhaften kann. Die Studienlage ist aber auch hier heterogen, eine klare Evidenz gibt es nicht, und es ist auch unklar, wie viel es von welchem Präparat braucht. Von einem kommerziellen Saft benötige es vermutlich 300–600 ml/Tag, was einem Proanthocyanidingehalt von etwa 36–72 mg entspricht (1). Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch der oral eingenommene Einfachzucker D-Mannose. Dieser ist gut verträglich und wird im Magen-Darm-Trakt kaum metabolisiert, deshalb gelangen grosse Mengen in die Blase. Gemäss einer randomisierten kontrollierten Studie senkt D-Mannose die Rezidivrate von 60 auf 20 Prozent (1).
Immunsystem stärken
Eine weitere Präventionsmöglichkeit besteht in der Einnahme von abgetöteten Uropathogenen. Mit einem lyophilisierten Bakterienlysat aus 18 E.-coli-Stämmen (OM-89, Uro-Vaxom®) kann das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfekte gemäss einem systematischen Review um etwa 40 Prozent gesenkt werden (4). Das Bakterienlysat stimuliert die T-Lymphozyten, induziert die Produktion von endogenem Interferon und erhöht die sekretorischen IgA-Werte im Urin (5). Die Strategie der immunaktiven Prophylaxe mit OM-89 wird bei
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GYNÄKOLOGIE/UROLOGIE
Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten von der European Association of Urology empfohlen (6).
Einfach wegspülen?
Eine Studie untersuchte, ob die Erhöhung der Trinkmenge die
Rate an rezidivierenden Harnwegsinfekten senkt. Dazu finan-
zierte ein Mineralwasserhersteller eine randomisierte, kontrol-
lierte Studie mit 140 prämenopausalen Frauen mit rezidivie-
renden Harnwegsinfekten und einer täglichen Trinkmenge
von weniger als 1,5 Liter Wasser. Die eine Gruppe (n = 70)
der Frauen behielt ihre Trinkmenge bei, die andere Gruppe
(n = 70) wurde angehalten, zusätzlich zu ihrer bisherigen
Trinkmenge 1,5 Liter stilles Mineralwasser pro Tag zu trin-
ken. Die Studie dauerte 12 Monate. Die Urinmenge in der
Gruppe der Vieltrinker lag bei 2,2 Liter (vs. 1 l) pro Tag und
führte zu 8 Miktionen (vs. 6 Miktionen), die Zystitisrate lag
bei 1,7 (vs. 3,2) und die Anzahl Antibiotikatherapien wäh-
rend dieses Jahres bei 1,9 (vs. 3,6) (7). Viel trinken reduziert
demnach das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfekte.
Mit diesen Strategien lassen sich also Antibiotika sparen. Es
sei es jedoch wichtig, den Patientinnen zu vermitteln, dass
damit das Risiko für rezidivierende Harnwegsinfektionen
deutlich reduziert, nicht aber auf null gesenkt werden könne,
betonte Mayr abschliessend.
s
Referenzen: 1. Sihra N et al.: Nonantibiotic prevention and management of recurrent
urinary tract infection. Nat Rev Urol 2018; 15: 750–776. 2. Cai T et al.: The role of asymptomatic bacteriuria in young women with
recurrent urinary tract infections: to treat or not to treat? Clin Infect Dis 2012; 55: 771–777. 3. Raz R et al.: A controlled trial of intravaginal estriol in postmenopausal women with recurrent urinary tract infections. N Engl J Med 1993; 329: 753–756. 4. Beerepoot M, Geerlings S: Non-antibiotic prophylaxis for urinary tract infections. Pathogens 2016; 5(2): 36. 5. Fachinformation Uro-Vaxom®: swissmedicinfo.ch. Letzter Abruf 13.5.20. 6. Bonkat G et al.: EAU-Guideline Urological Infections. https://uroweb. org/guideline/urological-infections/. Letzter Abruf: 13.5.20. 7. Hooton TM et al.: Effect of increased daily water intake in premenopausal women with recurrent urinary tract infections: a randomized clinical trial. JAMA Intern Med 2018; 178: 1509–1515.
Valérie Herzog
Quelle: «Harnwegsinfekte», medArt Basel, 7./8. Mai 2020, digital.
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