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Neue Wirkstoffe und Fixkombinationen 2020[1]
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49627
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FOKUS PHARMAKOTHERAPIE

Asthma, COPD, Depression, Diabetes mellitus, Osteoporose
Neue Wirkstoffe und Fixkombinationen 2020

Auch 2020 gab es wieder etliche Entwicklungen im Bereich der Pharmakotherapie. Neue Wirkstoffe sowie neue Fixkombinationen bereits bewährter Substanzen können einen Beitrag zur Therapieverbesserung respektive -vereinfachung sowie zur Optimierung der Compliance leisten. Im Folgenden eine kleine Auswahl.

So stehen beispielsweise neue Dreifachkombinationen zum Einsatz in der Erhaltungstherapie von Asthma respektive COPD zur Verfügung. Auch im Bereich des Diabetes mellitus gibt es Neuigkeiten, ein erster oraler GLP-1-Rezeptor-Agonist ist nun auch in der Schweiz erhältlich, und es gibt ein nasal zu applizierendes Glukagonpräparat zur Behandlung akuter schwerer Hypoglykämien. Ebenfalls nasal zu applizieren ist ein Ketamin-Nasenspray, das zur Behandlung von Patienten mit schwerer, bislang therapieresisten-

ter Depression zum Einsatz kommen kann. Und last but not least

hat sich auch in der Therapie der Osteoporose etwas getan, neu

erweitert auch in der Schweiz ein Sklerostininhibitor das therapeu-

tische Armentarium für postmenopausale Frauen mit deutlich er-

höhtem Frakturrisiko. Im Folgenden finden Sie mehr über diese

Neueinführungen, die in ihren jeweiligen Einsatzgebieten die Pra-

xis bereichern können. Via QR-Code gelangen Sie direkt zu den

Fachinformationen der jeweiligen Präparate.

Mue

Baqsimi® (Glucagon): Mit nasaler Applikation gegen Hypoglykämien

Zur akuten Behandlung schwerer Hypoglykämien bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 4 Jahren mit Diabetes mellitus steht in der Schweiz seit Juni 2020 mit Baqsimi® ein gebrauchsfertiger Applikator zur intranasalen Verabreichung von Glukagon zur Verfügung. In der Europäischen Union (EU) und in den USA war die Marktzulassung des Präparats bereits im Jahr 2019 erfolgt. Die Wirksamkeit des neuen Applikators bei Erwachsenen wurde in einer randomisierten, multizentrischen, offenen Crossover-Studie in einer Einzeldosis von 3 mg Glukagon an insgesamt 83 Patienten (Alter: 18 bis < 65 Jahre) mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes im Vergleich zu einer intramuskulären (i.m.) Glukagoninjektion (1 mg) geprüft, nachdem deren Blutzuckerwerte zuvor mit Insulin in den hypoglykämischen Bereich (Zielnadir: < 2,8 mmol/l [< 50 mg/dl]) abgesenkt worden waren. Primärer Endpunkt der Studie war ein als Therapieerfolg definierter interventionsbedingter Anstieg der Blutzuckerwerte auf ≥ 3,9 mmol/l (≥ 70 mg/dl) beziehungsweise ein Anstieg um ≥ 1,1 mmol/l (≥ 20 mg/dl) gegenüber dem Glukosenadir (niedrigster bis zu 10 min nach Glukagongabe gemessener Glukosewert) innert 30 Minuten nach Glukagongabe. Wie die Auswertung der Daten zeigte, erreichten von den Patienten, die den nasalen Applikator verwendet hatten, 98,7 Prozent nach 30 Minuten den geforderten Zielglukosewert, bei den mit Glukagon i.m. behandelten Patienten waren es 100 Prozent. Im Durchschnitt dauerte es unter per Applikator verabreichtem Glukagon 16,2 Minuten und unter Glukagon i.m. 12,2 Minuten, bis der Glukosezielwert erreicht war. Die nach 30 Minuten erzielten Verbesserungen der Hypoglykämiesymptomatik fielen mit beiden Methoden nicht nennenswert unterschiedlich aus. Somit konnte die Studie die Nichtunterlegenheit von Baqsimi® gegenüber dem injizierten Glukagon nachweisen. Die Ergebnisse dieser Zulassungsstudie liessen sich in nachfolgenden konfirmatorischen Untersuchungen im Wesentlichen bestätigen. Auch die randomisierte, multizentrische Zulassungsstudie mit insgesamt 48 pädiatrischen Typ-1-Diabetes-Patienten (3 Kohorten: 4 bis < 8/8 bis < 12/12 bis 17 Jahre) verglich die Wirksamkeit des per nasalem Applikator verabreichten Glukagons (Einzeldosis: 3 mg) mit der Gabe von Glukagon i.m. (0,5 oder 1 mg je nach Körpergewicht), nachdem die Glukosespiegel am Tag der Verabreichung der Studienmedikation auf Werte < 4,4 mmol/l (< 80 mg/dl) gefallen waren. Als Wirksamkeitsendpunkt wurde das Erreichen eines Anstiegs der Glukosewerte um ≥ 1,1 mmol/l (≥ 20 mg/dl) gegenüber dem Nadir innert 30 Minuten nach Glukagongabe definiert. Auch in dieser Studie ergaben sich für Baqsimi® und Glukagon i.m. vergleichbare Ergebnisse: Es erreichten nicht nur sämtliche Patienten aller Alterskohorten innert 20 Minuten den definierten Glukosezielwert, sondern bis zum Erreichen dieses Werts war nach nasal appliziertem und i.m. verabreichtem Glukagon auch jeweils durchschnittlich etwa gleich viel Zeit vergangen. Wie wirkt Baqsimi®? Die über den Applikator in Pulverform in eine Nasenöffnung verabreichte Einmal- dosis Glukagon wird über die Nasen- schleimhaut rasch in den Blutkreislauf auf- genommen. Das Peptidhormon Glukagon steigert den Abbau von Glykogen in der Leber und die Freisetzung von Glukose in den Blutkreislauf und wirkt so den blut- zuckersenkenden Effekten von Insulin ent- gegen. Zu den häufigsten unter Verwen- dung von Baqsimi® aufgetretenen un- erwünschten Wirkungen zählen Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Reizungen der Augen, der Nase und der oberen Atem- wege. Bestehende leichte Erkältungssymp- tome (verstopfte Nase) wirkten sich weder mit noch ohne gleichzeitige Gabe von Me- dikamenten zum Abschwellen der Nasen- schleimhaut auf Pharmakodynamik und -kinetik aus. RABE s Literatur: Arzneimittelinformation Baqsimi®; Stand Juni 2020, www.compendium.ch 42 ARS MEDICI 1+2 | 2021 FOKUS PHARMAKOTHERAPIE Enerzair® Breezhaler® (Indacaterol/Glycopyrronium/ Mometasonfuroat): Dreifach gegen Asthma Seit der Zulassung durch Swissmedic im September 2020 ergänzt mit dem Enerzair® Breezhaler® eine Fixkombination aus dem ultralang wirksamen Beta-2-Agonisten (ULABA) Indacaterol (IND), dem LAMA (long-acting muscarinic antagonist) Glycopyrroniumbromid (GLY) und dem Glukokortikoid Mometasonfuroat (MF) die Palette der in der Schweiz zur Behandlung von Patienten mit Asthma verfügbaren inhalativen Präparate. Indiziert ist die neue Wirkstoffkombination bei Erwachsenen zur Erhaltungstherapie sowie zur Verbesserung der Lungenfunktion, falls deren Asthma mit einer ebenfalls zur Erhaltungstherapie eingesetzten Kombination aus einem LABA und einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) nicht hinreichend eingestellt werden kann. Grundlage für die Zulassung des Enerzair® Breezhaler® bildeten die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, multizentrischen, 52-wöchigen Phase-III-Studie IRIDIUM, in der die Wirksamkeit und die Sicherheit der neuen Dreifachkombination (IND/GLY/MF, jeweils 1-mal täglich) in einer Dosis von 150/50/80 µg (n = 620) und 150/50/160 µg (n = 619) gegen eine Zweifachkombination aus IND und MF (150/160 µg [n = 617] bzw. 150/320 µg [n = 618], je 1-mal täglich) an erwachsenen Asthmapatienten (mittleres Alter: 52,2 Jahre) geprüft wurden, die zuvor für 3 Monate oder länger mit mittelgradig oder hoch dosierten ICS- und LABA-Kombinationen als Erhaltungstherapie behandelt worden waren. Zusätzlich erhielten in einem dritten aktiven Kontrollarm der Studie weitere Teilnehmer (n = 618) 2-mal täglich die Kombination aus Salmeterolxinafoat (SAL, 50 µg) und Fluticasonpropionat (FP, 500 µg). Primärer Endpunkt war der Nachweis einer Überlegenheit des Enerzair® Breezhaler® in der hohen oder der niedrigen Dosis im Vergleich zur jeweils korrespondierenden Dosis der Zweifachkombination IND/MF hinsichtlich des Trough-FEV1 (Talwert der exspiratorischen Einsekundenkapazität [forced expiratory volume in 1 s]) nach 26 Wochen. Bei der Auswertung der Daten ergaben sich für den Enerzair® Breezhaler® in der hohen Dosis (150/50/160 µg) zum definierten Zeitpunkt statistisch signifikant bessere Trough-FEV1-Werte als mit IND/ MF (verbesserte morgendliche und abendliche Peak-Flow-Werte); gegenüber SAL/ FP (sekundärer Endpunkt) zeigten sich nach 26 Wochen zudem klinisch signifikante Verbesserungen der Lungenfunktion. Die günstigen Ergebnisse mit der Dreifachkombination hatten auch nach 52 Wochen Behandlung noch Bestand. Wie wirkt Enerzair® Breezhaler®? Nach der oralen Inhalation der in der Kapsel des Enerzair® Breezhaler® in Pul- verform vorliegenden Substanzen wirken IND und GLY lokal in unterschiedlicher Weise bronchienerweiternd, während MF in der Lunge lokalisierte Entzündungsre- aktionen hemmt. In der Regel kommt es innert 5 Minuten nach Inhalation zu einer seitens der Patienten spürbaren Verbesse- rung der Lungenfunktion. Zu den in der Zulassungsstudie häufigsten bei Anwen- dung des Enerzair® Breezhaler® beobach- teten Nebenwirkungen zählten Kopfweh, Candidiasis, Harnwegsinfektionen, Über- empfindlichkeitsreaktionen, Tachykardie, Schmerzen im Oropharynx, Husten, Dys- phonie, Gastroenteritis, Mundtrocken- heit, Hautausschlag, Schmerzen des Mus- kel- und Skelettsystems, Muskelkrämpfe sowie Fieber. RABE s Literatur: Arzneimittelinformation Enerzair® Breezhaler®; Stand September 2020, www.compendium.ch Evenity® (Romosozumab): Neues Osteoporosepräparat zunächst befristet zugelassen Nachdem der Sklerostininhibitor Romosozumab in den USA und in der Europäischen Union bereits 2019 zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit deutlich erhöhtem Frakturrisiko zugelassen worden war, kam das Präparat unter dem Namen Evenity® im Juli 2020 in dieser Indikation auch in der Schweiz in den Handel, allerdings aufgrund einer zum Zeitpunkt der Begutachtung der Zulassungsgesuche unvollständigen klinischen Datenlage mit einer vorerst nur befristeten Zulassung durch Swissmedic. Die Entfristung der Zulassung ist an die Erfüllung von Auflagen gebunden. Das Arzneimittel liegt als 1-mal monatlich subkutan zu applizierende Injektionslösung vor. Die Behandlung mit Romosozumab soll maximal für 12 Monate erfolgen und von einem im Umgang mit Osteoporosepatienten erfahrenen Spezialisten überwacht werden. Grundlage für die Marktzulassung von Evenity® waren die Ergebnisse zweier mul- tizentrischer, multinationaler, randomisierter, doppelblinder Studien, welche die Wirksamkeit und die Sicherheit von Romosozumab zum einen alendronat(ARCH) und zum anderen plazebokontrolliert (FRAME) untersucht hatten. In der ARCH-Studie erhielten insgesamt 4093 postmenopausale osteoporotische Frauen (mittleres Alter: 74,3 Jahre) zunächst für 12 Monate entweder monatliche subkutane Romosozumabinjektionen oder wöchentlich eine orale Dosis Alen- 44 ARS MEDICI 1+2 | 2021 FOKUS PHARMAKOTHERAPIE dronat. Danach wurde die Alendronatbehandlung in beiden Armen für weitere 12 Monate fortgesetzt. Bei der Auswertung nach 24 Monaten zeigte sich gegenüber der alleinigen Behandlung mit Alendronat unter Romosozumab eine signifikant geringere Inzidenz sowohl neuer vertebraler Frakturen bis Monat 24 als auch klinischer Frakturen zum Zeitpunkt der primären Analyse, wobei bereits nach 12 Monaten eine entsprechende Risikoreduktion zu beobachten war. Auch die Knochenmineraldichte (bone mineral density, BMD) an Lendenwirbelsäule, Gesamthüfte und Femurhals hatte sich unter Romosozumab zu beiden Untersuchungszeitpunkten signifikant erhöht. In der FRAME-Studie erhielten insgesamt 7180 postmenopausale Frauen (mittleres Alter: 70,9 Jahre) zunächst über 1 Jahr monatliche subkutane Injektionen von entweder Romosozumab oder Plazebo und danach für 12 Monate 60 mg Denosumab subkutan alle 6 Monate. Die Denosumabbehandlung wurde anschliessend noch für weitere 12 Monate unverblindet fortgeführt. Auch in dieser Studie konnte unter Romosozumab eine gegenüber Plazebo signifikant verringerte Inzidenz neuer vertebraler Frakturen (bis Monat 12; p < 0,001) beobachtet werden, wobei die Risikoreduktion auch nach Umstellung von Romosozumab auf Denosumab bestehen blieb (Monat 24; p<0,001). Auch die Anzahl der bis Monat 12 aufgetretenen klinischen Frakturen zeigte sich unter dem Verum signifikant reduziert, während die an Lendenwirbelsäule, Gesamthüfte und Femurhals gemessene Knochendichte unter Romosozumab gegenüber Plazebo nach 6 und 12 Monaten signifikant zugenommen hatte. Auch nach späterer 12-monatiger Denosumabgabe waren die BMD-Werte weiter angestiegen, und diese Zunahme hatte auch nach 36 Monaten noch Bestand. Positive Effekte von Evenity® auf die BMD hatten sich zudem auch in der STRUCTURE-Studie gezeigt, in der Frauen nach Umstellung von einer Bisphosphonattherapie (Teripatid) auf Romosozumab (12 Monate) untersucht worden waren. Wie wirkt Evenity®? Der monoklonale Antikörper Romosozumab bindet an das Glykoprotein Sklerostin, dessen hemmende Wirkung auf die durch Osteoblasten vermittelten knochenbildenden Prozesse dadurch inhibiert wird. Folg- lich steigert Romosozumab den Knochenauf- und vermindert den Knochenabbau. Die empfohlene Dosis von Romosozumab beträgt 210 mg (2 Injektionen à 105 mg in Abdomen, Oberschenkel oder Oberarm; 1. und 2. Injektion müssen an unterschiedlichen Stellen erfolgen). Wegen der unter Romosozumab beobachteten vorübergehenden Hypokalzämie sollten die Patientinnen ausreichend mit Kalzium und Vitamin D supplementiert werden. Als häufigste unerwünschte Wirkungen von Evenity® waren Gelenk- und Kopfschmerzen sowie Nasopharyngitis aufgetreten. In der ARCH-Studie hatte sich ausserdem unter Romosozumab ein erhöhtes Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse ergeben, weshalb bestimmte Vorsichtsmassnahmen beachtet werden müssen. RABE s Literatur: Arzneimittelinformation Evenity®, Stand Dezember 2019, www.compendium.ch Rybelsus® (Semaglutid): Erster oraler GLP-1-Rezeptor-Agonist nun auch in der Schweiz erhältlich Der GLP-1-Rezeptor-Agonist (GLP: glucagon-like peptide) Semaglutid ist in der Schweiz als Injektionslösung (Ozempic®) bereits seit 2018 zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) verfügbar. Unter dem Handelsnamen Rybelsus® wurde Semaglutid 2019 in den USA auch in Tablettenform und damit als erster oral zu verabreichender Vertreter seiner Wirkstoffklasse zugelassen. Im August 2020 erfolgte durch Swissmedic nun die Freigabe von Rybelsus® für den Schweizer Markt. Das Medikament ist indiziert bei erwachsenen Patienten mit unzureichend kontrolliertem T2DM und wird als Ergänzung zu Diät und Bewegung entweder als Monotherapie (bei Kontraindikation oder Unverträglichkeit für Metformin) oder kom- biniert mit anderen Antidiabetika eingesetzt. Zur Zulassung von Rybelsus® führten die durchweg positiven Daten aus acht globalen randomisierten, kontrollierten Phase-IIIa-Studien mit insgesamt 8842 T2DM-Patienten, von denen 1162 zusätzlich eine moderate Nierenfunktionsstörung aufwiesen. In sieben dieser Studien (PIONEER 1–5, 7 und 8) wurden vornehmlich die glykämischen Effekte, in einer weiteren (PIONEER 6) primär die kardiovaskuläre (CV) Sicherheit von oralem Semaglutid überprüft. Rybelsus® wurde in diesen Studien ausser mit Plazebo mit dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin (SGLT2: sodium-glucose linked transporter 2), dem DPP-(Dipeptidylpeptidase-)4-Hemmer Sitagliptin sowie mit den GLP-1-Rezeptor-Agonisten Dulaglutid und Liraglutid verglichen. Letzteres ist strukturell und pharmakologisch mit Semaglutid verwandt. Die Behandlung mit Rybelsus® führte in sämtlichen Studien zu einer klinisch signifikanten Verbesserung der HbA1c- und der Nüchternblutzuckerwerte sowie zu einer Reduktion des Körpergewichts. Diese günstigen Effekte waren auch nach einer Studiendauer von bis zu 78 Wochen noch zu beobachten. Parameter wie Alter, Geschlecht, Rasse und ethnische Zugehörigkeit der Patienten, deren Körpergewicht und Body-Mass-Index (BMI), die Dauer der Diabeteserkrankung, das Vorliegen von Erkrankungen des oberen Gastrointestinaltrakts sowie die Nierenfunktion zu Beginn der Studie hatten keinen Einfluss auf die Wirksamkeit ARS MEDICI 1+2 | 2021 45 FOKUS PHARMAKOTHERAPIE von Rybelsus®. In der PIONEER-6-Studie wurden 3183 T2DM-Patienten mit hohem CV-Risiko (mit oder ohne vorliegende CV-Erkrankung) zusätzlich zu einer vorbestehenden antiglykämischen Therapie im Mittel für 16 Monate entweder mit Rybelsus® (14 mg, 1-mal/Tag) oder mit Plazebo behandelt. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Auftreten von MACE (major adverse cardiac events; CV-bedingter Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt oder nicht tödlicher Schlaganfall). Die Analyse der Daten ergab bei den Patienten, die mit oralem Semaglutid behandelt worden waren, ein numerisch reduziertes CV-Risiko, hauptsächlich bedingt durch eine verminderte CV-Mortalität. Für sub- kutan verabreichtes Semaglutid (SUSTAIN-6-Studie) hatte sich im Gegensatz dazu kein günstiger Effekt auf das CV-Risiko gezeigt. Wie wirkt Rybelsus®? Die blutzuckersenkenden und antidiabetischen Effekte von Semaglutid ergeben sich aus seiner Eigenschaft, an den Rezeptor des Inkretins GLP-1 zu binden, welches in die Regulation der Glukosehomöostase involviert ist. Dadurch wird in Abhängigkeit vom Blutzuckerspiegel die Insulinsekretion gesteigert und die Glukagonsekretion inhibiert. Gleichzeitig wird die Insulinsensitivität erhöht und die Magenentleerung verzögert (langsamere Freisetzung von Glukose in den Blutkreislauf). Zudem können die appetitsenkenden Effekte von Semaglutid zur Gewichtsreduktion beitragen. Als häufigste unerwünschte Wirkungen wurden gastrointestinale Störungen (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Obstipation) beobachtet. RABE s Literatur: Arzneimittelinformation Rybelsus®, Stand März 2020, www.compendium.ch Spravato® (Esketamin): Mit nasalen Sprühstössen rasche Hilfe bei Depression Seit Februar 2020 ist das Anästhetikum Esketamin in der Schweiz in Form eines Nasensprays zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit Major-Depression, die zuvor auf mindestens zwei verschiedene Antidepressiva nicht angesprochen haben, zugelassen. In der Europäischen Union und in den USA war das neue Präparat namens Spravato® bereits im Jahr zuvor in den Handel gekommen. Die nasale Verabreichung des Medikaments muss von der gleichzeitigen Gabe eines oralen Antidepressivums begleitet sein. Der Zulassung vorausgegangen waren fünf klinische randomisierte, doppelblinde, multizentrische Phase-III-Studien mit insgesamt 1833 Teilnehmern mit therapieresistenter schwerer Depression, an denen die Wirksamkeit und die Sicherheit von Spravato® geprüft wurden. Drei der Studien waren kurz angelegt (4 Wochen) und verglichen nasales Esketamin (2-mal/Woche, je nach Sudiendesign jeweils 28, 56 oder 84 mg) mit einem Plazebonasenspray, jeweils kombiniert mit einem täglich verabreichten oralen Antidepressivum. Primärer Wirksamkeitsendpunkt der Kurzzeitstudien war die Abnahme (≥ 50%) des mittels Montgomery-Asberg Depression Rating Scale (MADRS) ermittelten Scores in der Zeit von Beginn bis Tag 28 der Untersuchungen. Während sich in zwei der Studien die therapeutischen Wirkungen von Spravato® und Plazebo nicht signifikant unterschieden, zeigte sich in der dritten mit flexibler Dosierung an 18- bis 65-jährigen Patienten durchgeführten Kurzzeitstudie unter Esketamin bereits nach 24 Stunden ein deutlicher antidepressiver Effekt, der gegenüber Plazebo statistische Signifikanz erreichte. Die mittlere Änderung des MADRS-Score unter dem Verum fiel zu sämtlichen Zeitpunkten (Wochen 1, 2, 3 und 4) gleichbleibend grösser aus als mit nasal verabreichtem Plazebo. In zwei weiteren, länger angelegten Studien wurde Spravato® hinsichtlich der Rezidivprophylaxe beziehungsweise der Langzeitsicherheit untersucht. In ersterer wurden die Patienten, die in einer 4-wöchigen Induktionsphase auf das Esketaminspray angesprochen hatten (≥ 50% MADRS-Reduktion), randomisiert entweder mit Spravato® oder mit Plazebo, jeweils plus oralem Antidepressivum, weiterbehandelt. Hierbei ergab sich bei stabilen Respondern, die weiterhin Spravato® erhalten hatten, eine durchschnittlich um 70 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv als bei denen, die zu Plazebo wechselten. Für Patienten, die sich nach der Induktionsphase in stabiler Remission (MADSR ≤ 12) befanden, war die Rezidivwahrscheinlichkeit bei Fortsetzung von Spravato® um 51 Prozent geringer als unter Plazebo. Die Daten der Langzeitsicherheitsstudie bestätigten die allgemein gute Verträglichkeit des Esketaminsprays über den gesamten Untersuchungszeitraum von 52 Wochen. Wie wirkt Spravato®? Gegenüber herkömmlichen Antidepressiva zeichnet sich das nasal verabreichte Esketamin durch einen schnelleren Wirkungseintritt (wenige Stunden) aus. Seine antidepressiven Effekte werden einem nicht selektiven, nicht kompetitiven Antagonismus an NMDA-(N-Methyl-DAspartat-)Rezeptoren zugeschrieben, durch den es zu einer vorübergehend gesteigerten Glutamatausschüttung kommt. Als häufigste Nebenwirkungen von Spravato® wurden Dissoziation, Schwankschwindel, Übelkeit, Sedierung, Kopfschmerz, Drehschwindel, Dysgeusie, Hypästhesie, erhöhter Blutdruck, Angst und Erbrechen beobachtet. Esketamin 46 ARS MEDICI 1+2 | 2021 FOKUS PHARMAKOTHERAPIE wird wie Ketamin als halluzinogene Rauschdroge missbraucht und kann zu Abhängigkeit führen. Auch unter diesem Aspekt muss die therapeutische Anwendung von Spravato® von einem speziali- sierten Arzt beziehungsweise Psychiater beaufsichtigt werden.  RABE s Literatur: Arzneimittelinformation Spravato®, Stand Februar 2020, www.compendium.ch Trimbow® (Beclometason, Formoterol, Glycopyrronium): Neue dreifach kombinierte inhalative Option zur COPDErhaltungstherapie Im August 2020 erhielt die Fixkombination aus dem Glukokortikoid Beclometasondipropionat (BEC), dem lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) Formoterolfumarat (FOR) und dem lang wirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) Glycopyrroniumbromid (GLY) unter dem Handelsnamen Trimbow® in der Schweiz die Zulassung als neues Dreifachmedikament zur Behandlung der moderaten bis schweren chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Das inhalativ zu verabreichende Präparat ist indiziert für die Erhaltungstherapie bei Patienten mit exazerbierender COPD, deren Symptome unter einer Zweifachkombination aus einem inhalativen Kortikosteroid (IC) und einem LABA oder aus LABA/LAMA nicht in den Griff zu bekommen sind. Zur Zulassung der neuen Dreifachkombination hatten die Ergebnisse aus je 2 aktiv kontrollierten Phase-III- (TRILOGY, TRINITY) und Phase-IIIb-Studien (TRISTAR, TRIBUTE) geführt. In den Phase-III-Studien wurden über 52 Wochen die Wirksamkeit und die Sicherheit von Trimbow® gegen eine Fixkombination aus BEC/FOR (TRILOGY, n  =  1368) respek-    tive gegen Tiotropium (TIO) beziehungsweise eine freie Dreifachkombination (BEC/FOR [fix] plus TIO; TRINITY, n  =  2691) geprüft. In den Phase-IIIb-Studien erfolgten Bestätigungsuntersuchungen von Trimbow® versus fix kombiniertes Fluticason und Vilanterol plus TIO (TRISTAR; 26 Wochen, n  =  1157) respektive fix kombiniertes Indacaterol (IND) und GLY (TRIBUTE; 52 Wochen, n  =  1532). Im Vergleich sowohl mit BEC/ FOR, mit IND/GLY als auch mit TIO war die Häufigkeit von mittelschweren oder schweren Exazerbationen unter Trimbow® signifikant reduziert. Gegenüber BEC/ FOR wie auch gegenüber TIO dauerte es im Durchschnitt zudem signifikant länger, bis die erste Exazerbation auftrat. Auch bezüglich der Lungenfunktion (FEV1 [Einsekundenkapazität]) erwies sich Trimbow® im Vergleich mit BEC/FOR und TIO (PräDosis-FEV1) beziehungsweise wiederum gegenüber BEC/FOR (2-h-Post-DosisFEV1) als effektiver. Ausserdem hatte sich die inspiratorische Kapazität unter Trimbow® sowohl gegenüber TIO als auch im Vergleich mit BEC/FOR plus TIO signifikant gebessert. Weitere positive Effekte der neuen Dreifachkombination ergaben sich in einzelnen Vergleichsuntersuchungen in puncto Dyspnoe und Lebensqualität. Wie wirkt Trimbow®? In Trimbow® liegen die Wirkstoffe als Lösung zur Druckgasinhalation mit der Besonderheit der extrafeinen Formulierung vor. Jede über das Mundstück des Inhalators abgegebene Einzeldosis enthält 87 µg BEC, 5 µg FOR und 9 µg GLY. Die Fachinformation für Trimbow® gibt als empfohlene und gleichzeitig maximale Dosierung bei Erwachsenen 2 Inhalationen 2-mal täglich an; bei älteren Patienten (>  65 Jahre) ist keine Dosisanpassung erforderlich. Die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen wurde nicht geprüft, da

COPD keine Erkrankung dieser Alters-

gruppe darstellt. Trimbow® wurde auch

bereits in klinischen Studien (TRIGGER/

TRIMARAN) für die Indikation Asthma

geprüft, und eine entsprechende Zulassung

wird beantragt.

Wie alle IC wirkt BEC in der Lunge ent-

zündungshemmend. FOR bewirkt eine

Relaxation der glatten Bronchialmusku-

latur, wobei der bronchienerweiternde

Effekt rasch einsetzt und lange anhält.

GLY unterbindet die acetylcholinvermit-

telte Konstriktion von Zellen der glatten

Atemwegsmuskulatur und wirkt so eben-

falls bronchienerweiternd. An uner-

wünschten Wirkungen waren in den kli-

nischen Studien unter Trimbow® am

häufigsten orale Candidosen, Muskel-

krämpfe und Mundtrockenheit aufgetre-

ten. Grundsätzlich Vorsicht geboten ist

bei der Anwendung des Medikaments bei

Patienten mit kardiovaskulären Störun-

gen und Erkrankungen.

RABE s

Literatur: Arzneimittelinformation Trimbow®, Stand Januar 2020, www.compendium.ch

ARS MEDICI 1+2 | 2021

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