Transkript
FORTBILDUNG
Topische NSAID auf Platz 1
Neue Guideline zur muskuloskelettalen Schmerztherapie
Patienten mit akuten Schmerzen aufgrund von Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen sollten, falls möglich, mit topischen NSAID behandelt werden. Orale NSAID und Paracetamol werden in der neuen Guideline aus den USA neben Akupressur und TENS als Second-Line-Option empfohlen.
Annals of Internal Medicine
In einer neuen Guideline der US-amerikanischen Fachgesellschaften für Innere Medizin (American College of Physicians, ACP) und für Hausarztmedizin (American Academy of Family Physicians, AAFP) geht es um die medikamentöse und die nicht medikamentöse ambulante Behandlung von Patienten mit akuten Schmerzen (nicht länger als 4 Wochen) infolge muskuloskelettaler Verletzungen. Dazu zählen beispielsweise Verstauchungen, Prellungen, Zerrungen, Bindegewebeverletzungen und Schleudertrauma. Bei der Begutachtung der Datenlage in Form einer Netzwerkmetaanalyse spielten die folgenden Endpunkte eine Rolle: s Schmerzlinderung nach ≤ 2 Stunden und nach 1 bis
7 Tagen s muskuloskelettale Funktion s Linderung von Symptomen s Patientenzufriedenheit s Nebenwirkungen (gastrointestinal, dermatologisch, neu-
rologisch). Insgesamt wurden 207 Studien mit rund 33 000 Patienten berücksichtigt. Das mediane Alter der Patienten betrug 34 Jahre. Die mediane Schmerzstärke betrug zu Beginn 6,49 auf der 10 Punkte umfassenden visuellen Analogskala (VAS; kein Schmerz = 0, höchste Schmerzintensität = 10). Eine weitere Analyse befasste sich mit den Prädiktoren für einen langfristigen Gebrauch von Opioiden nach deren Erst-
MERKSÄTZE
� Bei akuten Schmerzen aufgrund muskuloskelettaler Verletzungen werden topische NSAID als First-Line-Therapie empfohlen.
� Weitere Optionen sind orale NSAID, Paracetamol, Akupressur und transkutane Elektrostimulation (TENS).
� Opioide, inklusive Tramadol, werden nicht empfohlen.
� Die neue Guideline bezieht sich nicht auf die Behandlung von Patienten mit akuten Kreuzschmerzen.
verordnung wegen akuter Schmerzen. Einbezogen wurden 13 Beobachtungsstudien mit insgesamt gut 13 Millionen Patienten.
Starke Empfehlung für topische NSAID
Patienten mit akuten Schmerzen aufgrund muskuloskelettaler Verletzungen sollten, falls möglich, mit topischen NSAID behandelt werden, empfehlen ACP und AAFP. Diese FirstLine-Empfehlung beruht auf einer moderaten Evidenzlage. Begründet wird sie damit, dass topische NSAID die einzige Massnahme mit positiven Effekten bezüglich aller oben genannten Endpunkte seien. Sie gehörten nicht nur zu den wirksamsten Massnahmen bezüglich Schmerzlinderung und Rückgang der Symptome, sondern sie seien auch bei den Patienten sehr beliebt. Es spielt für die Empfehlung keine Rolle, ob das topische NSAID zusätzlich Menthol enthält oder nicht. Orale NSAID und Paracetamol werden als Second-Line-Optionen genannt. Von Opioiden und Tramadol, die früher in den USA recht häufig bei akuten muskuloskelettalen Schmerzen verordnet wurden, wird abgeraten. Ausnahmen sind möglich, bei schweren Verletzungen oder bei Patienten, die andere Schmerzmittel nicht vertragen.
Und die nicht medikamentösen Methoden?
Eine bedingte Empfehlung sprechen ACP und AAFP für die
Akupressur und die transkutane Elektrostimulation (TENS)
aus. Beide Empfehlungen beruhen auf einem eher niedrigen
Evidenzniveau. TENS entfalte eine schmerzlindernde Wir-
kung, während die Akupressur sowohl die Schmerzen lindern
als auch die muskuloskeletale Funktion fördern könne, heisst
es in der Guideline.
s
Renate Bonifer
Quaseem A et al.: Nonpharmacologic and pharmacologic management of acute pain from non-low back, musculoskeletal injuries in adults: a clinical guideline from the American College of Physicians and American Academy of Family Physicians. Ann Intern Med 2020; 173(9): 739–748.
Interessenlage: Das Erstellen der Guideline wurde vom American College of Physicians finanziert. Alle Autoren der Guideline erklären, dass keine potenziellen Interessenkonflikte bestehen.
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