Transkript
BRAINFOOD
Potenzial der Milchprodukte als Brainfood
DOREEN GILLE
Geistig fit zu bleiben bis ins hohe
Alter ist einer der grössten Wünsche
der älteren Bevölkerung. Milch und
Milchprodukte scheinen diesem
Vorhaben zuträglich zu sein.
Die Menschen in Europa werden immer älter – das ist ein Fakt. An und für sich ist das eine gute Nachricht, die unter anderem zeigt, dass medizinische Fortschritte gemacht werden. Der Zuwachs an älteren Menschen bringt aber auch grosse Herausforderungen mit sich, vor allem für die Gesundheits- und Sozialsysteme europäischer Länder. Daher ist es wichtig, die ältere Bevölkerung adäquat zu versorgen und auf ihre physiologischen Bedürfnisse einzugehen. Einen bedeutsamen Aspekt in diesem Zusammenhang stellt der Erhalt der kognitiven Gesundheit dar. In der Vergangenheit wurden verschiedene Nahrungsmittelinhaltsstoffe identifiziert, die diesem Vorhaben zuträglich sein können. Besonders Omega-3-Fettsäuren geniessen wissenschaftlich belegbar den Ruf, die Funktionalität des Gehirns positiv zu beeinflussen. Enthalten sind sie zum Beispiel in Leinsamen, Leinöl, Rapsöl oder fetten Fischen. Den Milchprodukten wurde bisher in Bezug auf die geistige Leistungsfähigkeit sehr wenig Aufmerksamkeit zuteil. Dies ist jedoch unbegründet, da diese Lebensmittel sehr vielfältig in ihrer Zusammensetzung sind und für einige ihrer Inhaltsstoffe durchaus positive Wirkungen auf die geistige Leistungsfähigkeit entdeckt wurden.
Vitamine B6 und B12
Ein gutes Beispiel hierfür sind die Vitamine B6 und B12, welche in natürlicher Form vor allem in Fleisch und Fleischprodukten
sowie Milch und Milchprodukten vorkommen. Diese Vitamine sind wichtig für die Bildung einiger Neurotransmitter, also Botenstoffen, die zwischen den Nervenzellen Informationen weitergeben. Wird Vitamin B12 zur richtigen Zeit unter klinischer Aufsicht verabreicht, kann es erste Anzeichen einer Demenz erfolgreich verzögern. Studien ergaben ausserdem, dass ältere Menschen durch die Gabe von Vitamin B12 von einer Verbesserung kognitiver und zerebraler Funktionen profitierten. Probanden, die bereits Einschränkungen in der geistigen Leistungsfähigkeit hatten, wiesen durch die Verabreichung von B12 eine verbesserte Sprachfunktion auf.
Milchprodukte
Da der Mensch aber nicht nur einzelne Nährstoffe, sondern stets komplexe Lebensmittel konsumiert, ist es von grosser Bedeutung, das ganze Lebensmittel und dessen Einfluss auf die kognitiven Funktionen zu testen. In der Vergangenheit wurden Ergebnisse vereinzelter Beobachtungsstudien veröffentlicht, die darauf hinweisen, dass eine erhöhte Aufnahme von fettreduzierten Milchprodukten assoziiert ist mit einer generell verbesserten geistigen Funktion sowie einer verminderten Wahrscheinlichkeit, Demenz oder kognitive Störungen auszuprägen. Waren diese Milchprodukte jedoch Vollmilcherzeugnisse, fand sich eine gegenteilige Wirkung für Ältere: Die geistige Leistungsfähigkeit sank bei deren Konsum. Eine erst kürzlich publizierte Querschnittsstudie konzentrierte sich schliesslich auf den Einfluss von Milchprodukten auf die geistige Gesundheit. Zu diesem Zweck wurden 972 weibliche und männliche, gesunde Probanden im Alter von 23 bis 98 Jahren rekrutiert. Die Teilnehmer wurden zunächst einer Reihe ärztlicher Standardtests unterzogen, die den Zu-
stand der geistigen Leistungsfähigkeit abklären sollten. Zudem mussten die Probanden einen Fragebogen zu ihrer Ernährung, Gesundheit und ihrem Lebensstil ausfüllen. In diesem Zusammenhang wurde erfasst, wie häufig Milchprodukte verschiedener Fettstufen konsumiert wurden. Die Auswertung der Daten ergab, dass ein hoher Milchproduktekonsum die kognitive Leistungsfähigkeit fördert. Dabei spielte es keine Rolle, welches Produkt (Milch, Joghurt, Käse, Rahm) hauptsächlich verzehrt wurde. Es konnte aber beobachtet werden, dass Probanden, die normalerweise fettreduzierte Milch beziehungsweise Magermilch trinken, besser in den durchgeführten ärztlichen Tests abschnitten.
Fazit
Milch und Milchprodukte könnten den Menschen wahrscheinlich darin unterstützen, geistig fit ein hohes Alter zu erreichen. Welche Bedeutung dabei der Fettgehalt der Milcherzeugnisse hat, muss in Zukunft durch weitere Studien genauer untersucht werden.
Korrespondenz: Doreen Gille Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP-Haras Schwarzenburgstr. 161 3003 Bern
Literaturangaben bei der Autorin erhältlich.
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