Transkript
EDITORIAL
pressivität, emotionale Erschöpfung, Schlafprobleme, Burnout, traumatische Belastungssymptome oder Alkoholmissbrauch aufweisen.
Und wer kümmert sich ums Gemüt?
Vor lauter Corona drohen andere Dinge vergessen zu gehen. Selbst der baldige Ex-Präsident der USA konnte dieses «COVID, COVID, COVID ...» nicht mehr hören, auch wenn er andere Beweggründe hatte. Doch Corona ist allgegenwärtig, lebens- und mittlerweile auch stimmungsbestimmend. Das zeigt auch eine vom Bundesamt für Gesundheit in Auftrag gegebene Untersuchung über den Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die physische Gesundheit der Schweizer Bevölkerung. Bei den Senioren und den unter 30-Jährigen haben die Kontakteinschränkungen während der ersten Welle Einsamkeitsgefühle verstärkt und sich negativ auf die Stimmung ausgewirkt. Den jüngeren Senioren ab 65 Jahren schlugen vor allem die undifferenzierte Bezeichnung als «vulnerable Gruppe» auf die Stimmung und die einheitliche Erfassung durch die behördlichen Massnahmen. Sie fühlten sich ungerecht behandelt. Auch wenn die Schweizer die Krise bis jetzt relativ gut gemeistert haben, hatte das nationale Sorgentelefon (143 für Erwachsene und 147 für Kinder) mehr zu tun. Laut BASS/BAG-Bericht hat sich der Gemütszustand bei etwa einem Drittel der befragten Personen seit dem Lockdown verschlechtert – sie sind ängstlicher, deprimierter oder weniger fröhlich und heiter. Ärzte, Pflegefachkräfte und weitere Gesundheitsfachpersonen sind besonders gefährdet. Die Erfahrungen mit SARS und erste Ergebnisse zum Umgang mit COVID-19 zeigen, dass sie höhere Werte für Angststörungen, De-
Ja, es gibt noch anderes Auch wenn Corona die Schlagzeilen noch eine Weile beherrschen wird – es gibt auch medizinische Fragen neben Corona. Beispielsweise inwieweit es für die Therapie von Krankheiten von Vorteil ist, Medikamente abzusetzen. Solche Fragestellungen sind für Ärzte und Patienten interessant, aber nicht für die Industrie. Hier springt der Schweizerische Nationalfonds in die Bresche und hat zu diesem und weiteren Themen fünf Projekte bewilligt. Prof. Nicolas Rodondi vom Berner Hausarztinstitut untersucht in einer randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie, inwieweit sich die Absetzung von Statinen bei älteren multimorbiden, aber kardiovaskulär gesunden Personen auswirkt. Im Inselspital Bern untersucht eine Forschergruppe um Prof. Maja Steinlin, ob hoch dosierte Steroide Kindern mit Hirnschlag und einer unilateralen fokalen Arteriopathie helfen. Ein weiteres Projekt aus dem Universitätsspital Basel mit Prof. Mirjam Christ-Crain vergleicht den Effekt der gezielten Korrektur der Plasmanatriumwerte bei hospitalisierten Patienten mit Hyponatriämie versus Standardverfahren. Prof. Iris Baumgartner aus dem Inselspital untersucht die Wirkung einer unmittelbaren Revaskularisation bei Patienten mit einem diabetischen Fussulkus und einer unkritischen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im Vergleich zur Standardbehandlung. Und Prof. Benoit Guery aus dem Universitätsspital Lausanne forscht zur Frage, ob Patienten mit einer Clostridioides-difficile-Durchfallerkrankung mit einer Stuhltransplantation besser fahren als mit Vancomycin oder Fidaxomicin. Sie sehen, meine Damen und Herren, es gibt noch ein Medizinleben B, auch wenn es leiser daherkommt als das alles übertönende Coronavirus.
Bleiben Sie gesund und kümmern Sie sich um Ihr
Gemüt!
s
Valérie Herzog
Quellen: Bundesamt für Gesundheit und Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien BASS: Der Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Schweizer Bevölkerung und die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in der Schweiz
www.snf.ch
ARS MEDICI 23 | 2020
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