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Titel
Gastroösophagealer Reflux
Untertitel
Evaluation und Management im Kindesalter
Lead
Gemeinsame Empfehlungen zum gastroösophagealen Reflux im Kindesalter wurden 2009 von der US-amerikanischen (NASPHGHAN) und der europäischen (ESPGHAN) Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung publiziert. Im Folgenden wird aus der sehr umfangreichen Arbeit der für die Praxis besonders relevante Abschnitt über die Evaluation und das Management bei Verdacht auf GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit) im Kindesalter zusammengefasst und kommentiert.
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Gastroösophagealer Reflux
Evaluation und Management im Kindesalter

Gemeinsame Empfehlungen zum gastroösophagealen Reflux im Kindesalter wurden 2009 von der US-amerikanischen (NASPHGHAN) und der europäischen (ESPGHAN) Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung publiziert. Im Folgenden wird aus der sehr umfangreichen Arbeit der für die Praxis besonders relevante Abschnitt über die Evaluation und das Management bei Verdacht auf GERD (gastroösophageale Refluxkrankheit) im Kindesalter zusammengefasst und kommentiert.

Zusammenfassung der Guideline von NASPHGHAN und ESPGHAN

I n den ersten Lebensmonaten «spucken» die meisten Säuglinge, weil der Schliessmechanismus zwischen Ösophagus und Magen noch nicht ausgereift ist. Mitunter sieht das Spucken wie heftiges Erbrechen aus. Wenn diese Symptome immer wieder auftreten, stellt sich die Frage, ob ein gastroösophagealer Reflux dahinterstecken könnte, der möglicherweise weitere Beschwerden verursacht (GERD). Darum müssen andere potenzielle Ursachen für das Erbrechen ausgeschlossen werden; die Liste dieser möglichen Ursachen ist lang und reicht von gastrointestinaler Obstruktion über neurologische, metabolische, endokrinologische, renale oder kardiale Störungen bis hin zu Vergiftungen.
Der «Happy Spitter»
In der Regel genügt aber eine gründliche Anamnese, um die Diagnose «unkomplizierte rezidivierende Regurgitation» zu stellen, oder anders ausgedrückt einen sogenannten «Happy Spitter» zu identifizieren. Das Kind macht, abgesehen vom häufigen Spucken, einen gesunden Eindruck und weist auch keine Warnsymptome (Tabelle) auf. Wenn das Kind einen unruhigen Eindruck macht, ist dies – sofern sonst keine Warnsymptome vorliegen – trotzdem kein Grund für weitere, umfangreiche diagnostische Tests oder Verfahren. Normalerweise geht das Spucken im Lauf des ersten Lebensjahres, etwa bis zum 12. oder 18. Lebensmonat vorbei. Falls Anzeichen für GERD oder andere Erkrankungen vorhanden sind oder das Spucken nicht bis zum 12. bis 18. Lebensmonat verschwindet, sollte ein pädiatrischer Gastroenterologe zurate gezogen werden. Bei einem «Happy Spitter» reicht es meist aus, auf kleinere Portionen zu achten und eventuell eine spezielle, dickflüssigere Formulanahrung zu füttern. Manchmal ist häufiges Spucken aber auch das einzige Symptom einer Kuhmilchunverträglichkeit. Ein 2-wöchiger Ver-

such mit extensiv hydrolisierter oder Elementarmilch oder eine kuhmilchfreie Ernährung der stillenden Mutter ist darum sinnvoll, wenn die oben genannten Massnahmen keinen Erfolg bringen. Die Bauchlage wird wegen des damit verbundenen höheren Risikos für den plötzlichen Kindstod nicht empfohlen.

Mangelnde Gewichtszunahme?

Klar vom «Happy Spitter» abgegrenzt werden müssen

Säuglinge mit den gleichen Beschwerden, die jedoch

nicht gut zunehmen. Dies ist ein Warnsignal mit the-

rapeutischen Konsequenzen.

Mithilfe eines Ernährungsprotokolls

sind die Begleitumstände abzuklären: Wie viele Kalorien werden dem Kind angeboten, und wie viele nimmt es tatsächlich auf? Welche Nahrung (Art,

Tabelle: Warnsignale bei Säuglingen mit rezidivierenden Regurgitationen oder

Konsistenz) wird angeboten? Wie oft? Erbrechen

Falls gestillt wird: Reicht die Milch der Mutter aus? Wie klappt es mit dem Saugen und Schlucken? Die Eltern sind darauf hinzuweisen, dass sie dem Kind keinesfalls weniger Nahrung anbieten dürfen, um das Spucken zu vermindern. Falls Spucken und ungenügende Gewichtszunahme trotz adäquater Ernährung persistieren, müssen poten-

• Erbrechen von Galle • gastrointestinale Blutungen (Hämatemesis,
Hämatochezie) • ständiges starkes Erbrechen • Beginn des Erbrechens nach dem 6. Lebens-
monat • Gedeihstörung • Diarrhö • Obstipation • Fieber

zielle Ursachen der Gedeihstörung ab- • Lethargie

geklärt werden, wie beispielsweise Infektionen (insbesondere der Harnwege), Nahrungsmittelunverträglichkeit/-allergie, anatomische Anomalien, neurologische oder metabolische Erkrankungen sowie Vernachlässigung oder Missbrauch.

• Hepatosplenomegalie • angeschwollene Fontanelle • Makro-/Mikrozephalie • Krämpfe • Bauchdeckenabwehrspannung oder Blähung • bekanntes oder vermutetes genetisches/meta-
bolisches Syndrom

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SCHWERPUNKT

Ein Versuch mit extensiv hydrolisierter Formulanahrung oder Elementarmilch für 2 bis 4 Wochen ist sinnvoll.
Häufiges Schreien und Unruhe
Gesunde Säuglinge schreien und weinen durchschnittlich 2 Stunden pro Tag, mit grossen individuellen Unterschieden. Auch 6 Stunden können noch normal sein. Am meisten schreien und weinen Babys typischerweise in der sechsten Lebenswoche, doch auch hier gibt es grosse individuelle Unterschiede. Obgleich Unruhe und Schlafstörungen bei Säuglingen im Allgemeinen auch als Symptom für gastroösophagealen Reflux gelten, konnte in mehreren Studien noch nie eine klare Assoziation zwischen GERD und diesen Symptomen nachgewiesen werden. Auch führte die Behandlung mit Säureblockern nicht zu deren Verringerung. Bei einem im Übrigen gesunden Kind ist es sehr unwahrscheinlich, dass häufiges Weinen und Unruhe auf Reflux zurückzuführen ist. Die bis anhin verfügbare Evidenz spricht somit gegen einen probatorischen Einsatz von Säureblockern bei Säuglingen mit unerklärlichem Weinen, Schreien oder Schlafstörungen. Es sind aber vielerlei andere Ursachen bekannt, die für häufiges Weinen und Unruhe verantwortlich sein können. Hier ist wiederum an eine Kuhmilchunverträglichkeit zu denken, ausserdem an eine lange Reihe teils schwerer Erkrankungen wie Infektionen oder chirurgische Notfallsituationen bis hin zu Klagen wegen Tabakrauchs, Hunger, Missbrauchs oder Vernachlässigung. Falls kein anderer Grund für die Beschwerden gefunden werden kann, ist ein Versuch mit extensiv hydrolisierter Formulanahrung oder Elementarmilch für 2 bis 4 Wochen sinnvoll.
Kleinkinder
Regurgitation und episodisches Erbrechen tritt ab einem Alter von zirka 18 Monaten sehr viel seltener auf als bei Säuglingen. Nach Ausschluss anderer Ursachen und bei Verdacht auf GERD werden diverse Tests zur Abklärung empfohlen (GI-Endoskopie und/oder ösophageales Impedanz/pH-Monitoring und/oder der Bariumschluck); Evidenz aus Studien gibt es hierzu nicht, es handelt sich bei dieser Empfehlung um eine Expertenmeinung.
Sodbrennen
Sodbrennen ist das typische GERD-Symptom bei Adoleszenten und Erwachsenen. Kinder können frühestens ab einem Alter von 8 Jahren verlässlich Auskunft über die Natur ihrer Beschwerden geben. Die Behandlung ist ähnlich wie im Erwachsenenalter mit entsprechenden Verhaltensregeln und einem probeweisen Einsatz von Protonenpumpenhemmern (PPI) für 2 bis 4 Wochen. Falls sich die Beschwerden trotz PPI nicht bessern, sollte das Kind an einen pädiatrischen Gastroenterologen überwiesen werden. Falls die PPI-Therapie anschlägt, sollte diese für 2 bis 3 Monate fortgeführt und dann langsam (mindestens über 4 Wochen) ausgeschlichen werden. Treten die Symptome dann erneut auf, ist eine Endoskopie sinn-

voll, um das Vorliegen und Ausmass einer Ösophagitis abzuklären und andere potenzielle Ursachen der Beschwerden (z.B. eosinophile Ösophagitis) auszuschliessen. Da Sodbrennen die Lebensqualität erheblich mindert, ist eine lebenslange PPI-Therapie zwar denkbar, doch helfen Antiazida, Histamin-2-Rezeptorantagonisten (H2RA) oder PPI auch intermittierend bei gelegentlichen Sodbrennenepisoden.
Refluxösophagitis
Bei niedriggradiger Refluxösophagitis und ohne weitere Risikofaktoren ist nach einer initial erfolgreichen PPI-Therapie keine langfristige Gabe von PPI nötig. Die initiale PPI-Therapie bei erosiver Ösophagitis sollte 3 Monate dauern. Falls keine ausreichende Linderung nach 4 Wochen eintritt, kann man die Dosis erhöhen. In den meisten Fällen genügt für das Therapiemonitoring der Verlauf der Symptomlinderung, und weitere Endoskopien sind nicht nötig. Diese sind nur bei atypischen, unklaren Verläufen angezeigt. Bei Patienten mit nicht erosiver Ösophagitis sind Follow-up-Endoskopien nicht nötig, insbesondere wenn unter PPI keine Symptome mehr auftreten. Die meisten Patienten benötigen nur eine Dosis PPI pro Tag, idealerweise 15 bis 30 Minuten vor dem Frühstück. Da die Refluxösophagitis nicht immer chronisch oder rezidivierend ist, sollte bei symptomfreien Patienten mit PPI nach 3 bis 6 Monaten ein Ausschleichversuch erfolgen. Das Ausschleichen muss langsam erfolgen, über mindestens 4 Wochen hinweg.
Barrett-Ösophagus
Die Präkanzerose Barrett-Ösophagus als Komplikation der Refluxkrankheit ist bei Kindern viel seltener als bei Erwachsenen, kommt aber bei Kindern mit schwerer GERD durchaus vor. Die Behandlung ist ähnlich wie bei Erwachsenen, mit Biopsien und Follow-upEndoskopie alle 3 bis 5 Jahre. Falls keine Dysplasie vorliegt, wird eine Langzeit-PPI-Therapie verordnet sowie je nach individueller Situation ein chirurgischer Eingriff erwogen. Das Barrett-Syndrom ist per se aber keine Indikation für die Operation.
Dysphagie, Odynophagie und Nahrungsverweigerung
In der Praxis werden viele Patienten Dysphagie und Odynophagie nicht als getrennte Entitäten wahrnehmen. Beides ist an sich nicht typisch für GERD, obgleich Schluckbeschwerden häufig in diesem Zusammenhang genannt werden und in einzelnen Fällen tatsächlich mit dem Reflux assoziiert sein können. In der Regel tritt aber keine Besserung durch eine Antirefluxtherapie ein. Insofern deuten Schluckbeschwerden eher auf andere Ursachen hin, wie zum Beispiel anatomische Anomalitäten, neurologische/motorische Störungen, orale oder ösophageale Entzündung oder auch psychischen Stress. Odynophagie kann zwar ein Symptom für Ösophagitis sein, wahrscheinlicher für die massiven Schmerzen beim Schlucken sind aber andere Ursachen. Die Gründe für eine Nahrungsverweigerung sind

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mannigfaltig. GERD gehört eher nicht zu den häufigsten, sodass zunächst nach anderen Ursachen gesucht werden sollte.
Reflux und Asthma
Reflux kann ein bestehendes Asthma verschlimmern, gilt aber nicht als Risikofaktor für die Entstehung von Asthma. Man geht davon aus, dass die Aspiration saurer Refluxpartikel für Asthmaexazerbationen verantwortlich sein kann. Insbesondere nächtliches Giemen (wheezing) scheint mit GERD assoziiert zu sein. Viele Asthmakinder weisen einen zu hohen ösophagealen pH-Wert auf, aber eine entsprechende Untersuchung wird nicht empfohlen, um abzuschätzen, ob PPI hilfreich sein könnten. Obgleich Studien mit erwachsenen Asthmatikern allenfalls einen sehr begrenzten Nutzen für PPI dokumentieren, ist es möglich, dass PPI bei Personen hilfreich sind, die gleichzeitig unter Sodbrennen, nächtlichen Asthmaanfällen oder trotz Steroiden schwierig zu kontrollierendem Asthma leiden. Da Säuglinge und Kinder ihre Symptome nicht eindeutig beschreiben können, wird folgendes, stufenweises Vorgehen vorgeschlagen: PPI sind bei persistierendem Asthma mit Sodbrennen oder Regurgitation sinnvoll. Wenn es sich um ein schwer zu kontrollierendes oder nächtliches Asthma handelt, sollten anderen Gründe für das Giemen ausgeschlossen werden. Findet sich keine befriedigende Erklärung, hilft die Messung des ösophagealen pH-Werts weiter: Ist dieser erhöht, ist ein Versuch mit PPI sinnvoll. Ausdrücklich wird jedoch darauf hingewiesen, dass es nicht sinnvoll ist, PPI bei allen Kindern mit Asthma oder Giemen probehalber zu versuchen.

Sandifer-Syndrom
Es handelt sich um eine spastische, dystone Bewegungsstörung, die bei gastroösophagealem Reflux auftreten kann. Typisch ist eine starke Krümmung des Rückens und eine abnorme Kopf-/Halsstellung. Die dystone Bewegungsstörung tritt episodisch, mehrfach am Tag auf und wird als Schmerzabwehrhaltung gedeutet. Das Sandifer-Syndrom ist selten, aber eindeutig mit GERD assoziiert, denn es verschwindet bei einer erfolgreichen Refluxtherapie.
Andere, eher seltene Komplikationen
Assoziationen zwischen GERD und Symptomen der oberen Atemwege wie Sinusitis, Pharyngitis oder auch der Otitis werden zwar postuliert, ihre tatsächliche Bedeutung ist jedoch umstritten. Rezidivierende Pneumonie oder atypische (interstitielle) Pneumonie können als Refluxkomplikationen vorkommen. Sie werden als Folge einer mangelnden Schutzfunktion der Lunge gegenüber sauren, aspirierten Refluxpartikeln gedeutet. Es ist zurzeit nicht klar, wie relevant diese Komplikation in der Praxis tatsächlich ist. Die Beobachtungen über einen Zusammenhang zwischen ösophagealem Reflux und potenziell lebensdrohlichen Zuständen wie Apnoe oder gar dem plötzlichen Kindstod sind widersprüchlich. Man geht zurzeit davon aus, dass in den allermeisten Fällen keine Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, auch wenn es im Einzelfall zutrifft, dass gleichzeitig ein Reflux bestand.
Die Zusammenfassung dieser Guideline von NASPGHAN und ESPGHAN erfolgte durch die Redaktion der Zeitschrift PÄDIATRIE.

Zahnschäden
GERD kann zu erosiven Zahnschäden führen. Besonders gefährdet sind Kleinkinder und Kinder mit neurologischen Funktionsstörungen. Darum ist es sinnvoll, bei Kindern mit GERD regelmässig die Zähne zu überprüfen. Nicht vergessen werden sollten andere Gründe für Zahnschäden im Kindesalter, wie ständiges Nuckeln gesüsster Getränke, Fruchtsäfte, Bulimie oder genetische Faktoren, die die Zusammensetzung von Speichel und Zahnschmelz beeinflussen.

Quelle und Downloadlink: van Vandenplas Y, Rudolph CD et al.: Pediatric Gastroesophageal Reflux Clinical Practice Guidelines: Joint Recommendations of the North American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition (NASPGHAN) and the European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition (ESPGHAN). JPGN 2009; 49:498-547. http://journals.lww.com/jpgn/Fulltext/2009/10000/Pediatric_Gastroesophageal_Reflux_Clinical.22.aspx
Der Praxiskommentar folgt auf der nächsten Seite.

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SCHWERPUNKT
Praxiskommentar zur Guideline «Gastroösophagealer Reflux»
Risiko der Übertherapie

Die internationale Richtlinie zu Evaluation und Management bei gastroösophagealem Reflux im Kindesalter diskutierten Dr. med. Katharina Wyss-Senn, Dr. med. Mercedes Ogal, Dr. med. Kilian Imahorn und Dr. med. Stephan Rupp. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Die meisten Probleme bei Säuglingen lassen sich mit einfachen Massnahmen wie Eindicken der Nahrung, kleine Portionen, Hochlagern et cetera lösen. Für die gestillten Kinder gibt es einen Trick: «Man kann aufgelöstes Nestargel® vor die Brust streichen oder dem Kind in den Mund geben und es dann anlegen», riet Mercedes Ogal. Das mögen die Kinder zwar nicht gerne, aber es ist eine Möglichkeit, die Muttermilch einzudicken. Die Problemfälle in der Praxis seien relativ selten, sagte Katharina Wyss-Senn, und sie betreffen in der Regel Kinder mit weiteren gesundheitlichen Problemen beziehungsweise Behinderungen. Kopfzerbrechen bereitete den Praktikern die Frage, ob und wie intensiv sie Kinder mit Reflux tatsächlich mit Protonenpumpenhemmern (PPI) behandeln sollten. Er sehe hier eher eine Gefahr der Übertherapie, sagte Stephan Rupp. Es sei eben nicht ganz sicher, ob PPI den Kindern langfristig nicht doch schaden könnten. «Bei den Erwachsenen spricht man von einem erhöhten osteoporotischen Frakturrisiko unter PPI, und ich frage mich, ob es gut sein kann, diese Substanzen einem wachsenden Kind zu geben», brachte er seine Bedenken auf den Punkt. Er habe das Gefühl, dass PPI Kindern mit Reflux zu grosszügig verordnet würden. Auch Mercedes Ogal sagte, dass sie PPI an Kinder eher nicht verordne und das nur sehr, sehr selten erwäge. In der Ostschweiz gebe man PPI hingegen durchaus auch an Kinder, berichtete Kilian Imahorn. An das Problem der fehlenden Zulassungen für die PPI im frühen Kindesalter erinnerte Stephan Rupp: «Es ist nicht hilfreich, wenn in Empfehlungen Medikamente genannt werden, die für diesen Zweck nicht zugelassen sind.» Während gastroösophagealer Reflux bei Säuglingen quasi an der Tagesordnung ist, die meisten aber sonst asymptomatische «Happy Spitter» sind, sei das bei äl-

teren Kindern anders. In gewissen Fällen setzt Kilian Imahorn darum probatorisch den Säurehemmer Ranitidin ein: «Dann gibt es die wenigen Kinder bei denen sich die Situation schlagartig bessert, und man darf davon ausgehen, dass die Probleme tatsächlich durch einen gastroösophagealen Reflux verursacht wurden. Und bei allen anderen ist es eine enorme Beruhigung, wenn sich herausstellt, dass der Reflux nicht das Problem ist.» Oft sei der Leidensdruck beim Kind gar nicht so stark wie bei den Eltern, gab Katharina Wyss-Senn zu bedenken. Ausserdem sei der Reflux mitunter nicht allein für die Beschwerden verantwortlich, sondern diese seien im Rahmen einer Regulationsstörung zu sehen, welche einen viel grösseren Anteil am Problem habe als der Reflux. Die Praktikerrunde war sich einig, dass die in den Richtlinien genannte Diagnostik für die allermeisten Fälle überzogen sei. So werde die pH-Metrie praktisch nie gemacht und auch eine Gastroskopie nur in ganz wenigen Fällen. Auch der Ultraschall scheint bei der Refluxdiagnostik in der Praxis kaum noch eine Rolle zu spielen. Die vorliegende Richtlinie nimmt sich grösstenteils Problemen an, die für das Spital, nicht aber für die Kinderarztpraxis relevant sind, wie Barrett-Ösophagus oder Sandifer. Zwar können derartige Fälle sehr, sehr selten einmal vorkommen, sind jedoch klar ein Fall für das Spital. Die Praktikerrunde war sich einig, dass diese Guideline eher das Risiko einer Überbehandlung beziehungsweise Überdiagnostik mit sich bringt. Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Guideline in der Praxis eher nicht angewendet wird. Überdies darf man die empfohlenen Medikamente in vielen Fällen eigentlich nicht verordnen, weil sie – wie so oft – keine entsprechende Zulassung haben.
Renate Bonifer

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