Transkript
EXPERTENBRIEF NR. 40 DER GYNÉCOLOGIE SUISSE SGGG
In der GYNÄKOLOGIE werden – nach Auswahl der Herausgeber – an dieser Stelle aktuelle Expertenbriefe publiziert (verifizierte Printform).
Expertenbrief Nr. 40
(siehe auch: http://sggg.ch/de/members_news/1005)
Kommission Qualitätssicherung Präsident Prof. Dr. med. Daniel Surbek
Update des Screenings für Zervixkarzinome und Follow-up mittels Kolposkopie
Die vorliegenden Empfehlungen entsprechen einem Konsens, der von allen akademischen und Referenzzentren validiert wurde und eine Harmonisierung der Praxis für die ganze Schweiz anstrebt. So ist bei der jährlichen gynäkologischen Kontrolle (z.B. wegen Kontrazeption) nicht zwingend ein Screeningabstrich erforderlich. Die Indikation, einen PAP-Abstrich innerhalb eines kürzeren Zeitraumes als des empfohlenen vorzunehmen, liegt selbstverständlich im Ermessen des Arztes unter Berücksichtigung der Risikofaktoren der Patientin.
Stefan Gerber, Siegfried Heinzl, Claudia Canonica, Mathias Fehr, Brigitte Frey Tirri, Michael Mueller, Jörg Obwegeser, Jacques Seydoux, Edward Wight
Das Screening von Gebärmutterhalskrebs durch einen zytologischen Abstrich wurde in den letzten Jahren optimiert und durch die HPV-Typisierung ergänzt. Aufgrund neuer klinischer und epidemiologischer Daten wurden neue Empfehlungen publiziert, allen voran in den Vereinigten Staaten, wo ein ähnliches Modell zur Früherkennung wie bei uns empfohlen wird. Das erklärte Ziel ist es, die Überbehandlung leichtgradiger Zellveränderungen insbesondere bei jungen Frauen zu reduzieren und die Bemühungen hauptsächlich auf die Läsionen mittelschweren und schweren Grades zu fokussieren. Derzeit gelten die Empfehlungen für alle Frauen, unabhängig von ihrem HPV-Impfstatus.
Screening
Timing Ohne bekannte Risikofaktoren sollte die Früherkennung des Gebärmutterhalskrebses durch einen PAP-Abstrich erst im Alter von 21 Jahren oder nach Aufnahme der sexuellen Aktivität beginnen. Bei Frauen unter 21 Jahren stehen bei der gynäkologischen Kontrolle vor allem die Beratung über Verhütungsmittel sowie deren Verschreibung und die Beratung über sexuell übertragene Krankheiten im Vordergrund. Diese Beratung erfordert oft mehr als eine jährliche Kontrolle. Vom 21. bis zum 30. Altersjahr wird die Krebsvorsorge alle zwei Jahre durch einen PAP-Abstrich durchgeführt. Aufgrund der sehr hohen Prävalenz ist eine HPV-Typisierung für diese Altersgruppe nicht zielführend. Finden sich im Abstrich keine endozervikalen Zellen, so empfiehlt es sich, den Abstrich innerhalb eines Jahres zu wiederholen, es sei denn, die Frau gehört einer Risikogruppe an (z.B. Immunsuppression, auffälliger Abstrich in der Anamnese, Status nach Konisation etc.). Ist ein Risiko vorhanden, ist eine Wiederholung innert 3 bis 6 Monaten angezeigt.
Zwischen dem 30. und dem 70. Altersjahr sollte der Abstrich alle drei Jahre wiederholt werden, unter der Voraussetzung, dass die drei letzten Abstriche normal waren. Bei Patientinnen ab dem 70. Altersjahr können die Vorsorgeuntersuchungen eingestellt werden, sofern deren Abstriche während mindestens der letzten 3 Jahre normal waren, in den letzten 10 Jahren keine Dysplasie aufgetreten ist und sie sexuell nicht mehr aktiv sind. Andernfalls sollte das Screening fortgesetzt werden, desgleichen bei einer Patientin mit Risikofaktoren (z.B. bei wechselnden Partnerschaften, Immunsuppression).
Sonderfälle Bei Patientinnen, bei denen aufgrund einer gutartigen Indikation eine Hysterektomie vorgenommen worden ist, kann das Screening eingestellt werden, sofern der letzte Abstrich normal war. Im Zweifelsfall oder bei Risikoverhalten (z.B. Partnerwechsel) sollte jedoch das Screening fortgesetzt werden. Bei immunsupprimierten Patientinnen sollte die Untersuchung im ersten Jahr zweimal vorgenommen werden – dann, bei normalem Abstrich, nur einmal pro Jahr.
Zytologische Überwachung
Diese erfolgt bei den beschriebenen Befunden wie folgt: ■ ASCUS (= atypical squamous cells of undetermined signifi-
cance): Zuerst ist eine Triage mittels einer HPV-Typisierung indiziert. Bei positivem HPV-HR-(High-Risk-)Nachweis ist eine Kolposkopie notwendig. Ist das Ergebnis HPV-LR (low risk) oder HPV-negativ, sollte ein Abstrich innert 6 Monaten vorgenommen werden. Ist die kolposkopische Untersuchung unauffällig, ist ein Abstrich nach 6 Monaten zu entnehmen und nach 12 Monaten zu wiederholen. Bei einem pathologischen Befund der kolposkopischen Untersuchung ist eine gezielte Biopsie indiziert. Die weitere Nachbetreuung richtet sich nach dem Ergebnis der Histologie. ■ ASC-H (= atypical squamous cells): In dieser Situation ist eine Kolposkopie zwingend: Bei normalem Ergebnis wird die Untersuchung nach 6 und 12 Monaten mit mindestens einem Abstrich wiederholt, bei normalem Befund kann zur
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üblichen Vorsorge zurückgekehrt werden. Bei einem pathologischen Befund ist eine gezielte Biopsie durchzuführen. Die Nachbetreuung richtet sich nach dem Ergebnis der Histologie. ■ L-SIL (= low-grade squamous intraepithelial lesion): Bei diesem Befund ist die Indikation für eine Kolposkopie gegeben. Bei normalem Ergebnis wird die Untersuchung nach 6 und 12 Monaten mit mindestens einem Abstrich wiederholt. Bei normalem Befund kann zur üblichen Vorsorge zurückgekehrt werden. Bei einem pathologischen Befund ist eine gezielte Biopsie angezeigt. Die Nachbetreuung richtet sich nach dem Ergebnis der Histologie. ■ H-SIL (= high-grade squamous intraepithelial lesion): In dieser Situation ist eine Kolposkopie zwingend. Ist das Resultat der Untersuchung nicht eindeutig, oder weist die Biopsie Unstimmigkeiten auf (normale Biopsie oder CIN1 bzw. L-SIL), sollte eine diagnostische Konisation durchgeführt werden. Die Konisation kann während einer Schwangerschaft und bei einer jungen Frau unter 30 Jahren aufgeschoben werden, wenn die Compliance gegeben ist. In diesem Fall wird das Follow-up durch Kolposkopie und Abstrich alle 6 Monate während mindestens eines Jahres durchgeführt. Wenn die Übergangszone (Transformationszone) nicht sichtbar ist, ist eine Kürettage der Endozervix angezeigt. ■ AGC (= atypical glandular cells of undetermined significance): Die Indikation für eine Abklärung, die aus einer Kolposkopie mit Kürettage der Endozervix und einer HPVTypisierung besteht, ist gegeben. Ausserdem sollte bei Patientinnen im Alter über 35 Jahre eine Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung des Endometriums durchgeführt werden. Dies gilt auch für Patientinnen, welche Risikofaktoren für ein Endometriumkarzinom aufweisen. Sind die Resultate normal, erfolgt ausnahmslos eine kolposkopische Überwachung alle 4 bis 6 Monate während zwei Jahren. In allen anderen Fällen ist eine Konisation mit Kürettage der Endozervix und des Kavums vorzunehmen.
Vorgehen nach folgenden histologischen Befunden
■ CIN1 (= cervical Intraepithelial neoplasia): Empfohlen wird die zytologische Überwachung alle 6 Monate. Bei Persistenz von CIN 1 über zwei Jahre oder bei einer Diskrepanz zwischen Zytologie und Histologie ist eine Konisation oder eine Laservaporisation angezeigt.
■ CIN2 bis -3: Eine Konisation ist ausser bei schwangeren Frauen indiziert. Bei sehr jungen nulliparen Frauen mit guter Compliance kann als Alternative eine Überwachung mittels Kolposkopie und Zytologie alle 6 Monate für einen Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen werden; bei Persistenz der Läsion erfolgt die Konisation.
■ AIS (= adenocarcinoma in situ): Hier ist eine tiefe Konisation oder in zwei Schritten (Ekto- und Endozervix getrennt) mit Kürettage der Restendozervix indiziert. Wenn keine Notwendigkeit besteht, die Fruchtbarkeit zu erhalten, und eine invasive Läsion ausgeschlossen ist, kann eine einfache Hysterektomie diskutiert werden.
Überwachung nach Konisation
Die Nachsorge sieht bei den genannten Indikationen vor: ■ CIN1-Follow-up: Die Kontrolle der Heilung erfolgt nach
6 Wochen, die Kolposkopie mit Zytologie nach 6 Monaten. Bei positiven Schnitträndern wird zusätzlich eine HPVTypisierung durchgeführt. Wenn alles normal ist, wird zum Screening zurückgekehrt. ■ CIN2- bis -3-Follow-up: Die Kontrolle der Heilung erfolgt nach 6 Wochen, die Kolposkopie mit Zytologie alle 6 Monate während eines Jahres, danach findet ein jährlicher Abstrich während 20 Jahren statt. ■ Follow-up bei AIS mit Erhaltung der Gebärmutter: Weisen die Schnittränder normales Gewebe auf und ist die Kürettage der Endozervix normal, erfolgt eine Nachkontrolle mit Kolposkopie, Abstrich und Kürettage der Endozervix alle 6 Monate während zwei Jahren; dann setzt das Screening mit jährlichem Abstrich ein.
Follow-up während der Schwangerschaft
Bei einer Zytologie mit Befund des Typs ASCUS HPV-HR oder L-SIL ist eine Kolposkopie angezeigt. Ist das Resultat der Untersuchung normal, oder weist die Biopsie maximal einen CIN1-Status auf, ist eine neuerliche Abklärung 6 Wochen nach der Geburt angezeigt. Bei Nachweis einer Typ-H-SIL oder einer AGC-Zytologie sind eine kolposkopische Untersuchung alle 3 Monate und eine Abklärung 6 Wochen nach der Geburt angezeigt. Eine gezielte Biopsie soll nur bei Verdacht auf ein invasives Geschehen vorgenommen werden. Ein Abstrich oder eine Kürettage der Endozervix sollten während der Schwangerschaft nicht durchgeführt werden.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Daniel Surbek Universitäts-Frauenklinik Inselspital Bern E-Mail: qsk-sggg@insel.ch
Datum des Expertenbriefs: 8. Juni 2012
Referenzen: ACOG Practice Bulletin: Cervical cytology screening. Obstet Gynecol 2009; 1148(3): 1409–20. Update on ASCCP Consensus Guidelines for Abnormal Cervical Screening Tests and Cervical Histology. Am Fam Physician 2009; 80(2): 147–55. Naucler P et al.: Human Papillomavirus and Papanicolaou Tests to Screen for Cervical Cancer. NEJM 2007; 357: 1589–97.
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