Transkript
RHEUMATOLOGIE
Umstellung auf Biosimilars
Gute Aufklärung erhöht Therapieerfolg
Vor mehr als 20 Jahren haben Biologika Einzug in die Medizin gehalten, und etwas mehr als 10 Jahre später gab es ein erstes Biosimilar, wie die mittlerweile etablierten Nachahmerprodukte genannt werden. Am Beispiel von Amgevita® zeigte Dr. Thomas Langenegger, Baar, die Anforderungen auf, die bei der Zulassung an ein Biosimilar gestellt werden.
Biologika sind in der Rheumatologie seit 1998 in Gebrauch, das erste war der TNF-alpha-Blocker Infliximab (Remicade®). Dabei handle es sich um Arzneimittel mit komplexer Struktur und einem hohen Molekulargewicht, die aus oder mithilfe von biologischen Organismen gewonnen würden, erinnerte Langenegger einleitend. Heutzutage werden zur Produktion meist Zellkulturen eingesetzt, seltener Bakterienkulturen. Die Biologika, in diesem Zusammenhang auch als Referenzarzneimittel oder Originatoren bezeichnet, können sowohl aus Protein- oder Nukleinsäuren, aus Zuckern sowie aus einer Kombination dieser Substanzen bestehen. Meist sind es monoklonale Antikörper, aber auch Hormone und andere Substanzen können auf diese Weise hergestellt werden. Ihre Nachahmerprodukte, die Biosimilars, sind ähnlich in der biologischen Aktivität, Funktion und Struktur und müssen für die Zulassung Reinheits- und Sicherheitsprofile erfüllen. Es seien aber keine Generika, Biosimilars seien nie vollkommen gleich, betonte der Experte. Als erstes wurde 2009 ein Biosimilar von Filgrastim zugelassen. Als Bioidenticals werden Biosimilars bezeichnet, die in der gleichen Produktionsstätte produziert, aber von unterschiedlichen Pharmafirmen unter verschiedenen Namen vertrieben werden (z.B. Inflectra® von Pfizer, und Remsima® von iQuone).
Strenger Zulassungsprozess für Biosimilars
Biosimilars unterliegen einem strengen, von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) definierten Zulassungsprozess. Die erste Phase stellt eine vergleichende Analyse von Struktur, Funktion, Reinheit und Stabilität des Proteins im Rahmen von In-vitro-Studien dar. Präklinische (In-vivo-) Studien schliessen sich an, in denen die nicht klinische Pharmakodynamik, Pharmakokinetik und toxikologische Aspekte im Zentrum stehen; das geschieht meistens im Tierversuch. Phase-I- und Phase-III-Studien folgen, die Zulassungsstudien werden in der Regel in einer Indikation des Originalpräparats durchgeführt. ABP 501 (Amgevita®, ein Biosimilar von Adalimumab [Originalpräparat Humira®]) wurde in dieser Phase in den Indikationen rheumatoide Arthritis (RA; n = 526) (1) und Psoriasis (n = 350) untersucht. Bei der RA-Studie standen in den ersten 26 Wochen Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität im Fokus, als primärer Endpunkt war das ACR20Ansprechen (20%ige Besserung vordefinierter Symptome gemäss American College of Rheumatology) in Woche 24 definiert. Der Effekt des Biosimilars erwies sich dem Original ebenbürtig, das ACR20-Ansprechen lag in Woche 24 unter
ABP 501 bei 74,6 und unter Adalimumab bei 72,4 Prozent (1). In die 72 Wochen dauernde Verlängerungsstudie wurden 467 Patienten eingeschlossen, die vom Original auf das Biosimilar umgestellt wurden. Untersucht wurden Sicherheit und Ansprechen anhand von ACR20 und DAS28-CRP (weiterentwickelter, auf Untersuchung von 28 Gelenken basierender Disease Activity Score [DAS28] unter Berücksichtigung des C-reaktiven Proteins [CRP] anstatt der Blutsenkungsgeschwindigkeit als Entzündungsparameter). Die Wirksamkeit der Therapie wurde aufrechterhalten, nur wenige Patienten verliessen die Studie vor Ablauf der 72 Wochen (2).
Gute Aufklärung gegen Nozeboeffekt
Ob die Wirkung nach einer Umstellung aufrechterhalten wird, ohne dass neue Nebenwirkungen dazukommen, ist eine wichtige Information für die Therapieplanung. Interessante Ergebnisse lieferte dazu eine Studie, die untersuchte, inwieweit sich eine doppelblinde respektive eine bekannte Umstellung auf die Qualität der Behandlung auswirkt (3). Funktioniert die Umstellung besser oder schlechter, wenn die Patienten wissen, dass sie ein anderes Medikament erhalten? Die Antwort legt Vorbehalte gegen einen Wechsel, also einen Nozeboeffekt, nahe, denn die Rate an Therapieabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen oder Wirkverlust war grösser, wenn die Patienten wussten, dass ein Wechsel auf ein Nachahmerpräparat erfolgte. Diesem Effekt könne man aktiv begegnen, und zwar durch Beratung und Information, wie Langenegger betonte. Er habe diesen Effekt auch schon beobachten können, so der Experte. Möchte jemand wieder zurückwechseln, sei das auch machbar. Studien belegen in der Regel, dass die Wirksamkeit der Nachahmerprodukte gleich gut ist wie die der Originatorpräparate. Auch was die Nebenwirkungen angeht, zeigten sich ABP 501 und Adalimumab vergleichbar (1).
Indikationen auf Basis einer Extrapolation
Wurde das Biosimilar im Rahmen der Zulassung erfolgreich an einer Patientenpopulation des Originators getestet, wird in der Regel angenommen, dass es in den anderen Indikationen des Originators ebenfalls gleich gut wirksam ist. Es kann auf Basis einer Extrapolation also auch in den anderen Indikationen des Originalprodukts eingesetzt werden. Ausnahmen sind Indikationen, die erst später dazukamen, deren Schutz noch nicht abgelaufen ist. Im Fall von Amgevita® beispielsweise ist die 20-mg-Dosierung bei der juvenilen idiopathischen Arthritis noch nicht zugelassen.
16 ARS MEDICI DOSSIER VI+VII | 2020
RHEUMATOLOGIE
Biosimilars in der Rheumatologie*:
Adaliumumab (Original Humira®): Amgevita®, Hulio®, Hyrimoz®, Idacio®, Imraldi™ Infliximab (Original Remicade®): Inflectra®, Remsima® Rituximab (Original MabThera®): Rixathon®, Truxima® Etanercept (Original Enbrel®): Benepali®, Erelzi®
*mit Zulassung in CH nach Langenegger, www.swissmedicinfo.ch
Ökonomische Aspekte
Gemäss dem Helsana-Arzneimittelreport 2019 machen Immunsuppressiva vor den Onkologika den grössten Anteil der Gesamtkosten für Arzneimittel von 7,6 Milliarden Franken aus (4). Allein Adalimumab, Infliximab und Etanercept verursachen zusammen Kosten von 334 Millionen Franken. Wenn stattdessen Biosimilars zum Einsatz kämen, resultierte ein Einsparpotenzial von etwa 80 Millionen Franken.
Fazit
Biosimilars durchliefen vor der Zulassung ein strenges Prüfverfahren und seien bezüglich pharmazeutischer Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit mit den Originalpräparaten gleichwertig, wie der Experte zusammenfasste. Das Verfahren
ist weitaus aufwendiger als bei den Generika, die nur die
identische Struktur nachweisen müssen und ohne weitere
klinische Tests auskommen. Die Wirksamkeit scheint in allen
Indikationen mit jener der Originalpräparate gleichwertig zu
sein. Dennoch kann es bei der Zulassung hinsichtlich der In-
dikationen Unterschiede geben. Eine Umstellung vom Origi-
nator auf ein Biosimilar ist möglich. Seiner Erfahrung nach sei
eine solche Umstellung in den meisten Fällen unproblematisch,
berichtete Langenegger. Die Wirksamkeit kann bei einem klei-
nen Teil geringer, dafür bei anderen aber auch besser sein als
beim Originalpräparat – ein bekannter Klasseneffekt bei den
TNF-alpha-Blockern. Wichtig ist zudem, dass die Biosimilars
kostengünstiger sind und damit in Zukunft helfen können, die
immensen Medikamentenkosten zu reduzieren.
Mü ▲
Quelle: «Biosimilars: Stand 2020 am Beispiel von Amgevita®», Webinar von Rheuma Schweiz, mit freundlicher Unterstützung von Amgen, 17. April 2020.
Referenzen: 1. Cohen S et al.: Efficacy and safety of the biosimilar ABP 501 compared
with adalimumab in patients with moderate to severe rheumatoid arthritis: a randomised, double-blind, phase III equivalence study. Ann Rheum Dis 2017; 76: 1679–1687. 2. Cohen S et al.: An open-label extension study to demonstrate long-term safety and efficacy of ABP 501 in patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Res Ther 2019; 21: 84. 3. Odinet JS et al.: The biosimilar nocebo effect? A systematic review of double-blinded versus open-label studies. J Manag Care Spec Pharm 2018; 10: 952–959. 4. www.helsana.ch/de/helsana-gruppe/ueber-uns/gesundheitswissenschaften/arzneimittelreport.html, letzer Zugriff am 18.6.2020
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