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BERICHT
Osteoporose
So fördert man die Knochendichte
Mit der steigenden Lebenserwartung steigt auch das Risiko, eine osteoporosebedingte Fraktur zu erleiden. Am FOMF-WebUp Gynäkologie erläuterte Prof. Andreas Günthert, welchen Stellenwert präventive Massnahmen und Medikamente in diesem Zusammenhang haben.
Eine 50-jährige Frau hat in der Schweiz eine durchschnittliche Lebenserwartung von 86,4 Jahren. Ihr Lebenszeitrisiko, eine osteoporotische Fraktur zu erleiden, betrage 50 Prozent, sagte Prof. Andreas Günthert, Luzern. Er empfiehlt darum allen Frauen zwischen 45 und 55 Jahren einen Basis-DXAScan, der in Zusammenarbeit mit einer Osteoporosesprechstunde erfolgen sollte. In der aktuellen Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften wird die Indikationsschwelle für eine Basisdiagnostik bezüglich Osteoporose enger definiert (10-Jahres-Frakturrisiko ≥ 20%), verbunden mit der Aufforderung, allen Personen ab 50 Jahren eine klinische Abschätzung ihres Frakturrisikos anzubieten. Grundsätzlich sei diese Abklärung bei allen Personen ab 50 Jahren nach Frakturen ohne adäquates Trauma notwendig. Die häufigste osteoporotisch bedingte Fraktur sei mit 25 Prozent der Fälle die distale Radiusfraktur nach einem banalen Sturz, so Günthert. Der T-Score gibt die Knochendichte im Vergleich mit dem Durchschnittswert junger Erwachsener an (d. h. im Vergleich mit dem Gipfel der Knochendichte). Von einer Osteopenie spricht man ab einem T-Score ≤ –1 SD, von einer Osteoporose ab ≤ –2,5 SD, das heisst ab einer Knochendichte, die um mindestens das 2,5-Fache unter derjenigen eines jungen Erwachsenen gleichen Geschlechts liegt. Der Z-Score bezieht sich auf gleichaltrige Gesunde und sei möglicherweise für prämenopausale Frauen besser geeignet als der T-Score, so Günthert. Eine Osteoporose kann auch infolge von Medikamenten oder durch besondere Umstände, wie beispielsweise eine lange Immobilisation, auftreten. In diesem WebUp ging es um die Prävention und die Behandlung der weitverbreiteten primären, postmenopausalen Osteoporose.
KURZ & BÜNDIG
� Postmenopausale Frauen haben ein hohes Lebenszeitrisiko für osteoporotische Frakturen.
� Bewegung und nach Möglichkeit schwerkraftabhängiger Sport sowie eine ausreichende Versorgung mit Kalzium, Vitamin D und Proteinen fördern die Knochendichte, und sie sind auch die Basis jeglicher Osteoporosetherapie.
Den richtigen Sport wählen
Wichtig sei es, einen Sport mit Schwerkrafteinwirkung zu wählen. Schwimmen sei zwar generell gut für die Fitness, nutze aber in Bezug auf die Knochengesundheit eher nicht so viel, sagte Günthert. Er erinnerte daran, dass zum Beispiel Raumfahrer nach einem längeren Aufenthalt in der Schwerelosigkeit eine Osteoporose entwickelten, obwohl sie ein erhebliches Fitnessprogramm in der Raumstation absolvierten.
Kalzium, Vitamin D und Proteine
Erwachsene sollten 1000 bis 1200 mg Kalzium pro Tag zu sich nehmen, Jugendliche 1200 bis 1300 mg pro Tag. Gerade beim Kalzium sei eine gute Ernährung immer besser als Supplemente, betonte der Referent. Ein Zuviel an Kalzium, wie es mit Supplementen möglich ist, kann zu Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkten führen, insbesondere aber auch zu Nierensteinen. Als wünschenswerte Vitamin-D-Zufuhr nannte Günthert eine Dosis von 800 IE (20 µg) pro Tag oder eine wöchentliche Dosis in entsprechender Höhe. Von Mai bis September reiche hierfür die körpereigene Vitamin-D-Synthese aus, sprich der Aufenthalt im Freien mit etwa 15 bis 20 Minuten Sonneneinstrahlung auf Unterarme und Gesicht pro Tag. Allerdings funktioniere diese natürliche Vitamin-D-Quelle ab einem Alter von zirka 70 Jahren nicht mehr so gut, so Günthert. Wichtig für die Knochengesundheit sei auch eine ausreichende Zufuhr von Proteinen, das heisst 0,8 bis 1 g/kg Körpergewicht. Das könne bei Vegetariern und Veganern ein Problem sein.
Therapie bei Osteoporose
Basis jeglicher Osteoporosetherapie sind die ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Kalzium (vorzugsweise über die Ernährung) sowie Bewegung. In der Schweiz sind die Bisphosphonate Alendronat (Binosto®, Fosamax®, Fosavance®, Generika), Ibandronat (Bondronat®, Bonviva®, Generika), Risedronat (Actonel®) und Zoledronat (Aclasta®, Zometa®, Generika) verfügbar. Ihre antiresorptive Wirkung hält auch nach dem Absetzen der Medikamente eine Zeit lang an. Der Effekt der Bisphosphonate beruhe darauf, «den Knochen weniger schmackhaft» für die Osteoklasten zu machen und so dem Knochenabbau entgegenzuwirken, sagte der Referent. Die Bisphosphonatsalze lagern sich an den Knochen an und bewirken das Absterben der Osteoklasten durch Apoptose.
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Die Aktivität der Osteoklasten kann durch die Blockade des RANKL-Rezeptors gebremst werden (RANKL: receptor activator of NF-κB ligand). Der Antikörper Denosumab (Prolia®) ist ein RANKL-Inhibitor. Seine Wirkung verschwindet nach Absetzen wieder, und es kann zu einem Rebound-Effekt mit vermehrten Frakturen kommen. Eine postmenopausale systemische Hormontherapie zum Zweck der Osteoporoseprävention wird heutzutage wegen des damit verbundenen Brustkrebsrisikos nicht mehr empfohlen. Für postmenopausale Frauen, insbesondere für diejenigen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko, empfahl Günthert den selektiven Östrogenrezeptormodulator (SERM) Raloxifen (Evista®), weil diese Substanz gleichzeitig das Risiko für Mammakarzinome statistisch signifikant senke.
Eine pulsative Gabe des Parathormonanalogons Teriparatid
(Forsteo®, Movymia®, Teriparatid-Mepha, Terrosa®) emp-
fahl der Referent als Reservepräparat nach Versagen einer
antiresorptiven Therapie.
s
Renate Bonifer
Quellen: 1. Referat von Prof. Andreas Günthert «Prävention durch Sport und Ernäh-
rung. Osteoporoseprophylaxe und Abklärungen» am FOMF-WebUp Gynäkologie, 8. Juni 2020. 2 Dachverband der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e. V.: Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern 2017. 27.2.2019: Redaktionell überarbeitete Langfassung vom 27.2.2019; AWMF-Register-Nr.: 183/001; https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/183-001. html, abgerufen am 12. August 2020.
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